Kunst ist das Leben und das Leben ist Kunst. 40plus spricht mit Bühnen Graz Geschäftsführer Bernhard Rinner, dem Seismographen einer unruhigen Zeit.
Herr Rinner, Sie sind seit 1. Januar 2014 Geschäftsführer der Bühnen Graz GmbH (vormals Theater-
holding Graz | Steiermark GmbH). Vor kurzem sind Sie ein 3. Mal verlängert worden. Wo liegen
die Herausforderungen?
Zunächst erfüllt es mich mit großer Freude und Dankbarkeit, dass mich die Eigentümervertreter*innen in meiner Funktion wiederbestätigt haben. Die größte Herausforderung besteht nun sicher darin, die richtigen Reaktionen für das geänderte Publikumsverhalten – ausgelöst durch die Pandemie – sowie die Faktoren Inflation und Teuerung auszuarbeiten.
Die Oper Graz – laut FAZ 17.04.23 – und das Schauspielhaus Graz sind gut bestellte Häuser. Die Steiermark ist schon gespannt auf die neuen Intendanzen in diesen beiden bedeutendsten Häusern des Landes. Worauf darf man sich besonders freuen?
Besonders für das Theater gilt: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Aus dieser Veränderung auf Ebene der Intendanzen werden andere Sichtweisen auf das Genre der Oper und des Sprechtheaters resultieren. Für eine Theaterstadt wie Graz ist dies sehr wichtig, denn das Publikum darf nicht den Eindruck haben »more of the same« bei uns zu erleben.
Auf der Schloßbergbühne Kasematten veranstalten Sie selbst sommerliche Opernhighlights mit Starbesetzung – in diesem Sommer steht Georges Bizets Meisterwerk »Carmen« mit Elina Garanca, Erwin Schrott und Ramon Vargas am Programm. Wie schwer ist es, so große Stars nach Graz zu bringen?
Die Ermöglichung solcher hochkarätigen Opernbesetzungen entschädigt für viele Stunden an Herausforderungen.
Sie haben mit KLANGLICHT ein Festival mit internationaler Strahlkraft entwickelt – was erwartet uns in diesem Herbst bei KLANGLICHT?
Erstmal möchte ich gerne Bruno Kreisky zitieren: »Sie ahnen nicht, wie viel Lob ich ertragen kann.« (lacht). Auch dieses Jahr wird KLANGLICHT einen veränderten Blick auf Graz ermöglichen, weil Licht und Klang zahlreiche Perspektivenwechsel in der Betrachtung bekannter Orte in der eigenen Stadt hervorrufen. Zudem versuchen wir im heurigen Jahr ein Green-Event zu werden.
Wie geht man als größte Kulturveranstaltungsorganisation des Landes mit der Inflation als Folge des Ukraine-Krieges um? Hat das Auswirkungen auf die Besucherzahlen und das Betriebsergebnis?
Die galoppierende Inflation, die sich in Österreich nicht und nicht erholen will, ist für uns die wirtschaftlich größte Herausforderung seit Jahrzehnten. Energiepreisvervierfachung und Materialkostenverdreifachung, gepaart mit dem Wissen, dass man diese Steigerungen nicht 1:1 im Ticketpreis an das Publikum weitergeben kann. Genau deswegen ist vorsichtiges und behutsames Wirtschaften das oberste Gebot der Stunde.
Darf man von der Kunst Antworten auf die Fragen der Zeit (von der Inflation bis zum Krieg) erwarten?
Kunst wirft Fragen unserer Zeit auf und regt damit zur Auseinandersetzung an – die Antworten allerdings muss die Gesellschaft sich selber geben. Da würde wohl zuviel Anspruch erhoben werden, wenn es umgekehrt wäre.
Sind die Bühnen Graz ein Fall für die »Besserverdiener« oder verfolgt man hier einen breit ansetzenden Kulturauftrag?
