Der Wohnort zeigt viel über die Person und Heimat kann eine glasklare Sache sein – Hermann Schützenhöfer über die wesentlichen Dinge.
Der Ort St. Veit bei Graz ruht noch in sich, wenn Hermann Schützenhöfer aufsteht. „Zwischen sechs und halb sieben, dann werden Zeitungen gelesen und die Nachrichten gehört. Wenn ich am Sonntag erst am späteren Vormittag Termine habe, ist es toll, mit meiner Frau Marianne ausgiebig zu frühstücken.“
Da wird am Frühstückstisch schon gedacht und „ein bisserl gewerkelt“. „Wenn ich in die Küche komme, hat meine Frau teilweise die Zeitungen gelesen, vor allem die Leserbriefe. Da passiert es auch, dass sie sich diesen Meinungen anschließt.“ Eine wunderbare Familiensituation also, wo in aller Freundschaft Meinungen ausgetauscht werden.
„Auch der GAK ist mir nicht fremd, ich bin halt Sturm Graz Fan. Ich wünsche mir ein Grazer Stadtderby.“
St. Veit ist Graz und auch wieder nicht. Es liegt auf der Anhöhe, aber in großer Gelassenheit, fernab von jeglichem Snobismus oder künstlicher Nervosität. „Lebenswert, liebenswert, erhoben über der Stadt, auf einem Hügel liegend“, so der Landeshauptmann zufrieden. „Ich bin vom Gemütszustand ein St. Veiter. Wir hier sind eine gute Mischung aus Stadt und Land.“ Ein „piccolo villagio“ im besten Sinne. Wirft man einen Blick in das Schaufenster beim Pfarrhaus, sieht man, dass die Gemeinschaft im besten Sinne gelebt wird: „Beim Pfarrfest schenken der Pfarrer und ich aus, die Frauen bieten Suppen und Mehlspeisen an und das Fleisch kommt von den umliegenden Bauern.“
Hermann Schützenhöfer zog es immer schon in den Norden von Graz. „Als ich von zu Hause auszog, in den 1970er Jahren, war ich in einer Studenten-Wohnung in der Mondscheingasse, danach habe ich immer im Bezirk Andritz gewohnt. Wie ich geheiratet habe, habe ich bereits unsere jetzige Wohnung in St. Veit angezahlt. Seit 1981 wohnen wir dort. Jetzt eben ohne Kinder.“
„Grundsätzlich muss man sagen, was in einem nicht drinnen ist, kann nicht nach außen kommen. Bitte nicht auslachen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass je mehr über das Daheim geschimpft wird, desto mehr hat man eine Sehnsucht danach.“
In dieser Wohnung, in einem Mehrparteienhaus, ist er dann geblieben. Auch weil Wurzeln geschlagen wurden. Natürlich, den kleinen Abstecher in eine andere Welt, in ein Wochenendhaus, wäre eine Möglichkeit gewesen. „Ein Kellerstöckl in der Südsteiermark oder in einem anderen Teil der Steiermark hätte ich mir immer wieder vorstellen können, aber ich habe mir eher die schöne Sicht vor dem Haus vorgestellt, als die mühsame Arbeit an den steilen Hügeln. Die sind die Grundlage, dass wir so einen weltmeisterlichen Wein haben.“
Schaut man von Graz, von den Arland- Gründen nach St. Veit, sieht man die wundervolle Barock-Kirche herausleuchten. Man stelle sich das vor 200 Jahren vor. Da kommt man am Ende nach einem tagelangen Wegmarsch nach Graz und sieht diese kräftig leuchtende Kirche mit dem markanten Zwiebelhelm. Das hat Charakter und bringt einem auch die Heimat etwas näher. „Ich kann sein wo ich will, je weiter ich weg bin, desto mehr habe ich die Heimat im Kopf“, so der Landeshauptmann, der das Thema auch kritisch sehen kann.
Koren wollte, dass Heimat nie Enge, sondern Tiefe ist.
Ja, aber es gibt Momente, wo einem der Begriff Heimat oder die Assoziation nicht sehr willkommen ist. „Die Steiermark ist ein Land der Forschung und Entwicklung, aber auch der Tradition. Ich möchte nicht, dass die Tradition in ein Eck gestellt wird, wo sie nicht hingehört. Wenn man aber sieht, wie manche Parteien die Lederhosen, eine bestimmte Farbe von Stutzen und dazu die Heimat noch vereinnahmen wollen, dann wird Heimat zur Enge.
Ich empfehle jeden jungen Menschen einmal von der Heimat wegzugehen.
Wenn man beispielsweise in Shanghai oder Peking in die AUA einsteigt, vom Bordservice freundlich begrüßt wird, eine österreichische Zeitung bekommt, dazu der Strauß Walzer gespielt wird, einen guten Kaffee und ein gutes österreichisches Essen, das sorgt auch für Identifikation, weil hier Österreich anfängt.
Jetzt lacht der Herr Landeshauptmann und freut sich. Eine Entspannung ist nach einem hektischen Tag spürbar. „Meine Fußballheimat ist die Gruabn und nicht Liebenau. Wann ich hier den Murlasits vor mir habe, den „Granaten-Fredl“, wie der von 40 Meter hingedroschen hat, da warst du hinter dem Tor nie sicher, bin ich selber der Murlasits oder bin ich der Ball, weil ich war so nah daneben, wie das heute gar nicht mehr geht – auch das ist Heimat.
Die Gruabn vergisst man sein Leben nicht.
Ihr Vater musste die Heimat einmal verlassen, weil er Arbeit brauchte, oder? Ja und zum Glück. Früher war das anders. Mein Vater musste in Wien auch einmal am Bau arbeiten und hat von Montag bis Freitag im Container gelebt. Das war eine harte Arbeit. Gestern war ich an seinem Grab. Er wäre 110 Jahre alt gewesen.
Herr Landeshauptmann, 40plus dankt für das Gespräch.
Text von Martin G. Wanko
Bild: Florian Lierzer