Übergänge – da una stazione all’altra
Im Zimmer meiner Tochter hängt ein Poster. The Hives. Lachen mich frech an, ziehen Grimassen. Hardcore aus Schweden. Ein Blick aufs Handy. The Hives, live in Italy, Legnano, Isola del Castello, am Rugbyfeld einer Industriestadt bei Mailand, der nächste Weg also. Ins Auto setzen und wegfahren, ein Trip in die Vergangenheit und in die Zukunft. Bella Italia, deine Wege sind unergründlich, nie ernüchternd und selten nüchtern.
Früh am Morgen, die Straßenbahn quietscht um die Kurve und wir sagen pfiat di Graz! Pack im Nebel. Kärnten – Regen. Angefressene Schweden schauen dir ins Auto. Arnoldstein, das Wetter lockert langsam auf. Durchatmen, Österreich liegt hinter uns. Clarissa raucht sich eine Marlboro an und wir geben Gas.
Vor uns die italienische Autobahn, diese unglaublich verlockend glänzende, kilometerlange, schwarze Zunge ins Glück! Rechts vor uns die erste Tankstelle, wir bleiben stehen. Ich öffne die Autotür, Flashback in die Kindheit. Ein Schwall aus Benzin, Sonne und Eis am Stiel rasen in meinen Schädel, peng! Die Q8-Tankstelle, die Autogrill-Raststation, Kaugummiautomaten an den Kassen, in späteren Jahren dann die verstohlenen Blicke zu den Zigaretten, den Mädels und vieles mehr. Mit 14 der erste Schluck Campari Soda, ein bitteres Lachen und leichte Explosionen im Magen. Wir drücken aufs Gas, zurück auf der Autobahn, wo die Autos fahren dürfen, als wären sie Königskutschen.
Der Abschied in die neue Welt – oh, che bello!
Die Sonne knallt gegen die Windschutzscheibe, vorbei an Zypressen, Koniferen, Oliven. Kräuter wuchern am Straßenrand, Weinreben neben der Autobahn, der 2,90 Euro Wein vom Supermarkt. Die Abfahrten Grado, Lignano, Caorle im Zeitraster, nebenbei die Suche nach einem Radiosender. Jetzt gerade „Rock Radio Italia“, Nannini, Celentano, Conte. Die Richtung stimmt! Tochter tschickt! Leben, a Wahnsinn! Bei Venedig verlassen wir die Autostrada der Kindheit, die Schlaufe nach rechts auf die Autostrada für Erwachsene ins Landesinnere und legen radiotechnisch Hand an. Die gute alte CD wird eingelegt, Antonello Venditti.
Fahrt quer durchs Land, 38° Außentemperatur, die Hitze ist fett, aber sie sticht nicht. Vorbei an Autobianchi, erkläre der Tochter die Bianchi-Farbe Celeste. Ankunft in Legnano, niemand weiß, wo das Zentrum ist, alles ist Zentrum, alle sind entspannt.
Am Abend: Kein Mensch kennt Spritzwein, überall entspannte Menschen, Autostopp zum Konzert. Hammerstimmung. The Hives klingen britisch, Zugabe im Konzert inkludiert. Nächster Morgen, Kater wird ignoriert, wunderbares Frühstücksbuffet mit selbstgemachtem Kuchen. An der Wand Kreuzstichbilder, Tiroler Alpen im Winter, Bauernhof im Schnee, Sehnsuchtsorte der anderen Art.
Von Station zu Station, da una stazione all’altra
Abfahrt, Routenplaner: In 30 Minuten Centro Milano. Alle fahren bei Rot über die Straße, Wanko auch. Geiles Hotel im Zentrum, am Corso Garibaldi. Trattoria, Prosciutteria, Bottiglieria, Shoppingfieber der Tochter, und plötzlich siehst du ein Geschäft mit designten Glasgefäßen in voller Pracht, die Vollendung. Fast könntest du drauf losheulen, alles hat seine Ordnung, irgendwann auch wieder in deinem Kopf. Wieder schaust du auf die erhabenen Formen, auf die Anordnung, das diffuse Licht klart auf, Glas, eindeutige Formen, selbst vorgegebene Strukturen, new order. Wenn du dich für das interessierst, dann bist du über 40 und angekommen. Va bene! Willkommen im Dschungel aller Möglichkeiten, lebe sie aus, vor allem aber lebe sie.
Vivete! Viveteee! Viveteeeee!