Der Wein hinter der Grenze hat einen durchaus historischen Touch, denn zur Zeit des Kalten Krieges wurde der Weinbau in den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten häufig vernachlässigt das Produkt oder qualitativ nicht wirklich hochwertig hergestellt. 40plus-Autor Martin G. Wanko ging auf Reisen.
Ungarn: Tatsächlich assoziieren viele mit Wein aus Ungarn gleich den Tokajer! Nicht zu Unrecht, er wird seit dem 16 Jahrhundert kultiviert und ist im edlen Ausbau durchaus mit unserer Trockenbeerenauslese im Burgenland zu vergleichen. Da der Wein jedoch in der Zeit des Kalten Kriegs leider an Qualität verloren hat, ist das Image heute nicht mehr ganz aufpoliert. Schön ist, dass hier auch österreichische Winzer nach Ungarn schauen. Das Weingut Weninger aus dem Mittelburgenland, bekannt für exzellente Blaufränkische, besitzt ein weiteres Weingut in Balf bei Sopron, gleich nach der Grenze. Hier entstehen dann wunderbare europäische Cuvées, wo ein Teil aus dem Weingut in Österreich mit einem Teil aus Ungarn verschnitten wird. Ponzichter oder Rozsa Petsovits beispielsweise. Auch die Namen haben einen Hintergrund: Rozsa Petsovits wurde zum Beispiel nach Weningers Großmutter benannt, in Ungarn geboren, im Burgenland gestorben.
Gleich über der steirischen Grenze sind die Slowenen die Musterschüler des ehemaligen Ostens am Werken. In emsiger Feinarbeit haben sie Wein und Genussgüter kultiviert und zu einer wirklich ausgezeichneten Qualität gebracht. Vier Weinbauregionen hat Slowenien inne, die bekannteste ist Primoska, mit den Weinbaugebieten Brda, Vipavska dolina (Vipava-Tal), Kras (Karst) und Slovenska Istra (slowenisches Istrien) – sie können den mehr oder weniger starken Einfluss des Mittelmeers spüren. Hier ist die Adria zu sehen, zu riechen oder zu erfühlen, gemeint ist, sie scheint permanent anwesend zu sein. Um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, bei den Weißweinen sind der Malvasia und Rebula ganz weit vorne, bei den Rotweinsorten Terrano und Refok. Natürlich, hinfahren und verkosten, auch das Olivenöl und das Fine Dining wird hier groß geschrieben, die Vielfältigkeit dieses kleinen Landes ist wirklich gegeben, auch in den Preisen. Die sind schon sehr westlich.
Slowenien und Kroatien haben ja den Großteil vom Karst inne, ein kleiner Teil vom Karst (Carso) und Istrien sind jedoch nach dem 2. Weltkrieg bei Italien geblieben. Dazu kennt der Wein keine Grenzen. Die autochthonen Rebsorten Malvasia, Vitosko, Terrano oder Refosco zieren sowohl in Slowenien, als auch im italienischen Karst die Reben. Mit seiner wüsten und felsigen Oberfläche verlangt der Karst den Winzern alles ab: Wenig rote Karsterde, Wasser, das schnell in Höhlen und Flusssysteme abrinnen kann. Die Verwurzelung im felsigen Boden sorgt für die mineralische Einzigartigkeit dieser Weine. Orange- und Naturweine sind vor und hinter der Grenze sehr beliebt.
Die Weinsorte Rebula verwandelt sich in Italien in den klangvollen Namen Ribolla Gialla, ist seit der Römerzeit bekannt und findet sich im Collio und im Colli Orientali wieder. Hier gibt es noch einige andere Hügelländer, genannt eben Collio, der Einfachheit halber bleiben wir beim Collio. Als Hauswein kommt noch der Friulano dazu, der in Zeiten, als Ungarn noch nicht bei der EU war, Tocai Friulano betitelt wurde. Den Rechtsstreit bezüglich der Marke haben die Italiener jedoch verloren.
Text: Martin G. Wanko