40plus-Autor Wolfgang Kühnelt zieht den Kopf ein und taucht in die Historie eines einzigartigen Geschäftes.
Wir schreiben das Jahr 1980. Czesław Miłosz, den heute wohl nicht mehr viele kennen, erhält den Literaturnobelpreis. Handke veröffentlicht „Die Lehre der Sainte-Victoire“. Für Oskar Kokoschka, Jean-Paul Sartre und Henry Miller heißt es Abschied nehmen von dieser Welt.
In Graz hingegen beginnt in diesem Jahr eine neue Ära. Am 4. August öffnet die Bücherstube erstmals ihre Pforten. In dem kleinen und vor allem niedrigen Geschäftslokal in der Prokopigasse befindet sich zuvor der Geschenkartikelladen „Chez moi“. Die Besitzerin bekommt ein Kind und zieht sich ins Privatleben zurück. So kann sich Angelika Schimunek ihren Traum vom eigenen Geschäft erfüllen. Wenige Monate später bereut sie diesen Schritt bereits wieder. Ab Jänner 1981 gibt es gleich für sechs Jahre eine große Baustelle direkt vor der Tür. Schimunek lässt sich nicht entmutigen, nimmt Kredite auf und bietet dem Schriftsteller Franz Innerhofer Platz für eine kleine italienische Buchhandlung eine Tür weiter. Nach rund fünf Jahren ist dieses Experiment beendet, das benachbarte Lokal wird zum Plattenladen.
Die Buchhändlerin setzt zu Beginn eher auf kleinere Verlage, auf Avantgarde-Literatur. Einer ihrer Lieblingsautoren? Peter Handke. „Wenn man ihn gelesen hat, sieht man die Welt ganz anders.“ Zu ihren Highlights gehört dann auch eine persönliche Begegnung mit dem Dichterfürsten, der ihr sein jüngstes Buch signiert: „Für Angelika im anderen Graz“. Das berührendste Erlebnis hatte sie aber mit einem alten Mann, der zu ihr kam und sagte: „Sie haben mein Kinderbuch in der Auslage stehen!“ Er hatte Tränen in den Augen, weil er das Buch so lange vermisst hatte. Mit einen schönen Nachdruck von „Hans Wundersam“ ging der Mann glücklich nach Hause.
Generell ist die Buchhändlerin auch nach all den Jahren überzeugt: „Ich hab lauter sympathische Kunden.“ Nur zu Weihnachten denk ich mir manchmal: „Hoffentlich kommt der nie wieder!“ Aber sind 40 Jahre nicht langsam genug? „Ja“, sagt die Buchhändlerin. „Ich könnte sofort aufhören. Ich weiß nur nicht, wie. Wenn ich hier einen Abverkauf mache, brauch ich mindestens ein Jahr.“
Text von Wolfgang Kühnelt