Die Zukunft des Kunststoffes

40Plus Kunststoff

Kunststoff beinhaltet die Eigenschaft, große Freuden und auch große Sorgen zu bereiten. Ein genialer Werkstoff, Verbundstoff, ein Verpackungsprofi – nur wohin damit, wenn er nicht mehr gebraucht, alt und porös ist? 40plus fragte Produzenten, Recyclingprofis und Umweltpolitiker nach ihrer Meinung, um so eine möglichst vielseitige Sicht auf die Dinge zu erlangen. Soviel vorab: Wir müssen die Recycling-, Reduktions- und Reparaturgesellschaft werden, sonst werden wir in einem Berg voll Müll ersticken. Dazu kommt die EU-vorgegebene Plastikmüllreduktion bis 2025 und das UN-Plastikabkommen im November dieses Jahres – alles mehr als Schönschreibübungen.

Alpla, in Hard bei Bregenz beheimatet, ist ein vorbildlicher Entwickler und Hersteller von Kunststoffverpackungen, mit eigenen Recyclingwerken und erweitertem Horizont. Dominic Fiel, Corporate Marketing und Kommunikationschef bei Alpla, sieht die größte Herausforderung die Wertigkeit des Kunststoffs neu zu definieren: „Wir müssen Kunststoff einen Wert geben und Bewusstseinsbildung betreiben, dass das Material ein essenzieller Teil der Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme ist.“ Dabei sei Alpla auch anderen Verpackungsmöglichkeiten aufgeschlossen, auf Basis von Fakten und Vergleichen soll die ökologisch beste Verpackung ermittelt werden: „Deshalb setzen wir uns für Lösungen ein, die über alle Verpackungsmöglichkeiten hinweg die beste Alternative für den Verbraucher darstellen. Hier sind wir sehr offen für Austausch und konstruktive Zusammenarbeit.“

Das klingt insofern vernünftig, da es wenig Sinn macht, Kunststoff einfach nur zu verteufeln, obgleich man nie aus dem Auge verlieren darf, dass für die Erzeugung von Plastik in vielen Fällen auf Erdöl und Erdgas basierende Produkte herangezogen werden müssen. Für Umweltministerin Leonore Gewessler geht es hier grundsätzlich um das sinnvolle Einsetzen von Rohstoffen: „Das Einsparen von Einwegprodukten ist ein wesentlicher Schritt zur Einsparung von Ressourcen. Mehrwegprodukte, die öfter verwendet werden, vermeiden das Anfallen von Abfällen“, richtet ihre Pressestelle 40plus aus. Zukünftig müssen EU-weit Produkte „reparierbar und recyclingfähig designed bzw. hergestellt werden.“

40Plus Gewessler
Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation & Technologie: „Es braucht weiterer erheblicher Anstrengungen sowohl im Bereich der Siedlungsabfälle (insbesondere Haushalte) als auch im gewerblich/industriellen Bereich.“
40 Plus Fiel
Dominic Fiel, ALPLA: „Wir müssen Kunststoff einen Wert geben und Bewusstseinsbildung betreiben, dass das Material ein essenzieller Teil der
Lösung unserer gesellschaftlichen Probleme ist.“
40Plus Dicker
Frank Dicker, Servus Abfall: „Die gespannte Folie über Nahrungsmitteln ist ein hochtechnologisches Produkt mit unterschiedlichen Schichten und trägt dazu bei, dass wir durch eine längere Haltbarkeit eine geringere Lebensmittelverschwendung haben.“

Ein wesentlicher Punkt wird das Schaffen von einem kollektiven Umweltbewusstsein in der 3. Welt und in Schwellenländern sein, bei all den grundsätzlichen Problemen, die dort bestehen – siehe Maslowsche Bedürfnishierarchie. Ein Umdenkprozess wird stattfinden müssen, denn rund 80 % des Plastikmülls im Meer kommt aus diesen Ländern: „Wir müssen Materialien, die wir fürs tägliche Leben brauchen, einen Wert geben. Damit löst sich das Sammelproblem leicht, denn es lassen sich so Akteure finden und eine Infrastruktur aufbauen, um diese Sammlung zu organisieren“, so Dominic Fiel. Um das Problem eben weltweit in den Griff zu bekommen, haben Alpla zu ihren Kunststoffwerken auch neue Recyclingwerke errichtet, unter anderem in Thailand, Mexiko oder Südafrika.

