Der Marlboro-Mann wird zum Marathon-Mann. Folge 7:
Es gibt ein Allheilmittel nicht gegen alles, aber gegen Vieles: Wir kaufen gerne ein, wir sind wirklich darauf trainiert, so zwang unser kleiner Kopf-Kapitalismus die ganzen Weltanschauungen in die Knie. Jetzt müssen wir sehen, dass es halbwegs anständig bleibt. Macht dann noch mehr Spaß. Eine Gebrauchsanleitung.
Ich setze mich Freitagabends nicht vor die Glotze, sondern mit dem Block in die Küche und notiere, was ich für die nächsten Tage einkaufen muss. Die erste Grundregel lautet: Schau mal, was ausgegangen ist. Die zweite Grundregel lautet, kaufe alles, was du bekommen kannst, am Bauernmarkt, den Rest stehle nächstens von den Gärten und Feldern – nein, natürlich nicht: Den Rest kaufe ich im Supermarkt ein. Für dieses Vorhaben gönnt sich der Marlboro Mann einen anständigen Bordeaux und wacht am nächsten Tag etwas verspätet auf, na ja: Um 10 Uhr ist noch nix verloren und Samstag ist’s auch. Ein Espresso in Ehren und auf geht’s! Mit dem extra zurechtgerichteten Rucksack.
Der Rucksack erspart mir 200 Plastiksackerln im Jahr
Ich stehe jetzt einmal auf dem Bauernmarkt und verstehe nur Bahnhof, wo soll ich anfangen? Okay, der Bordeaux war ein bisserl zu heavy und vielleicht der Pastis darauf auch nicht ideal, aber den trank ich auf das Lokal gegenüber, das es nicht mehr gibt. Zum Glück bekomme ich hier einen weiteren Kaffee, um auf Touren zu kommen. Eigentlich gigantisch: Erstens wimmelt es nur so von Menschen, sie haben die glücklichen Gesichter zufriedener Sammler und Jäger, und irgendwie wirkt alles so gesund. Junge Salate, Frühlingszwiebeln, Radieschen, kleine Säcke mit Suppengemüse und die ersten Palmkätzchen verlocken zum Kauf. Das Zauberwort heißt „bunt!“. Grundsätzlich spielt sich meine Farbenwelt zwischen Rot- und Weißwein ab, auch fußballtechnisch sind diese beiden Farben wichtig, aber am Markt geht es um buntes Gemüse. Mit der Ampel macht man alles richtig. Möglichst buntes Gemüse bedeutet Abwechslung und soll für den Körper das beste sein, dann lacht man auch so wie die Kunden hier am Markt.
Tratschen und quatschen
Das Gute an unseren Märkten ist, es darf nur verkauft werden, was der Garten oder das Feld saisonal hergibt: Vielleicht kann ich ihn bereits riechen und auf den Feldern sind schon die verlockenden Spitzen zu sehen, aber es ist eben die Zeit für den Spargel noch nicht reif. Im April gibt es auch keine Erdbeeren oder Weintrauben. Natürlich, wer jetzt eine wässrige spanische Glashauserdbeere oder eine österreichische(!) Glashausmelone einfach braucht, um sich eine Ahnung vom Sommer zu erhaschen, der soll es mit gutem Gewissen machen. „Es lebe die Sünde!“, aber dazu später mehr. Leider gibt es auf den Märkten in Graz keine lebenden Tiere, sonst wäre ich vielleicht noch mit einem Huhn für den Innenhof nach Hause gekommen. Aber da habe ich noch meinen Nachbar im Ohr: „Finger weg von den Hendln, sonst hast du keine Wiese mehr!“ Abgesehen davon, auf dem Markt trifft man tatsächlich Bekannte, die man schon länger nicht mehr gesehen hat. In den Supermarkt geht man um einzukaufen, aber auf den Markt geht man auch, um einen kleinen Tratsch zu absolvieren.
