Spar ist die größte österreichische Handelskette und hat bezüglich Nachhaltigkeit der Produkte, der Verpackungen und der Wiederverwertung eine große Verantwortung. Zugleich ist der Kunde König und so ist der Handel das Spiegelbild der Gesellschaft. Es gilt hier einen Spagat zwischen einem verantwortungsvollen Handel und der Vision eines gesunden Planeten zu meistern. In der steirischen Konzernzentrale traf 40plus-Chefredakteur Martin G. Wanko Spar Steiermark Geschäftsführer Mag. Christoph Holzer zu einem Gesprächsmarathon.
Nachhaltigkeit ist ja ein gesamtunternehmerisches Thema – was tut Spar, um die Mitarbeiter*innen zu involvieren und gibt es dazu Vorbilder oder Benchmarks.
Viel wichtiger ist es die Kund*innen zu involvieren, denn diese entscheiden schlussendlich mit ihrer Kaufentscheidung. Wir können immer nur Möglichkeiten anbieten, wie unsere Unverpackt-Lebensmittelstation, wie Mehrwegsackerl, wie das Befüllen von selbst mitgebrachten Boxen an der Feinkosttheke. Die Entscheidung trifft dann immer der Kunde bzw. die Kundin.
Gibt es für Sie „das regionalste“ Produkt schlechthin?
Produkte aus der Region haben bei uns Vorrang. Das „regionalste“ Produkt schlechthin hängt natürlich immer von der jeweiligen Region ab. Bei uns in der Steiermark haben natürlich die Produkte Kürbiskerne, Kürbiskernöl, Käferbohnen, steirischer Kren, steirische Äpfel, aber auch der steirische Wein hat eine besondere Bedeutung.
Murbodner Rind, steirischer Kurkuma, die Nachhaltigkeit wächst. Der Mensch liebt Abwechslung. Wie innovativ kann die Region sein?
Mit innovativen Produzent*innen holen wir auch exotische Produkte in die Steiermark. Jüngstes Beispiel: Bio Kurkuma aus der Steiermark, den die „jungen wilden Gemüsebauern“ in der Südoststeiermark anbauen und den es aktuell bei uns im Spar-Regal gibt.
Die Spar-Produkte kommen jetzt ohne Palmöl aus, gratuliere! Großräumige Soja- und Kokosnussplantagen werden das Problem der Ausweitung der Plantagen nicht lösen, oder?
Palmöl ist nur eines der Themen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen. Bei der Abkehr von Palmöl ist ein entscheidender Beschluss bei Spar, dass Palm- nicht durch Kokosöl ersetzt wird, sondern durch vorrangig heimische Öle. Kokospalmen haben einen deutlich geringeren Ölertrag und würden daher das Problem der Regenwald-Abholzungen noch verstärken. Daher eben kein Ersatz von Palm- durch Kokosöl. Wir sind Gründungsmitglied des Vereins Donau Soja, der Anbauflächen für gentechnikfreies Soja in Europa forciert, um von Soja-Importen weitgehend unabhängig zu werden. Die Mengen sind bereits auf einem guten Weg! Für direkt verarbeitete Produkte (Margarine, Soja-Drink, Tofu etc.) setzen wir bereits europäisches oder gar regionales Soja ein.
Schlussendlich entscheiden Kundin und Kunde den Weg. Worin unterscheidet sich zum Beispiel ihre Spezialitäten „Murbodner-Rind“ vom „simplen“ AMA-Gütesiegel-Fleisch?
Bei unseren Tann Spezialprogrammen geht es vor allem um hochwertigste Produkte und um ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis. Das Murbodner-Rind zeichnet sich durch eine besonders zarte, saftige und feinfasrige Fleischqualität aus. Die Murbodner sind für einen bestimmten Landschaftstyp perfekt geeignet – für steile Lagen auf Bergalmen. Über 500 Murbodner Bauern und Bäuerinnen liefern hier an Spar. Es sind hier sehr kleine Strukturen im Einsatz. Ein Betrieb hat hier im Durchschnitt nur an die 7 Murbodnerrinder.
Ich stelle die Frage gerne: Ist die 1 Euro Ananas oder die 1 Euro Avocado böser?
Die „Flugmango“. Weder Ananas noch Avocado werden eingeflogen, sondern mehr oder weniger „grün“ geerntet und anschließend mit dem Schiff nach Europa transportiert. Diese Transporte sind hochprofessionell und effizient. Die Reifung erfolgt dann in der Steiermark – je nach Bedarf und immer frisch.
Wie ist es möglich, die Menschen auf den Zyklus der Natur zurückzubringen? Frische Erdbeeren im Winter sind dafür jetzt kein gutes Zeichen.
Es ist nicht unsere Aufgabe unsere Kund*innen zu „bevormunden“. Aber durch Intensive Zusammenarbeit mit der steirischen Landwirtschaft können wir während den steirischen Saisonen wirklich tolle, geschmackvolle Produkte anbieten. Eine steirische Erdbeere wird in der Beerensaison im Mai/Juni den besten Geschmack bieten, oder bspw. auch unsere steirischen Herzkirschen.
