Triest-Autor George Desrues über den Bio-Boom und die Nachhaltigkeit unserer Nachbarn, dazu die schwierige Situation in Triest.
Italien zählt zu den Ländern Europas, in denen die meisten Hektar Land biologisch bewirtschaftet werden. Viele Italiener kennen diese Statistik und verkünden sie auch gerne und bisweilen mit Stolz. Was sie nur selten dazusagen, ist, dass das Allermeiste, was auf dieser Fläche angebaut wird, für den Export in Länder wie Österreich oder Deutschland bestimmt ist. Denn in Italien ist »biologisch« ein weit weniger zugkräftiges Verkaufsargument als in besagten Exportmärkten.
Hierzulande greifen die Verbraucher viel eher zu lokalen Lebensmitteln. Das Schlagwort dazu lautet »Chilometro zero«. Oder, abgekürzt, KM . Dass lokale Lebensmittel in Italien so beliebt sind, hat freilich auch mit Geschichte und Kultur des Landes zu tun. Bekanntlich sind die Italiener, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade abenteuerlustig, wenn’s um Essen geht. Oft gilt ihnen schon als exotisch, was im Nachbardorf oder auch nur von einer anderen »Mamma« als der eigenen gekocht beziehungsweise im Gemüsegarten angepflanzt wird.
Und so ist es auch kein Wunder, dass die weltweit so erfolgreiche Slow Food Bewegung aus dem italienischen Piemont stammt. Sie setzt sich bereits seit 30 Jahren für lokale Lebensmittel und landwirtschaftliche Kleinproduzenten ein. Und sie erkannte bereits damals, also lange bevor diese Einsicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen war, dass zu hoher Fleischkonsum mit einhergehender industrieller Tierhaltung negative Auswirkungen auf die Umwelt hat. Und zwar kaum weniger als der Transport von Lebensmitteln rund um den Erdball. Auch war es die Slow Food Bewegung, die daran mitgewirkt hat, dass das weitgereiste und außersaisonale Lebensmittel heutzutage nicht mehr als Statussymbol gilt, wie das über Jahrhunderte der Fall war. Mit Erdbeeren im Winter versuchten nämlich bereits die alten Römer, ihre Gäste zu beeindrucken.
Die historische Ebbe
In Triest ist die Situation, wie so oft, eine besondere. Mit lokalen Lebensmitteln ist es hier nämlich nicht so einfach. Im Unterschied zu anderen Städten wie etwa Verona, Florenz oder Udine ist Triest nämlich kein wirklich gewachsenes Zentrum inmitten einer umliegenden landwirtschaftlichen Region. Sondern gewisser Weise eine Erfindung der Habsburger, die hier eine Hafen- und Handelsstadt errichten wollten. Was auch erklärt, dass in Triest generell nie wirklich viel produziert wurde und die Wirtschaft sich eher auf Handel, Transport, Banken- und Versicherungswesen spezialisierte.
Bis in die 1960er Jahre bestand noch am Triester Karst einiges an Landwirtschaft. Slowenischsprachige Bäuerinnen brachten die Früchte ihrer Arbeit zu Fuß und über steile Pfade hinunter in die Stadt, um sie auf den lokalen Märkten zu verkaufen. Doch spätestens als dann mit wachsendem Wohlstand die Transportkosten für Lebensmittel immer weniger ins Gewicht fielen, zahlte sich das alles nicht mehr aus und so kam die Landwirtschaft am Karst zum Erliegen.
Das zweite landwirtschaftliche Nahgebiet, nämlich Istrien, ging bereits nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, als es Jugoslawien zugesprochen wurde. Was eine ziemlich hermetische Staatsgrenze sowie die Auswanderung der überwiegenden Mehrheit der italienischsprachigen Istrier zur Folge hatte. Letztgenanntes wiederum bewegte die Regierung in Belgrad dazu, auf der nun dünn besiedelten Halbinsel eher die Industrie als die Landwirtschaft zu fördern.
Bleibt noch das westlich gelegene Friaul, zu dem man historisch stets weniger Verbindung hatte, als zu den Gebieten im Osten. Von dort, etwa aus der Gegend rund um den 35 Kilometer entfernt gelegenen Ort Fiumicello, stammt bis heute ein großer Teil des in der Regel konventionell erzeugten Gemüses und Obstes, das in Triest angeboten wird. Zwar wird auch im Friaul biologisch angebaut, allerdings – und wie erwähnt – vorwiegend für den Export. Bleibt der willkommene Nebeneffekt, dass weniger Chemie eingesetzt wird – was zwar nicht unbedingt auf direktem Weg dem Konsumenten, aber immerhin der Gesundheit der lokalen Böden zugutekommt.
Text: Georges Desrues
Bildhinweis: Martin G. Wanko