… oder die vierte Weinfarbe. 40plus-Autor Georges Desrues verkostet sich durch die Orange Wines in Istrien.
Triest liegt gewissermaßen im Zentrum eines Gebietes, das man getrost als das Kernland des Orange Wines bezeichnen kann. Der Begriff steht bekanntlich für eine Art von Wein, die in den letzten Jahren unaufhörlich an Popularität gewonnen hat. Und die darin besteht, den gepressten Saft weißer Trauben nicht sofort von der Maische zu trennen, sondern ihn mehr oder weniger lang darauf liegen zu lassen, wodurch er unter anderem Farbe der Häute annimmt. Vereinfachend gesagt handelt es sich also um einen Weißwein, der erzeugt wird wie ein Rotwein, welcher seine Farbe bekanntlich gleichfalls von den Häuten bezieht.
Und so gibt es neben Rot, Weiß und Rosé nun also auch eine vierte Weinfarbe, die man Orange nennt. Neu ist das Ganze in Wirklichkeit nicht. Zumindest behaupten das einige Winzer. „Bei uns wurde Wein über Generationen auf diese Art erzeugt, und auch mein Großvater machte es nicht anders“, sagt Aleks Klinec, dessen Weingut in den Hügeln der slowenischen Brda bei Nova Gorica liegt, haarscharf an der Grenze und mit Blick nach Italien. „Paradoxerweise war es das sozialistische System in Jugoslawien, das dafür sorgte, dass dieser alte Stil des Weinmachens bei uns erhalten blieb“, sagt Klinec. So war den Winzern damals zwar gestattet, einen Teil ihrer Trauben selbst zu keltern, anstatt sie an die Kooperativen abzuliefern. Allerdings durften sie den Wein nicht in Flaschen verkaufen, sondern nur für den Eigenverbrauch nutzen oder in größeren Gebinden an lokale Gasthäuser liefern.
Auf die Balance kommt es an …
„In dieser Parallelwelt des Weinbaus hat sich der Stil unserer Vorfahren erhalten“, fährt Klinec fort, „und der bestand eben darin, den Weißwein zu mazerieren, ihn also auf der Maische zu vergären, als wäre es Rotwein.“ Inzwischen ist diese althergebrachte Technik unter einigen der bekanntesten Winzer im Grenzgebiet zwischen Slowenien und Italien stark verbreitet und die gesamte Region weltweit bekannt für die hier erzeugten Orangen Wines.
Dass diese Technik ausgerechnet hier so verbreitet sei, liege nicht zuletzt an den lokalen Traubensorten, sagt der Experte Marko Kovacs. „Die vier regionalen Hauptsorten Friulano (früher Tocai Friulano, Slowenisch Zeleni Sauvignon), Vitovska, Ribolla Gialla (Rebula) und Malvasia Istriana (Bela Malvazija) eignen sich ganz wunderbar für die Technik. Die Malvasia beispielsweise ist eine Sorte, die sich nur ziemlich schwer pressen lässt. Belässt man sie allerdings für einige Zeit auf den Häuten, entsteht eine enzymatische Reaktion, die ihre Säfte freisetzt“, so der Weinhändler, der die alljährlich in Wien stattfindende Natur- und Orange-Wine-Messe namens „Karakterre“ ins Leben gerufen hat.
Zudem gelangen dieserart Inhaltstoffe aus den Häuten in den Wein, was diesen länger haltbar macht. Dienlich war das zumal in früheren Zeiten, als man noch ohne künstliche Kühlung und ohne Zusatzstoffe wie etwa Schwefel auskommen musste. „Über Jahrhunderte lieferte die Region zwischen Alpen und Adria ihre mazerierten Weine in die umliegenden Machtzentren, zuerst nach Rom, später nach Venezien und ins Wien der Habsburger“, so Kovacs.
Dimitri Bre evi hat da einen etwas anderen Zugang. „Dass die Mazeration die ursprüngliche Art der Weinerzeugung ist und früher jeder Weißwein so gemacht wurde, stimmt nur bedingt. Denn in Frankreich beispielsweise wird seit Jahrhunderten sofort von den Häuten abgezogen“, sagt der Franzose mit kroatischen Wurzeln, dessen Weingut namens Piquentum im kroatischen Teil von Istrien, sieben Kilometer südlich der Grenze zu Slowenien, liegt.
Er selbst habe die Technik erst kennengelernt, als er vor etwas mehr als einem Jahrzehnt einen Weinberg im Land seiner Vorfahren erwarb und hier ein Weingut gründete. Und so mazeriert auch Bre evi seinen Malvasia. Allerdings nur vier Tage, wodurch der Wein zwar einige Tannine aufnimmt und ein besonderes Mundgefühl entwickelt, jedoch allein schon mangels Farbtons nicht als richtiger Orange Wine durchgeht.
Kein Vergleich mit vielen der oft wochenlang auf der Maische belassenen Weine, die man sonst so zwischen Collio, Brda, Istrien, Vipava-Tal und dem Triester Karst findet. Dennoch gilt diese Art der kurzen und sanften Mazeration vielen als die beste überhaupt. Ist sie doch jene, die dem Wein auch ein Gefühl von Frische und Lebendigkeit belässt. Denn in Wahrheit ist es bei mazerierten, genau wie bei allen anderen, die Balance, die einen guten Wein ausmacht.
Text: Georges Desrues
Titelbild: unsplash (Header); Martin G. Wanko