…manchmal auch eine des Establishments. 40plus-Autor Georges Desrues über die Schwierigkeiten junger Winzer mit neuen Ideen. Mit Herkunftsbezeichnungen für Wein ist das so eine Sache. Zum einen ist es freilich zu begrüßen, wenn sich die Winzer eines Anbaugebietes zusammentun, um sich bestimmte Regeln selbst aufzuerlegen. Das Ziehen am gemeinsamen Strang erlaubt ihnen, regionstypische und wiedererkennbare Weine zu erzeugen, die sich leichter vermarkten lassen, für stabilere Preise sorgen und zum Ansehen und Prestige ihres Weinbaugebiets beitragen. Und zwar im besten Fall langfristig und auch für künftige Generationen.
So wurde bereits im Jahr 2002 in Österreich das DAC-System (Districtus Austriae Controllatus) eingeführt. Dieses besagt, dass jeder Winzer in einem bestimmten Gebiet (zum Beispiel Weinviertel) das DAC-Siegel tragen darf, der sich an gewisse Regeln hält (zum Beispiel bestimmte Traubensorten) und einen Wein erzeugt, der als geschmacklich typisch für das Gebiet befunden wird.
Andererseits erschweren derartige Regeln auch das Durchstarten von jungen Winzern, die neue Wege gehen, unterschiedliche Praktiken anwenden und Weine mit persönlichem Stil erzeugen wollen. Dabei braucht es doch gerade Einzigartigkeit und Wiedererkennbarkeit, um jenen Winzern, die nicht in ein renommiertes Weingut mit klingenden Namen hineingeboren wurden, Aufmerksamkeit zu verleihen und beim Durchstarten zu helfen.
Nun will man einen Schritt weitergehen und gesetzlich geregelte Klassifizierungen einführen. Solche gibt es bisher nur in Frankreich. Wie etwa im Bordeaux, wo anlässlich der Weltausstellung 1855 und auf Empfehlung der Vereinigung der Weinhändler sechs Châteaux als „premier grand cru“ klassifiziert wurden und somit, offenbar auf alle Zeiten hin, als das Beste gelten, was die Region zu bieten hat. Dabei handelt es sich um Château Lafite, Château Latour, Château Margaux, Château Haut-Brion und, als einziger Weißer, der Süßwein Château Yquem. Im Jahr 1973 kam nach einer Intervention des damaligen Landwirtschaftsministers Jacques Chirac auch noch Château Mouton-Rothschild dazu.
Eine gesetzlich abgesicherte Klassifizierung gibt es auch im Burgund, dem anderen der zwei prestigereichsten Anbaugebiete Frankreichs. Mit dem Unterschied, dass dort seit dem Jahr 1935 nicht das Chateau beziehungsweise der Wein, sondern die Lage, also der Weinberg, qualifiziert wurde. Hier ist die höchste Kategorie jene der Grand Crus, aus der 34 Weine kommen, darunter der mythische Romanée-Conti, der als der teuerste Wein der Welt gilt.
Das Burgunder Modell soll jetzt auch in Österreich in abgeänderter Form eingeführt werden. So wird es die Novelle im Weingesetz bestimmten Weinen erlauben, ganz offiziell die Zusätze „Erste Lage“ oder „Große Lage“ zu tragen und dieserart, weil ja gesetzlich geprüft und genehmigt, dem Konsumenten eine Orientierungshilfe bieten im Dschungel der bislang mehr oder weniger willkürlich verliehenen Prädikate. Die da theoretisch ja auch lauten könnten: „Herrlicher Hügel“, „Delikater Hang“ oder „Beste Riede von Überhaupt.“
Welche österreichischen Lagen dann tatsächlich die Zusätze „Große“ oder „Erste“ auf ihren Etiketten vermerken dürfen, steht im Augenblick noch nicht fest, da ja erst Anträge eingereicht, Verhandlungen geführt, Entscheidungen getroffen werden müssen – und obendrein keineswegs gesichert ist, dass auch alle heimischen Winzervereinigungen mitspielen werden.
Kritik gibt es aber bereits jetzt. So wird etwa beanstandet, dass die betroffenen Weine lediglich jene seien, die sowieso schon am Markt gut eingeführt sind und ihre Position durch den Vermerk am Etikett nun zusätzlich festigen können; während jungen Winzern, die auf bislang weniger renommierten Lagen anbauen, der Erfolg gleichzeitig erschwert werde.
Ob die Klassifizierung wirklich dazu gedacht ist, dem Konsumenten dabei zu helfen, sich zu orientieren, wie gerne behauptet wird, bleibt vorerst dahingestellt. Manche befürchten, dass es viel mehr darum geht, das Ego der alteingesessenen Weinbauern zu pinseln und den Wert ihres Landbesitzes zu steigern. Und dabei womöglich neu einsteigenden Winzern, auch wenn sie noch so gute Arbeit leisten, das Durchstarten zu erschweren. Ob das für die heimische Weinwirtschaft und für den Konsumenten tatsächlich einen Vorteil bringt, wird sich zeigen.
Text: Georges Desrues
Foto: Martin G. Wanko