Erlaubt ist, was schmeckt!

40Plus Dorner

Es ist nicht so, dass es Didi Dorner fad werden könnte. Am Abend führt er das Szepter in seinem vielfach ausgezeichneten Haubenrestaurant Magnolia, dazu eröffnete er „für das Tagesprogramm“ nun auch einen Würstelstand am Grazer Jakominiplatz. Debreziner, Frankfurter, Käsekrainer und Bratwürste wurden zusammen in puncto Größe, Räucherzeit und Geschmack mit einem steirischen Metzger entwickelt. Am Würstelstand lässt sich gut über Didi Dorners Zugänge zum Wein plaudern. Martin G. Wanko biss dazu in die gekochte Bratwurst, mit einem Glas gekühltem Merlot aus dem Veneto und Kartoffelschmiere.

Wein als Speisenbegleiter, was lässt sich grundsätzlich sagen?

Es ist nicht jeder Wein als Speisenbegleiter geeignet. Es gibt genug Weine, die es verdient haben, solo getrunken zu werden. Diese Weine ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich.

„Leichte Gerichte – leichte Weine“, liest man öfter.

Wird schon so seine Richtigkeit haben. Wenn etwas Filigranes am Teller liegt, kann ich mit keiner überkomplexen, fordernden Weinvariante kommen.

Brauchen rustikale Speisen einen stärkeren Rotwein?

Kann man, muss man aber nicht. Gibt auch hier elegantere Varianten.

Beim Festessen (zB: Weihnachten) sollte man kein Risiko bei den Gerichten eingehen – wie schaut’s beim Wein aus?

Wenn ich bei einem Festessen mit 3 Gängen nur einen Wein trinke, sollte ich einen nehmen, mit dem jeder kann. Die Harmonie mit jedem Gericht wird dann halt nicht erlangt werden.

Wie findest du den passenden Wein zu einem neuen Gericht?

Indem ich mir den Wein anders anschaue. Mich interessieren weder Rebsorte noch Winzer, auch nicht die Region. Ich versuche die geschmackliche Idee des Weines organoleptisch für mich herauszufinden. Ich bin der Meinung, dass die Natur normalerweise keine Fehler macht, und in einem Wein unterschiedliche Geschmäcker gleichzeitig da sind. Die Natur ist der große Künstler und gibt den Geschmack vor, wenn man ihn nachbaut, in einem Gericht eine Deckungsgleichheit findet, kann es nur richtig sein.

Und das Gericht bewusst gegenbesetzen?

Ich kann sehr wohl einen Kontrapunkt mit Wein setzen! Ich kann direkt ins Gegenteil gehen. Dann muss man sich das anschauen, probieren, schauen, was ist das Ergebnis, potenziert sich das, dass beides so unterschiedlich schmeckt, dass beides davon lebt? Das ist der Idealfall. Schade ist, wenn einer auf der Strecke bleibt.
(Kurze Unterbrechung, ein Gast kommt zum Fenster und fragt, was schon fertig ist.)

Didi Dorner meint: Burenwurst ist sehr heiß, Frankfurter ist fertig, Debreziner geht auch und ganz frische Semmeln. Wollen Sie auch was trinken?

Alleine, wenn ich die vielen Weine bei dir sehe, sprechen die von einer irrsinnigen Erfahrung. Wie kommst du zu neuen Weinen?

Kosten, kosten, kosten! Das ist auch ein Grund, warum wir im Magnolia in unseren Dispensern über 40 Positionen Wein konstant offen haben, damit wir auch in kleinen Mengen als Kostmuster immer kosten können.

Und, hast du den Plafond schon erreicht?

Im Idealfall passt ein bestimmter Wein zu einem wie ein maßgeschneiderter Anzug – dennoch wird man ewig unglücklich bleiben. Warum? Weil man immer wieder einen Wein finden wird, der besser ist, als der, von dem man vermeintlich geglaubt hat, der Beste zu sein.

Die Auswahl bleibt also subjektiv.

Es ist vollkommen egal, was irgendjemand zum Thema Wein sagt, wenn’s dir nicht schmeckt, ist es für einen nicht richtig. Aus, fertig, da braucht man nicht weiterdiskutieren!

Wie kostest du Wein?

Wein wird so und so in zwei Komponenten gekostet. Einerseits technisch, auf der anderen Seite organoleptisch. Organoleptisch ist alles was den Geschmack betrifft und das ist immer subjektiv. Dann kommt die technische Kost: Holz, kein Holz, Restzucker, Säure, klar, trüb, hell, dunkel. Aber noch einmal: Erlaubt ist, was schmeckt!

Salzig (asiatisch) mit süß (Riesling Kabinett)? Geht das für dich?

Warum nicht? Versuchen kann man alles, es ist nur so, dass ich nicht von vornherein Sachen machen muss, die schon in der Vergangenheit nicht funktioniert haben. Wir müssen alle ein bisserl aufhören, das Rad neu zu erfinden. Alles, was miteinander schmeckt, steht in den alten Kochbüchern schon drinnen. Wir tun alles fermentieren? Wir zerstören zuerst das Lebensmittel, damit wir danach einen hippen Trend daraus machen? Ich tu mir schwer. Wir brauchen Respekt vor Lebensmittel, aus fertig Ende!

Das klingt bewusst reaktionär.

Mir war klar, ich werde mit einem Würstelstand eher ein älteres Publikum ansprechen, aber erinnern wir uns: Für uns war es vor 40 Jahren ein Erlebnis zum Würstelstandl zu gehen – da haben wir uns schon auf’s Bier gefreut! Mit hochwertigen Würsteln im „Originalgeschmack“ unterscheiden wir uns schon sehr, weil das Normative von heute nur auf billig gemacht wird.

Wie schaut das beim Wein aus?

Ähnlich. Wir haben so viele gute Winzer und nichts gegen die Superstars in der Vergangenheit und deren Söhne heute, aber wir haben hier Wege beschritten, die preislich total danebengegangen sind, wenn man sich anschaut, was sogenannte Spitzenweine in Österreich kosten, glaubt man, man kauft Gold. Ähnliche Qualitäten kann man in anderen Ländern um wenig Geld kaufen.

Herr Dorner, 40plus bedankt sich für das Gespräch.

Interview: Martin G. Wanko
Headerbild: Martin G. Wanko

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