Solche Initiativen sind dringend von Nöten, will man die weltweite Recyclingrate von schauerlichen 14 % ansteigen lassen: „Um die Recyclingquote weltweit zusätzlich zu erhöhen, braucht es Sammel-, Sortier- und Recyclinginfrastruktur“, meint Renate Gewessler. Weltweit gehöre der Abfall natürlich durch Mehrwegverpackungen und langlebige Produkte reduziert. Dazu wird dem allseits beliebten Müll-Export in ferne Länder auch ein Riegel vorgeschoben, dieser soll 2026/27 durch die neue EU-Abfallverbringungsverordnung größtenteils verboten werden.

2019 sind über 353 Mio. Tonnen Plastikabfälle produziert worden. Ohne drastische Maßnahmen würde sich diese Menge bis 2060 auf rund eine Mrd. Tonnen jährlich verdreifachen, beruft sich die EASAC auf Daten der OECD.

Der European Academies Science Advisory Council (EASAC)

Ein Klassiker ist natürlich, dass in Zeiten, in denen der Ölpreis niedrig ist, auch die PET-Flasche aus Primärrohstoffen billiger zu erzeugen ist. Natürlich drängt sich hier die Frage auf, ob ein bestimmter Anteil an Rezyklaten verpflichtend den neuen Produkten beigemischt sein soll. „Materialpreise sind ein Faktor. Fakt ist aber ebenso, dass Kunststoff mit wenig Aufwand relativ kosteneffizient recycelt werden kann“, wird aus der Alpla-Zentrale berichtet. „Unser Ziel lautet, die beste und nachhaltigste Verpackungslösung anzubieten und diese dann stets zu verbessern. Das kann dann auch über die Erhöhung des Anteils an Rezyklat geschehen.“ Von dem Leidwesen, dass in der Produktion und Industrie Virgin-Material aktuell oft günstiger als Sekundärmaterial ist, weiß man auch aus der Altstoff Recycling Austria Pressestelle, kurz ARA, zu berichten, aber es kommt Abhilfe: „Ab 2030 steht der Europäischen Verpackungsverordnung allerdings verpflichtende Rezyklatanteile in Kunststoffverpackungen vor“, so die Pressestelle.

Dennoch: Teilweise überkommt einen das Gefühl, wir sind immer einen Schritt hinten, z.B.: Pfand auf Kunststoffflaschen, der in Österreich im Gegensatz zu Deutschland um Jahre später kommt. NGOs, aber auch Forscher der europäischen Wissenschafts-Akademien fordern eine zwingende Abgabe auf Kunststoff. Dem steht Alpla kritisch gegenüber: „Hier nur den Fokus auf Kunststoff zu richten und dabei andere Materialien, die ökologisch gesehen weniger gut abschneiden, zu bevorteilen, geht in die komplett entgegengesetzte Richtung einer echten Kreislaufwirtschaft.“ Zurecht, denn nichts ist einfacher, als hier der Kunststoffindustrie den Schwarzen Peter zu verpassen und das Problem so nicht größer zu denken. Dass Glasflaschen zum Beispiel immer ökologisch sinnvoller sind als PET-Flaschen, stimmt nicht. Hier kommt es auf Energiekosten und Transportwege an. Aber auch der Handel hat sich auf die Kunststoffverpackung eingestellt: „Zum Beispiel, die gespannte Folie über Nahrungsmitteln ist ein hochtechnologisches Produkt mit unterschiedlichen Schichten und trägt dazu bei, dass wir durch eine längere Haltbarkeit eine geringere Lebensmittelverschwendung haben. Darf man halt auch nicht verteufeln!“, so Frank Dicker, aus der Servus Abfall Geschäftsführung.

