Was macht eine Gemeinde lebenswert?

Ortskern der Gemeinde Gleisdorf

Nahe Großstädte, Einkaufszentren, Online-Shopping, Pendelverkehr – kleinere Gemeinden stehen oft unter Druck, da die Bürgerinnen und Bürger dennoch gerne eine homogene, auch nachhaltige Gemeinde vorfinden wollen. Ein Gespräch mit Gleisdorf-Bürgermeister Christoph Stark sorgt für Erkenntnis.

Gleisdorf ist eine Stadt östlich von Graz, zwei Autobahnausfahrten entfernt. Sie hat rund 11.525 Einwohnern, eine beschauliche Kleinstadt mit Kino, Freibad und Gymnasium. Sie hat den Vorteil mit einem Bürgermeister ausgestattet zu sein, der ein optimistischer Realist ist. „Wie schafft man einen pulsierenden Ortskern?“, interessierte 40plus zuallererst. „Das eine funktionierende Rezept gibt es da leider nicht. Es ist aber in jedem Fall ein glückliches Zusammenspiel aus erfolgreichen Unternehmen, verkehrstechnischer Erreichbarkeit, Frequenzbringern wie einem florierenden Wochenmarkt, eine Reihe an gut organisierten Veranstaltungen und dazu ein Schuss hochwertiger Stadtgestaltung.“

„Die Menschen machen unseren Ort unverwechselbar.“

BGM. der Stadtgemeinde Gleisdorf Christoph Stark

Natürlich gibt es immer wieder Hiobsbotschaften, das „Mosconi“, ein beliebtes Billard-Lokal, nahe dem Zentrum, schloss gerade seine Pforten. Da hilft es auch nicht wegzuschauen: „Das sind in der Tat schlechte Nachrichten, hinter denen auch immer menschliche Schicksale stecken! Das Lokal selbst ist ja sehr attraktiv, man ist um Lösungen bemüht. Wenn es hier Support durch die Stadt braucht, sind wir da.“

Natürlich, nicht umsonst ist eine gewisse Genugtuung zu spüren, dass „der Müller“ sich in Gleichenberg angesiedelt hat, denn ein Player in dieser Größenordnung siedelt sich nicht an, ohne die Möglichkeiten eines Orts abzuchecken. „Die Ansiedlung eines neuen Müller-Marktes im Zentrum, der für zusätzliche Frequenz sorgen wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Damit man mich nicht falsch versteht: Wir freuen uns in der Stadt über viele familiengeführte Betriebe. Das Beste, was einer Kommune passieren kann! So entsteht ein gelungener Mix, der unsere Stadt ausmacht.“

Ein Ort funktioniert aber nur, wenn auch die Bevölkerung mitspielt: „Natürlich sind es die Menschen, die für den Erfolg von Unternehmen und damit für die Attraktivität einer Stadt mitverantwortlich sind. Was wir hier tun, ist immer und immer wieder die Geschichte dazu zu erzählen, eine Wertehaltung zu vermitteln, den Menschen Tag für Tag vor Augen zu führen, was alles da ist. Und das ist eine ganze Menge!“

Und das sollte natürlich genützt werden. Es ist sinnbefreit, sich Bücher in einem der Einkaufszentren an der Grazer Peripherie zu besorgen, da man mit der Buchhandlung Plautz ein fein sortiertes Fachgeschäft im Ortskern hat. „Plautz ist seit vielen Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte, hinter der eine Unmenge Fleiß und Geschick steht. Als Stadt und Region kann man nur Danke sagen, wenn es Geschäfte wie die Buchhandlung Plautz gibt.“

Verbesserte Mobilität und weniger Verkehr, das steht ganz oben auf der Agenda eines nachhaltigen Orts. In Gleisdorf machte man hierfür eine Untersuchung: „Rund 50 % aller KFZ-Fahrten, die durch die Stadt durchgehen, machen nie Halt. Diesen Verkehr müssen wir auf das hochrangige Verkehrsnetz bringen, das ja da ist!“, konkretisiert der Bürgermeister seine Vorhaben. Diverse Ortsbegrünungen sowie großzügigere Rad- und Fußwege werden gerne umgesetzt, „jedoch ohne den KFZ-Verkehr auszusperren“, so der Bürgermeister. Das sorgt für eine gewisse Grundzufriedenheit aller Bürgerinnen und Bürger: „In Summe soll sich die Aufenthaltsqualität für alle Menschen, die sich in der Stadt bewegen, gesteigert werden.“

Bleibt nur noch zu wissen, was am Beispiel Gleisdorf eine Gemeinde lebenswert macht: „Das ist der gute Mix aus der Einbettung in eine wunderbare Region, die Vielfalt der Wirtschaft und des Handels, die hohe Anzahl an Jobs vor Ort, die optimale verkehrstechnische Erreichbarkeit, ein reichhaltiges Kultur- und Freizeitangebot, Vereine, Entertainment und vieles mehr.“ Und natürlich auch das Freibad, das, wie in so vielen Orten, Geschichten von Generationen in sich birgt: „Es ist für das Sozial- und Gemeinschaftsleben unerlässlich und für viele Familien der Sommermittelpunkt. Würde ich es heute neu bauen müssen, wäre es in jedem Fall eine Aufgabe einer Region und nicht einer einzigen Gemeinde.“

Landeshauptmann-Stellvertreterin Manuela Khom
LH-Stellvertreterin Manuela Kohm

Im Gespräch mit LH-Stellvertreterin Manuela Kohm

Frau LH-Stellvertreterin, Sie kommen viel herum. Wann haben Sie das Gefühl, dass ein Ortskern vital ist?

Das Herz der Steiermark pulsiert in unseren Ortskernen. Das merke ich ganz oft, wenn ich in unserem Land unterwegs bin. Ob bei Gemeindefesten oder beim Einkaufen, unsere Ortskerne sind das Zentrum für Gemeinschaft und Miteinander. Und wenn die Menschen dort zusammenkommen, dann sind die Zentren vitale Treffpunkte!

Orte haben das Problem, dass sie sich verlieren, wenn Institutionen abwandern oder geschlossen werden. Was ist zu tun?

Bestehenden Bausubstanzen soll in Zukunft neues Leben eingehaucht werden. Damit kehrt das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in die Zentren zurück, die Wege werden kürzer und die Nachbarschaften rücken enger zusammen.

Eines Ihrer Ressorts sind die „Regionen“. Gibt es vom Land aus Revitalisierungsprogramme?

Wir bekennen uns klar zu unseren Gemeinden und zur Stärkung der Infrastruktur in den Regionen. Eine wichtige Einrichtung dafür ist die Ortskernkoordination. Die Ortskernkoordinatoren unterstützen die Gemeinden bei konkreten Projekten, stehen beratend zur Seite und helfen so, starke Zentren zu erhalten und entstehen zu lassen. Damit der ländliche Raum kein Raum zweiter Klasse wird, sondern attraktiv und lebenswert bleibt.

Wie bringt man den Ortskern zurück ins Bewusstsein der Bevölkerung?

Wir versuchen ganz gezielt, die Gemeinden bei der Stärkung ihrer Dorfgemeinschaft zu unterstützen. Ganz wichtige Arbeit passiert hier vor allem in den Vereinen. Ob in der Feuerwehr, der Musikkapelle oder beim Sportverein – alle Vereine sind wichtige Treffpunkte und tragen entscheidend zu einer belebten Gemeinde bei. Daher ist uns vor allem die Förderung unserer Vereine sehr wichtig.

Text & Interview: Martin G. Wanko

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