Frau Landesrätin Simone Schmiedtbauer hat wahrscheinlich das Super-Ressort in der Steiermärkischen Landesregierung inne: Landwirtschaft, Wohnbau, Wasser- und Ressourcenmanagement, Veterinärwesen und Gesellschaft. Um das zu schaffen, braucht man einen starken Willen und Management-Eigenschaften.
Wie geht’s Ihnen in Ihrem neuen Job?
Ich fühl’ mich wohl und ich habe Spaß dabei.
Fein, dann gehen wir gleich in die Materie, ein Schlagwort aus Ihren ersten Interviews: „Bewusstseinsbildung für Nahrungsmittel“ – was verstehen Sie darunter?
Das ist in einer „Geiz ist geil“-Mentalität verloren gegangen. In der Land- und Forstwirtschaft wird von der Gesellschaft sehr viel gefordert, aber nur in geringen Mengen gekauft. Da nehme ich alle Konsumenten mit ins Boot, wir entscheiden tagtäglich, was wir kaufen, wo wir kaufen und welches Produkt mit welcher Herkunft wir den Vorrang geben.
Wenn ich 500g Kaffee um den halben Preis bekomme, werde ich dennoch reichlich zugreifen.
Sicher, ja. Ich kann aber auch hergehen und sagen, ich liebe Kaffee und genieße Kaffee, dann trinke ich einen oder zwei. Wir müssen lernen, den Genuss wieder wahrzunehmen.
Gut, ich beobachte jedoch, dass die Bewusstseinsbildung vor dem Regal aufhört. Auch weil das Geld knapp geworden ist.
Dann muss ich aber aufhören, Forderungen zu stellen, an welche Berufsgruppen auch immer, die immer mehr unter Druck geraten.
Was sagen Sie dazu, wenn Diskonter Bio im Angebot haben? Der Konsument greift hier bedenkenlos zu.
Jede dieser Aktionen findet am Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern statt und nicht beim Diskonter. Das muss dem Konsumenten bewusst werden. „Ernährungssicherheit“ – ein weiteres Schlagwort. Das ist wieder Bewusstseinsbildung und die will ich in die ganze Diskussion und das Erzählen der Geschichten miteinbeziehen. Wörter, wie Lebensmittelversorgungssicherheit, werden ganz schnell ausgesprochen, sind aber absolut nicht selbstverständlich. Das wird sich in der Lebensmittelstrategie wiederfinden. Das wird auch Teil unserer betrieblichen Beratung sein müssen. Die Betriebe brauchen auch Planungssicherheit.
Was kann die Politik dazu beitragen?
Darüber reden und Dinge offen ansprechen. Wir können aber von der Politik nicht immer erwarten: „Was tut sie, was macht sie“ – der Mensch hat eine Eigenverantwortung.
Bodenversiegelung „Bodenfraß“ – wäre es nicht geschickter, den Flächenwidmungsplan zentral zu organisieren? (Manche BGMs hinterlassen ja einen Fleckerlteppich.)
In der Vergangenheit hat es Fehler gegeben. Es hat sicher überall ein Umdenken stattgefunden. Die Umweltereignisse sind auch andere, zum Beispiel der Starkregen. Man könnte heute niemals neben einem Bach ein Grundstück verkaufen. Unsere Bürgermeister sind enorm sensibilisiert worden und sind imstande das zu machen.
Warum übernahmen Sie eine Landwirtschaft?
Ich habe meinen Mann geheiratet und dann war ich Bäuerin. Wir haben einen Schweinemastbetrieb mit Direktvermarktung gehabt. Selbst geschlachtet, veredelt und sind Bauernmärkte und Hofläden angefahren. Das haben wir aufgehört, wie ich ins Europaparlament gegangen bin.
Sie waren mit Ihrer Landwirtschaft u.a. Direktvermarkter von Schweinefleisch. Viele Menschen weigern sich Schweinefleisch zu essen, weil sie mit der Massentierhaltung nicht einverstanden sind. Verstehen Sie das?
In Österreich nicht, weil wir keine Massentierhaltung haben. Bei uns gibt es starke Kontrollen und die genaue Anzahl von Plätzen, die für eine Mast zur Verfügung gestellt werden.
Wie definieren Sie Massentierhaltung?