Bis 2030 müssen wir nach EU-Vorgaben bei Kunststoffverpackungen eine Recyclingrate von 55 % erreichen. Geht sich das realistisch aus, was muss passieren, fragen sich die Interessierten zurecht. „Mit den genannten Maßnahmen sind wir zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen“, wird aus dem Ministerinnen-Büro knapp verkündet. „Aktuell werden in Österreich 25 % der rund 300.000 Tonnen Kunststoffverpackungen recycelt. Man sieht: um das EU-Ziel von 55 % zu erreichen, müssen wir uns in den kommenden Jahren von 75.000 auf 165.000 Tonnen etwas mehr als verdoppeln. Da liegt also noch jede Menge Arbeit vor uns, aber wir sind auf einem guten Weg“, weiß man aus der ARA zu verkünden. Zum einen ist die seit 2023 österreichweite Sammlung von allen Kunststoffverpackungen in der Gelben Tonne spürbar, zum anderen freut man sich über eine neue Sortieranlage: „Wir haben gerade im oberösterreichischen Ennshafen die landesweit größte Sortieranlage TriPlast für Leichtverpackungen eröffnet, die gleichzeitig die modernste Europas ist. TriPlast ist ein wichtiger Baustein für die österreichische Kreislaufwirtschaft, die jährliche Sortierkapazität liegt bei 100.000 Tonnen Leichtverpackungen, womit fast die Hälfte der Sortierlücke in Österreich abgedeckt wird.“

Grundsätzlich schaut es nicht schlecht aus! Der Reperaturbonus rettet viele Elektrogeräte vor dem Müll und lässt man die Aushubmaterialien bei Seite, werden in Österreich laut Umweltministerium 67 % (Datenstand 2022) aller Abfälle wiederverwertet, aber es gibt eben noch Lücken: „Es braucht weitere erhebliche Anstrengungen sowohl im Bereich der Siedlungsabfälle (insbesondere Haushalte), als auch im gewerblich/industriellen Bereich“, so die Ministerin. Abhilfe schafft hier die ARA, hier setzt man auf eine umfangreich Nachhaltigkeitskommunikation: „Vom Umweltbildungsprogramm ARA4kids über Social Media- und
Out-of-home-Kampagnen bis hin zu den 250 Abfallberater:innen und den Aufklebern auf den Sammelbehältern informieren und motivieren wir zur getrennten Verpackungssammlung.“ Bereits persönlich getestet und ausgezeichnet funktionieren hier die ARA Digi-Cycle App oder eine ähnlich gestaltete Einrichtung auf der Website des Unternehmens, wo mit eingegebenen Suchbegriffen eindeutig die Zuordnung zur richtigen Tonne stattfinden kann. Die Zustimmung zur getrennten Verpackungssammlung ist in Österreich mit mehr als 95 % erfreulich groß und zeigt, dass den Menschen Umwelt- und Klimaschutz wichtig sind.

40Plus ARA App
Die ARA Digi-Cycle App ordnet Verpackungen zielgerichtet zu.
© ARA AG

Der Hund liegt oft im Detail begraben – die Frischhaltefolie muss nicht lupenrein gereinigt werden, aber die Fleischverpackung sollten in ihre Einzelteile zerlegt werden, da sie aus verschiedenen Kunststoffen besteht, der Kartonmantelbecher erst recht, da dieser aus drei verschiedenen Verbundstoffen besteht. Denn im anschließenden Sortierprozess kann der Metalldeckel nicht vom Becher und der Becher nicht vom Papiermantel getrennt werden.

Ganz wesentlich für den internationalen Erfolg der Müllentsorgung wird das internationale Plastikabkommen sein, ein rechtlich verbindliches UN-Abkommen zur Beendigung der Plastikvermüllung von Umwelt und Meeren, im November 2024. Staaten wie China oder die USA verschleppen den Prozess noch, aber die nachhaltig denkende Kunststoffindustrie und die Politik sind sich einig: Dominic Fiel, aus der Alpla Kommunikationsabteilung, sieht darin den Vorteil einer „funktionierenden Kreislaufwirtschaft entlang der Wertschöpfungskette, die nur durch ernstgemeinte Zusammenarbeit gelingen kann“. Die Ministerin will in den Kunststofflebenszyklus eindringen: „Das umfasst die Kunststoffproduktion und das verbesserte Produkt-Design, etwa der Ersatz hoch problematischer Chemikalien, bis hin zur Entsorgung und Recycling, aber auch Vermeidung, insbesondere von Einwegplastikprodukten und Umstieg auf bessere Alternativen, wo immer es möglich ist.“

Text: Martin G. Wanko
Headerbild: Generiert mit ADOBE FIREFLY

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