Im August 2019 startete die dänische App Too Good To Go (TGTG) in Österreich. Genau gesagt bei einem Greißler im 3. Wiener Gemeindebezirk, um die ersten 30 Portionen heimischer Betriebe vor dem Wegwerfen zu retten. Heute, rund 3,5 Jahre später, arbeitet Too Good To Go mit über 5000 Partnern, wie Restaurants, Hotels, Supermärkten oder Produzenten, zusammen.
Das Wichtigste neben dem Partner ist der Kunde: Die Kunden bekommen um einen Minimalbetrag (ca. 15-20 %) gegenüber dem Warenwert Überraschungssackerln von dem jeweiligen Partner. Der Hintergrund: Die Ware ist kurz vor dem Ablaufdatum und müsste ansonsten entsorgt werden. Rund 5 Millionen Überraschungssackerln wurden bis jetzt in Österreich an 1,3 Million potentielle User verkauft.
Wie funktioniert TGTG? Prinzipiell sehr einfach: Dem Konsumenten wird auf der Handy-App ein verfügbares Sackerl angezeigt, der Konsument zahlt via PayPal in der TGTG-App, reserviert das Sackerl so für sich und holt es zum vorgeschlagenen Zeitpunkt des Unternehmens ab. Der Warenwert beträgt mindestens 15 Euro und der Kunde zahlt 3 bis 5 Euro. TGTG behält sich eine Provision von 1,19 Euro und zahlt die Differenz an das Geschäft.
Zeit, mit TGTG Österreich ein Interview zu führen. Martin G. Wanko stand die Marketing-Chefin Sabine Beer im Zuge einer Veranstaltung des Marketing Club Graz zur Seite.
Frau Beer, wie gut fühlt man sich bei solchen Zahlen?
Es freut uns sehr, dass Too Good To Go in Österreich so gut angenommen wird und wir sowohl viele Betriebe als auch Userinnen und User begeistern können, Lebensmittel zu retten und damit einen Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten.
Frau Beer, wie gut fühlt man sich bei solchen Zahlen?
Aus welchen sozialen Schichten kommt der Großteil der Kunden? (Ich habe gesehen, Studentinnen, Rentnerinnen und Personen, die eher auf ihr Geld schauen müssen.)
Mittlerweile wurde die App in Österreich bereits über 1,5 Millionen Mal heruntergeladen. Zu den Userinnen und Usern zählen quer über alle Generationen hinweg Menschen aus allen sozialen Schichten – lediglich die Beweggründe, mit uns Lebensmittel zu retten, können sich unterscheiden. Zu Beginn haben viele Studierende die App verwendet, weil sie etwas für mehr Nachhaltigkeit leisten wollten, inzwischen nutzen auch viele Familien und Pensionisten die App, um zu günstigen Preisen hoch-
wertige Produkte zu bekommen.
Kann man jetzt sagen, dass die Inflation – aus diesem Blickwinkel – die Welt sauberer zurücklässt?
Es wird doch weniger verschwendet.
Seit Beginn der Inflation sehen wir einen Zuwachs im Nutzungsverhalten um 20 %. Das bedeutet, dass neue Userinnen und User schneller ihr erstes Überraschungssackerl retten und gleichzeitig bestehende AppwwNutzerinnen und -Nutzer öfter und mehr kaufen. Die aktuellen Teuerungen und die Inflation tragen also sicherlich dazu bei, dass unser Angebot für eine neue Zielgruppe interessant wird.
Der ORF Wien spricht von TGTG als »kommerzielle Initiative«, das ist jetzt auch nicht falsch, denke ich: Bei 36 Mitarbeitern in Österreich muss bei 5 Millionen verkauften Sackerln ein anständiger Gewinn übrig geblieben sein. Was bleibt davon in Österreich?
Too Good To Go ist ein Social Impact Unternehmen – das heißt, wir wirtschaften genau so wie jedes andere Unternehmen, doch setzen wir unsere Einnahmen für eine soziale Veränderung ein. In Österreich gibt es uns seit dreieinhalb Jahren, uns ist es im letzten Jahr gelungen, profitabel zu sein – ein besonderer Erfolg für ein Start-up.
Wie viel landet aus TGTG-Tüten doch im Müll? Gibt es hier Zahlen?
Dazu haben wir keine Zahlen.
Sie haben schon für einige Unternehmen gearbeitet. Wie fühlt es sich an, für ein grundsätzlich »gutes Unternehmen« zu arbeiten?
Nach vielen Jahren Erfahrung im Marketing war es mein Ziel, nun für ein Unternehmen »mit Sinn« zu arbeiten. Ich bin sehr glücklich darüber, mit meiner Arbeit nun ein Stück zu einer besseren Welt beizutragen.
Wie schaffen wir es, dass die Haushalte ihre Verschwendungen einschränken?
Wir versuchen, durch unsere Initiative »Oft Länger Gut« Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht das automatische Ende eines Produktes ist, sondern, dass jedes Produkt auch danach durch Schauen, Riechen, Schmecken auf seine Qualität überprüft werden sollte und auf jeden Fall noch verbraucht werden kann, wenn es den eigenen Test besteht.
Wie sehen die weiteren Ziele von TGTG aus?
Unser Ziel ist Zero Food Waste und um dieses zu erreichen, versuchen wir, weiter Partnerbetriebe in ganz Österreich zu begeistern und mehr Userinnen und User von der Sinnhaftigkeit der Lebensmittelrettung zu überzeugen.
Text & Interview: Martin G. Wanko
Bilder: Too good to go
Too good to be true – Ein Erfahrungsbericht
Vorab: In meinen Sackerln war kein einziges verdorbenes, abgelaufenes oder schlecht aussehendes Lebensmittel – inhaltlich darf ich sehr objektiv die volle Punktzahl vergeben und auch die Abwicklung war bei jeder Bestellung unkompliziert. Ein großes Lob an die durchwegs freundlichen Fachkräfte vor Ort in den Lebensmittelläden.
Als Single mit der Tendenz, eher »haklig« in der Praxis und nachhaltig im Denken zu sein, ist der moralisch gute Griff zur App von Too Good To Go unter Umständen genau das, was man eigentlich verhindern mag: Lebensmittelentsorgung. Klar, man spart Geld und das dürfte in den meisten Singlehaushalten ein Thema sein. Zugleich bezahlt und besitzt man dann auch Dinge, die man überhaupt nicht haben möchte.
Fazit: Wählerisch darf man bei der Wahl der Lebensmittel nicht sein und wenn doch, ist teilen angesagt: Ich check mir ein Sackerl, wenn ich Omni-Gäste erwarte, meine Familie besuche oder einem weniger wählerischen Menschen etwas davon abgeben mag. Allen anderen – von der WG über den Pärchenhaushalt bis hin zur mehrköpfigen Familie – leg ich gerne ans Herz: Go for it!
Text: Birgit Krenn