Ein Familienbetrieb, der 300 Schweine hält, ist noch lange keine Massentierhaltung. Bei uns haben die Tiere noch einen Namen und das macht uns in Europa zu einer Einzigartigkeit. Schweinemäster in Spanien haben teils 15.000 Schweine im Stall. Bei 800 Milchkühen ist man dort ein Familienbetrieb. Solche Dimensionen haben wir in der Steiermark nicht. Dann haben wir aber wieder vom Tierschutz diverse Schauermeldungen. Dann haben wir aber wieder vom Tierschutz diverse Schauermeldungen. Ich werde immer so viel Bäuerin sein, dass mangelnde Fütterung oder Pflege eine rote Linie ist. Schlimm ist, wenn durch Überforderung Dinge passieren, die nicht passieren dürfen, zum Beispiel durch große psychische Probleme.
Sagen Sie mir in einem Satz die größten Sorgen der Landwirte?
Immer mehr Anforderungen, die einhergehen mit Investitionskosten und die Sorge, dass die Kunden unsere Produkte nicht mehr kaufen und nicht mehr schätzen.
Der Landwirt sagt, er bekommt zu wenig, der Konsument sagt, er zahlt zu viel. Wo bleibt das Geld liegen?
Dazwischen. Der Spediteur, der Großhändler, Handel mit erhöhten Personal- und Stromkosten. Dazu muss man auch sagen, dass von den 1950er-Jahren bis heute die Prozentzahl des Haushaltseinkommens, das für Nahrungsmittel ausgegeben wird, von 50 % auf 11 % gesunken ist. So viel zum Thema „Der Konsument zahlt immer mehr.“
Ich sehe in der Jugend eine starke Trendwende zu „New Meat“, also zum Fleischersatz auf pflanzlicher Basis, wegen der Tierhaltung und der CO2-Äquivalente. Was halten Sie davon?
Ich respektiere alle Arten der Ernährung. Im Umkehrschluss möchte ich als eine, die sich, mit drei Mal Fleisch in der Woche, ausgewogen ernährt, auch von allen respektiert werden.
Es gibt ein Paradoxon: Das Rind wird (heute) in Bestallungen gehalten und bekommt Kraftfutter, das auf den landwirtschaftlichen Flächen angebaut wird, auf denen früher das Vieh weidete. Brauchen wir hier eine Wende?
Bei uns nicht anstatt, sondern mit. Eine Kuh kann ohne Heu gar nicht überleben. Aber ich gebe Ihnen recht, wir haben hier Luft nach oben. Donau Soja gedeiht zum Beispiel bei uns großartig. Kann durchaus mehr werden.
Was raten Sie dem Bauern mit Problemen?
Ein Betriebskonzept mit Beratung. Ohne Konzept geht hier nichts mehr, da der Bauer ein Unternehmer ist. Man muss aber auch etwas Neues probieren.
Wie stehen Sie zu Pflanzenschutzmittel?
Mit Augenmaß werden wir sie auch zukünftig brauchen.
Schon einmal einen Demeter Biowein probiert?
Nein. Ich habe aber auch Vieles in meinem Leben noch nicht probiert.
Insekten?
Nein. Aber ich toleriere jeden, der das mag.
Wasser wird immer mehr zum Thema, vor allem in den Hitzemonaten, wo auch die Landwirtschaft größere Mengen benötigt. Ich habe gehört, der Vorrat sei enden wollend.
Wir müssen auch bei Wasser umdenken. Vielleicht ist Wasser auch so günstig, dass es keinen Wert hat.
Wenn wir allen Bedürfnissen diverser Interessenvertretungen folgen, schaffen wir weder die Klimaziele 2030, noch 17 Ziele des UN-Modells der Nachhaltigkeit. Sind wir zu unflexibel?
Es gibt sehr wohl ein Umdenken. Es hilft aber nichts, wenn wir Ziele und Datum festlegen, wo wir schon im Vorhinein wissen, dass das nicht schaffbar sein wird. Hier müssen alle Betroffenen mit eingebunden werden. Weil so reden wir auch permanent nur über Ziele, an denen wir scheitern, anstatt über Dinge, wo wir vorwärts kommen.
Sie sind Landesrätin für Gesellschaft – 2023 hatten wir 27 Femizide in Österreich, 12 davon in der Steiermark. Das ist sehr viel für ein Bundesland.
Das ist zu viel und nicht erklärbar. Wir haben bereits ein großes Netzwerk. Bestürzend ist, dass keine dieser ermordeten Frauen sich dort gemeldet oder um Hilfe gefragt hat.
Ich habe hier kurz recherchiert. Hier spielen oft Bildung und/oder Migration eine Rolle. Warum scheinen Frauen leichter mit einer gesellschaftlichen Anpassung umzugehen?
Frauen sind oft flexibler. Sie sehen, dass hier anders gelebt wird. Das macht offen und neugierig.
Frau Landesrätin, 40plus dankt für das Gespräch!
Interview: Martin G. Wanko