Der Einkaufswagen füllt sich nicht von selbst.
Nun geht’s in den Supermarkt meiner Wahl. Egal, welchen Supermarkt man bevorzugt, gleich einmal kommt man in der Gemüse- und Obstabteilung an und sogleich muss ich ziemlich oft und laut „nein!“ rufen. Zumindest innerlich, denn der innere Schweinehund muss überwunden werden. Wenn das jetzt alle sagen würden, dann würde ziemlich viel stehen bleiben und nicht gekauft werden. Genau um das geht es. Steirischer Apfel am Markt gekauft – Ananas im Supermarktregal liegen gelassen. Dafür kann man in Brasilien wieder Regionales für die Menschen dort anbauen und weniger durch die Gegend schiffen. Der Einkaufswagen bleibt nun erstaunlich leer. Aber ich will nicht kleinlich sein, eine Sünde geht immer. Also rein mit der Mango, oder der Avocado! Oder beides! In gewissen Punkten macht eben die Sünde das Leben lebenswert, aber es sollte eben die Sünde die Sünde bleiben und nicht zur Gewohnheit werden.
Wenig Verarbeitetes ist mehr
Einige Schritte weiter muss ich feststellen, ich habe das Fleisch vor lauter Tratschen am Markt vergessen zu kaufen. Blöd, was? Aber auch im Supermarkt gibt es Abhilfe. Tatsächlich gibt es zertifiziertes Biofleisch. Zwar gibt es 1000 Zertifikate, aber zumindest beim österreichischen Fleisch sind die BIO Zertifikate grundsätzlich in Ordnung. Mit der Lupe betrachten wir das demnächst einmal. Also, hinein mit den Steaks! Bei der Wurst wird es etwas happiger. Von wo das Fleisch für die Wursterzeugung herkommt, will ich jetzt für diese Nummer nicht fragen, aber: Am besten nach regionalen Spezialitäten Ausschau halten oder auch mal fragen. Ab einer gewissen Größe des Marktes werden die angeboten. Zum Beispiel oststeirischer Schinken. Und ja: Mehr als 500g Fleisch kommt bei mir in der Woche nicht auf den Tisch!
Die Faustregel: Unser Essen fliegt nicht.
Bei den Milchprodukten gehe ich ähnlich vor. Muss nicht jede Woche der Weichkäse aus Frankreich sein, es geht auch einer aus Australien. Kleiner Scherz! Ist eh schon Vorarlberg fast zu weit weg, aber so ein Bergkäse aus dem Bregenzerwald ist eben ein Bergkäse. Die Faustregel gilt: Alles, was nicht zu uns verschifft oder geflogen werden muss, ist gut und natürlich ist regional besser. Gute Nudeln kommen immer in unserer Gegend vor. Wer auf italienische Originale steht, nur zu, aber eben aus einem Feinkostladen. Der ist halt wieder in der Nähe von den Märkten. So gibt sich alles die Hand.
It’s a never ending story: In Gegenden, wo es Gutes zum Kaufen gibt, sammeln sich gute Geschäfte und Ideen an. Ich weiß, das ist anstrengend, aber die Zeit ist vorbei, wo einkaufen immer glitzern und leuchten hat müssen, um toll zu sein. Der ganze Abfall liegt noch heute in irgendwelchen Müllhalden vergraben, irgendetwas sickert davon noch immer ins Grundwasser und wir werden nicht das beste Bild von uns zurücklassen. Aber wir können umdenken und umlenken. Einkaufen sollte gehalt- und geschmackvoll sein und satt machen. Vor allem, es sollten nicht Berge über Berge sein. Wenn wir drei Tage frei haben, der Magen ist nicht so groß wie für sechs Tage. Es zahlt sich aus, nach dem Einkaufszettel einzukaufen. Und im Verzicht kann eine gewisse Befriedigung liegen.
Text: Martin G. Wanko