Kein Witz: Kleingärten, Wild Gardening und Urban Gardening bescheren den Städten nicht nur grüne Flecken, sondern essentielle Aufwerter für Klima und Menschen – ein Gespräch mit Frau Ao.Univ.-Prof. Dr. Maria Müller der KFU Graz über das Kleinod, das zufriedene Menschen entstehen lässt.
Die eigene Kleingartenparzelle spielt zum Entspannen, zum Genießen, zum Austausch mit anderen, eine sehr große Rolle für die Menschen in einer Stadt wie Graz. Könnte man in einer Parkanlage auch machen, aber der Garten im Mikrokosmos hat so seine Vorteile: »Im Vergleich zum öffentlichen zugänglichen, städtischen Grünraum ermöglicht eine Kleingartenparzelle Selbstversorgung mit Obst, Gemüse, Kräutern und Schnittblumen in einem größeren Ausmaß«, so Maria Müller, die vor kurzem den Vortrag »Kleingärten als Oasen der Biodiversität und Nachhaltigkeit« im Rahmen der Montagsakademie hielt.
Menschen, die garteln, sind nicht nur zufriedener, sondern auch entspannter und erholter. Garteln fördert nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Gesundheit.«
Der Gartenbesitzer kann im Kleingarten die städtische Biodiversität erhalten und sogar erhöhen. Das senkt nebenbei den persönlichen CO2-Fußabdruck. In der Steiermark reden wir hier von über 70 ha Grünfläche, gepflegt in 32 Kleingartenvereinen. Das städtische Klein-Klima wird durch Kleingartenanlagen in Form von Luftreinhaltung, Wasserfilterung in unversiegelten Böden, Kühlung von Stadtteilen durch Wasserdampfabgabe der Pflanzen sehr stark positiv beeinflusst. »In Nanjing zum Beispiel wurde durch 10 Prozent mehr Baumbestand eine um 0.83 °C verringerte Oberflächentemperatur gemessen. Berliner Kleingartenanlagen (fünf Prozent der Stadtfläche, Stand 2020) senkten die Nachttemperatur stärker als große Parks«, weiß Prof. Maria Müller zu berichten.
In einer Studie in Kooper, in Kooperation mit dem Landesverband der Kleingärtner Steiermark, setzt sich Maria Müller mit der Artenvielfalt und Naturnähe der Gärten auseinander: »Unsere Diplomandin, Frau Gabriele Heibl, hat dabei mehr als 500 verschiedene Gefäßpflanzen gefunden. Unter den besonders erfreulichen Funden waren 12 in der Steiermark unter Naturschutz stehende Pflanzen, zum Beispiel die Schachblume.« Die Hälfte der erhobenen Pflanzen ernährt spezialisierte Schmetterlinge, ein Viertel ernährt spezialisierte Wildbienen.
Trockensteinmauern, Totholzhaufen oder Feuchtbiotope sind ökologische Nischen, ohne die eine Biodiversität unvorstellbar wäre.«
Naturnahes Gärtnern spielt im Grazer Kleingarten eine große Rolle. Hier findet man eine Vielfalt von dringend notwendigen ökologischen Nischen vor: »Die Rede ist von Trockensteinmauern, Totholzhaufen oder Feuchtbiotope. Kleingärtner*innen stellen selbst Kompost her, sammeln Regenwasser und lassen viele spontan wachsende Wildblumen und Stauden, wie die Große Brennnessel für Tagpfauenauge und über 50 weitere Schmetterlingsarten, stehen.« Dass diese Biodiversität durchaus internationale Anerkennung findet, lässt sich am Beispiel der Kleingartenanlage Steinfeld in Eggenberg erkennen: Sie hat 2019 die international anerkannte Ehrenurkunde für »naturnahes Gärtnern« erhalten.
Ein Kleingarten ist auch ein Zufluchtsort für unzählige Wildpflanzen. Sie zählen zur Spontanflora. Hier geht es um Pflanzen, die sich selbstständig (ohne Zutun des Menschen) dort ansiedeln können und welche nicht durch Jäten oder häufiges Mähen entfernt werden. »Viele Wildpflanzen haben Zierwert und einige sind auch schmackhaft, beides vereinen zum Beispiel Echte Schlüsselblume oder Gemeine Nachtkerze«, so Maria Müller, die auf eine überraschend starke Vielfalt blickt: »Vermutlich aufgrund des umsichtigen, naturnahen Gärtnerns, ist insbesondere die Vielfalt von Wildpflanzen in den Kleingärten erfreulicherweise höher als für Kontinentaleuropa üblich. So finden 120 verschiedene Wildpflanzen – darunter das in der Steiermark teilweise geschützte Echte Veilchen – mitten in der Stadt Ersatzflächen vor, auf denen sie bestens gedeihen können.«
»Urban Gardening ist für Menschen essentiell, die aufgrund der langen Wartezeit momentan keinen zeitnahen Zugang zu einem Kleingarten haben.«
Gerade in der Jugend will man auf keine Kleingartenparzelle warten müssen, sondern gleich loslegen. Gerade in oft hoffnungslosen Betonlandschaften haben sich Urban Gardening-Projekte etabliert, wo unter anderem Brachland oder leerstehende Objekte frisches Leben eingehaucht wird. »Diese Projekte spielen für Menschen eine große Rolle, die aufgrund der langen Wartezeit momentan keinen Zugang zu einem Kleingarten haben.« Urban Gardening verbessert nicht nur das städtische Mikroklima hervorragend, sondern es fördert und unterstützt auch die Gemeinschaft und verbindet die Menschen.
Text: Martin G. Wanko