Es gibt lustige Zustände in dieser Welt: Zum Beispiel, wie mein Kollege Georges Desrues letztens schrieb, dass der aus der Glera-Traube hergestellte Prosecco nicht aus dem Ort Prosecco komme, sondern laut geschützter DOCG-Herkunftsbezeichnung aus der Provinz Treviso, aus den Orten Conegliano und Valdobbiadene. So darf im ungefähr zwei Stunden entfernten Ort Prosecco kein Schaumwein mit der Bezeichnung Prosecco abgefüllt werden, zum Missfallen der dortigen Winzer. Sie »dürfen« den Prosekar-Schaumwein erzeugen – das ist der heute etwas schrullig klingende Originalname des Dorfes unter der Herrschaft von Maria Theresia – und schrammen so doch sehr am Millionengeschäft vorbei.
Zurück nach Österreich: Ähnlich sonderbar ist, dass ein Wildbret aus einer Jagd nicht als Bio-Fleisch verkauft werden darf. Natürlich, das Reh kann sich außerhalb der Wälder an Kulturpflanzen laben, die ganz und gar nicht bio sind. Außerdem könnte ja ein Reh im Wald bei einem Mistkübel oder bei McDonald’s vorbeischauen und die stehengelassenen Big Mäc und Pommes schlemmen. Abgesehen von den Schwammerlsuchern, die die Rehe permanent mit ihrer Jause verwöhnen wollen. Da ist sicher was dran, kennt man ja von den Bären in Alaska und Kanada. Farmwild, in landwirtschaftlich geführten Gehegen gehalten, das keinen freien Zugang zur Natur hat, also im Grunde ein naturferneres Leben führt, da vom Züchter gehegt und gepflegt, ist dann, wenn das Futter stimmt, Biofleisch. Rein gesetzlich stimmt das, dem Gefühl nach aber nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass hier eine Novelle der EU-Öko-Verordnung sinnvoll wäre.
Was ich nicht verstehe ist, warum der Strompreis bei uns so in die Höhe schnellen konnte, obwohl wir zu 75 % autark, also Selbstversorger, sind. So müssten wir den Strompreis im eigenen Land mitbestimmen können. Natürlich kann man mir mit dem internationalen Preis kommen, mit der Gaspreisbindung und weiß Gott was alles, aber Slowenien hat auch den Spritpreis gedeckelt, weil er zu hoch wurde. Bei den Preissteigerungen, die wir zur Zeit erleben, werden Bio und Nachhaltigkeit als erstes in die Zwickmühle kommen und das wäre nicht nur ewig schade, sondern glatter Wahnsinn.
Eines vielleicht noch: Kürzlich erschien vom Psychologen Thomas Brudermann das Sachbuch »Die Kunst der Ausrede«, durchaus ratsam. Er geht unserem nicht zwingend klimafreundlichen Lebensstil nach: Jeder fühlt sich grundsätzlich als naturbewusst lebender Mensch. Aber für so gut wie jeden gibt es Ausreden, wo er es nicht so ernst nimmt. Fazit: Stimmt eh. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine permanente Annäherung auch zum Erfolg führt. Kleiner Tip: Ein nachhaltigeres Leben ist dort im Gange, wo die Veränderung spürbar wird.
Text: Martin G. Wanko, Chefredakteur
Bildhinweis: Clarissa Berner