Unsere Preispolitik ist darauf ausgerichtet, ein breites Publikum anzusprechen und Kultur für alle zugänglich zu machen. Wenn man die Ticketpreise der Bundesländertheater und der Bundeshauptstadt vergleicht, befinden wir uns am unteren Ende der Skala. Dabei ziehen wir nicht die Staatsopernticketpreise als Vergleich heran, sondern etwa die Landestheater in Linz oder Innsbruck. Unsere Tickets sind nicht nur im Rang, sondern auch in den besten Kategorien für breite Bevölkerungsgruppe erschwinglich. Wir sind fest entschlossen, an dieser Preispolitik festzuhalten und damit Kultur für alle zugänglich zu machen. Darüber hinaus bieten wir – schon seit einigen Jahren – im Rahmen der Initiative »Hunger auf Kunst & Kultur« sozial und finanziell benachteiligten Menschen die Möglichkeit, unsere Theater zu besuchen. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie zum Beispiel die Produktion »Carmen« auf der Schloßbergbühne Kasematten oder auch die Opernredoute. Für diese Projekte darf aus meiner Sicht kein Steuergeld Verwendung finden, diese Events müssen durch die Ticketpreise selbsttragend sein.
Wie stark treten zunehmende Digitalisierung bzw. elektronische Medien mit dem Live-Erlebnis der Bühnen in Konkurrenz?
Die Herausforderung, das Live-Erlebnis der Bühne mit der zunehmenden Digitalisierung und elektronischen Medien in Einklang zu bringen, ist nicht neu. Seit der Erfindung des Films und des Kinos haben Theater diese Konkurrenz erlebt. Es ist uns durchaus bewusst, dass moderne Unterhaltungsplattformen wie Netflix, Amazon Prime und Social Media eine starke Konkurrenz für das traditionelle Theatererlebnis darstellen.
Ich sehe jedoch in der Digitalisierung auch zahlreiche Chancen: Sie ermöglicht es uns, Menschen auf neue Weise anzusprechen und sie ins Theater zu bringen. Gleichzeitig bin ich ein leidenschaftlicher Verfechter des analogen Live-Erlebnisses auf der Bühne. Die Magie des Theaters, die sich über 2.500 Jahre hinweg bewährt hat, wird auch durch moderne Medien wie YouTube nicht ausgelöscht werden. Es ist diese einzigartige, unmittelbare Erfahrung, die das Theater so besonders macht und die wir weiterhin leidenschaftlich pflegen und fördern wollen.
Gibt es ein geändertes Verhalten oder Bedürfnisse des Publikums und wie reagieren Sie als Bühnen Graz darauf?
Wir haben festgestellt, dass sich das Buchungsverhalten unseres Publikums verändert hat. Es ist auffällig, dass die Menschen dazu neigen, kurzfristiger zu buchen, was sich in unseren Vorverkaufszahlen widerspiegelt. Dies kann zunächst irritierend wirken, ist aber ein Zeichen dafür, dass unser Publikum Flexibilität schätzt und wünscht. Als Bühnen Graz nehmen wir diese Veränderung ernst und planen, in Zukunft noch stärker darauf zu reagieren. Wir erkennen den Wunsch nach Flexibilität und werden unsere Strategien und Angebote entsprechend anpassen, um den Bedürfnissen unseres Publikums gerecht zu werden.
Weil es zu dieser 40plus Nummer passt: Wo und bei welcher Tätigkeit entspannen Sie sich am liebsten?
Weil es zur Jahreszeit passt: Beim Pflanzen gießen und leidenschaftlichem Garteln. Zudem oute ich mich als begeisterter Hortensienliebhaber, was dazu führt, dass diese besonders gehegt und gepflegt gehören. Dazu entspanne ich zu jeder Jahreszeit beim Kochen für meine Frau und unsere Kinder und gegebenenfalls unsere Gäste.
Herr Rinner, 40plus dankt für das Gespräch!
Interview: Martin G. Wanko