Die Doppelpackung Huhn im Sonderangebot tut mir persönlich weh. Kann man so etwas unterlassen?
Aktionen sind etwas ganz Normales im Lebensmittelhandel und ein Wettbewerb kommt letztendlich den Konsument*innen zu Gute.
Österreichisches Soja statt Palmöl. Sie bieten im Interspar im Citypark Hülsenfrüchte ohne Verpackung an. Wird das gut angenommen?
Wir testen eine solche Abfüllstation auch bei einigen Spar-Standorten in der Steiermark. Es wird schon angenommen. Es handelt sich hier aber um eine ganz bestimmte Zielgruppe, die bewusst Verpackungsmaterial reduzieren möchte.
Ich finde es ausgezeichnet, dass Spar in der Steiermark Papiersäcke für Obst und Gemüse anbietet. Kommt das zu spät?
Niemand hätte Konsumenten bereits vor Jahren gehindert, die Kunststoff-Sackerl mehrfach zu verwenden, mehrere verschiedene Sorten in einem Sackerl zu wiegen oder einzelne Stück auch einzeln zu kaufen. Des Weiteren testen wir an einigen Standorten eine Unverpackt-Lebensmittel Abfüllstation, beim Greenpeace Marktcheck wurden wir hier sogar kürzlich mit Platz 1 beim „unverpackt einkaufen“ ausgezeichnet.
Die Gesellschaft denkt oft irrational. Auch beim „Plastik-Bashing“.
Papier ist eine besser recyclingfähige Verpackung, in der Ökobilanz ist Papier aber nicht besser als das alte, jetzt verbotene, Plastiksackerl. In der öffentlichen Diskussion sind wir allerdings teilweise weit von Fakten entfernt und (leider) zu einem reinen Plastik-Bashing übergegangen, ungeachtet der Nachteile von Plastik-Alternativen.
Plastik-Bashing ist zumindest fragwürdig. In Frankreich ist man verpflichtet, intakte aber abgelaufene Lebensmittel kostenlos herzuschenken. Auch wir in Österreich haben Sozialprojekte. Nach wie vor landen ⅓ der Lebensmittel im Müll. Wie kommen wir von der Überflussgesellschaft weg?
Was würde sich also durch ein gesetzliches Verbot ändern? Außer, dass die Bürokratie überhandnimmt? Ein Gesetz, wie in Frankreich, ist überall dort sinnvoll, wo bisher nichts geschehen ist oder vorher sogar gesetzliche Verbote galten. Das ist in Österreich nicht der Fall. Jeder Supermarkt – nicht nur Spar – hat Kooperationen mit Sozialorganisationen an jedem Standort, an dem es solche gibt. Die Rate der weitergegebenen Lebensmittel steigt hier jährlich an. Zum Vergleich: Den Mengen im Handel stehen 520.000 Tonnen weggeworfene Lebensmittel in österreichischen Haushalten entgegen. Diese machen rund 50 % aller verschwendeten Lebensmittel aus – im Vergleich dazu liegt der Anteil des Handels bei 5 %.
Der Spar ist mit dem „Rewe-Hofer“-Deal in Sachen Pfand auf Einweg-PET-Flaschen nicht glücklich. Warum das?
EW-PET-Flaschen machen gerade einmal 16 % der Kunststoff-Verpackungen in Österreich aus. Darauf zielt ein EW-Pfandsystem ab, das jährlich hunderte Millionen Euro kosten wird – die die Konsumenten zahlen müssen. Um die EU-Vorgaben zu erfüllen, müssen wir jedoch auch den größten Teil der restlichen Kunststoffverpackungen wieder einsammeln, also die bestehenden getrennten Sammelsysteme massiv ausweiten. Wir hätten uns eine einheitliche Sammlung für alle Kunststoffverpackungen in ganz Österreich gewünscht, kombiniert mit ambitionierten Mehrwegquoten. Dass nun ein Pfandsystem auf Einweg-Kunststoffflaschen und Dosen kommt, ist zu akzeptieren und wir werden dieses bestmöglich umsetzen – wie wir es bereits als Marktführer bei Mehrweggetränken erfolgreich handhaben.
Mich persönlich stört bei der Kaffeeverpackung die Verschmelzung von Kunststoff und Aluminium. Bekommt man das Problem einmal in den Griff?
Die Verpackung von Kaffee mit einer derartigen Barriere (Licht- und Sauerstoff-Undurchlässigkeit) ist für die Haltbarkeit des Kaffees notwendig, die Robustheit der Verpackung aufgrund der sehr scharfen Kanten des Mahlguts, das die Verpackung sonst zerstechen würde. Wie bei vielen Verpackungen steht die Reduktion der Verpackungsmenge oder die bessere Recyclingfähigkeit hier dem Lebensmittelverderb entgegen, der deutlich negativere Umweltauswirkungen als die Verpackung hätte. Aber auch bei Kaffee sind neue Verpackungen ohne Alu-Beschichtung bereits in unserer Pipeline.
Text & Interview: Martin G. Wanko
Bilder: Spar/Johannes Brunnbauer; www.derkrug.at/21019