40plus hat zum großen Müll-Gipfel gerufen und alle sind gekommen. Tenor: Verpackungen sind wichtig, Kunststoff muss selektiv eingesetzt werden und es muss möglichst viel recycelt werden. Beim wie und was scheiden sich die Geister, aber lesen Sie selbst! Die Teilnehmer sind Hans Roth (Saubermacher), Roland Fink (Niceshops), Jörg Rosegger (Binder+Co), Markus Kainer (VPZ Verpackungszentrum) und Christoph Holzer (Spar Steiermark). Durch den Parkour führt Martin G. Wanko.
Vielen Dank meine Herrn, dass sie sich Zeit nehmen!
Gehen wir gleich in medias res, wann haben Sie das letzte Mal eine Einweg-PET-Flasche gekauft?
Christoph Holzer: Keine Scham vor EW-PET-Flaschen! Wenn Sie sie im gelben Sack entsorgen…
Jörg Rosegger: Vor einer Woche.
Markus Kainer: Vor einigen Wochen. Bewusst versuche ich Einwegverpackungen weitestgehend zu vermeiden. Das gelingt immer besser und öfter, zugegeben noch nicht immer.
Roland Fink: Hab mir vor etwa einem Monat ein Getränk auf der Raststation am Wechsel bestellt, serviert wurde hier in Einweg-PET. Was aus verschiedenen Perspektiven wohl kompletter Unsinn ist. In der Firma haben wir alle Getränke in der Kantine auf Pfandsysteme umgestellt. Da es in Österreich noch keine Mehrweg-PET Flaschen gibt, setzen wir auf Mehrweg-Glasflaschen.
Hans Roth: Vor zwei Jahren. Wir haben Sodastream.
Das macht durchaus Hoffnung, so viele PET-Flaschen wie Sie in einem Jahr konsumieren verbrauche ich als Italien-Tourist wahrscheinlich an einem Tag. Gewissensfrage: Schaffen wir in der EU bezüglich der „Agenda 2030“ den Turnaround?
Christoph Holzer: Das jetzt beschlossene Einweg-Pfand ist leider nur ein kleiner Beitrag dazu. Der größere Brocken ist die getrennte Sammlung aller Verpackungen, die mir persönlich nicht mit ausreichendem Nachdruck angegangen wird. Während man über PET-Pfand diskutiert hat, hätten hier parallel bereits wichtige Schritte für ein einheitliches, einfaches und effizientes Sammelsystem gesetzt werden können.
Jörg Rosegger: Ich sehe das mit einer optimistischen Grundeinstellung. Der Weg ist das Ziel und dieser wird auch 2030 noch nicht zu Ende sein.
Markus Kainer: Ob und in welcher Form Ziele erreicht werden können hängt maßgeblich vom raschen und konsequenten Handeln aller Beteiligten ab. Staatlichen Regulativen fällt dabei ebenso eine wichtige Rolle zu wie der Verpackungsindustrie, dem Handel, dem Verhalten von uns KonsumentInnen und am Ende der Wertschöpfungskette den Entsorger*innen.
Roland Fink: In den Bereichen Mobilität, Klimaschutz und Gleichstellung hat sich bisher viel zu wenig getan, um einen Turnaround herbeizuführen. THG Emissionen in sind Ö sogar noch im Steigen, während andere EU Länder bereits eine Trendumkehr bewirken konnten.
Hans Roth: Ja, wir sind auf gutem Weg.
Ein Teil davon soll unser „Pfand-Beschluss“ des Ministerrats für 2025 sein. Stimmt Sie der positiv, oder ist er eher so lala?
Christoph Holzer: Wir von Spar Österreich haben uns gegen ein Einweg-Pfandsystem ausgesprochen weil es im Vergleich zum bestehenden gelben Sack nur 8.000 Tonnen mehr PET einsammeln wird. Für die Erfüllung der EU-Quoten brauchen wir aber eine Sammel-Steigerung von 140.000 Tonnen. In einem effizienten Gesamt-System wären die 200 Mio. jährlich besser angelegt. Aber wir werden das Pfandsystem natürlich bestmöglich umsetzen.
Jörg Rosegger: Jedenfalls positiv – jede Entscheidung ist besser als ewig zu diskutieren und es schafft Bewusstsein.
Markus Kainer: Dieser Beschluss ist jedenfalls begrüßenswert auch wenn er spät kommt. Nicht zuletzt sind es immer auch monetäre Anreize die Verhalten steuern können. Ein Blick über die Grenzen zeigt hier durchaus vielversprechende und bereits erfolgreich etablierte Systeme.
Roland Fink: Das verbindliche Mehrwegangebot löst leider noch nicht zur Gänze das Problem, dass allein in Österreich jährlich 2,5 Milliarden Flaschen und Dosen anfallen. Eine radikale Umstellung auf Mehrwegsysteme mit innovativen Lösungen wie z.B. in Rom, wo man für abgegebene Flaschen ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel kaufen kann, hätten mich positiver gestimmt.
Hans Roth: So la la.
Kurz ein Blick in die Ferne: Was machen wir eigentlich mit den Müllbergen in Schwellen- und 3. Welt-Länder?
Christoph Holzer: Es gibt klare Regelungen für Müll-Exporte aus der EU. Diese sind einzuhalten und das hochwertige Recycling im eigenen Land zu fördern. Mit unserer Verpackungsstrategie leisten wir unseren Teil dazu.
Jörg Rosegger: Zunächst Hilfe, Unterstützung und Know-how leisten, dass diese nicht mehr weiter anwachsen. Und für die bestehenden Müllberge die Gefahren, die diese bergen, ernst nehmen, aber auch die Chance ergreifen, daraus Wertstoffe zu gewinnen.
Markus Kainer: Dringend notwendig ist es endlich eine gesamtheitliche, verantwortungsvolle Denkweise zu etablieren. Stichwort „Verursacherprinzip“: Jene Staaten die durch Konsum Müll verursachen haben auch die Verpflichtung sich mit dessen Verwertung auseinanderzusetzen. Unerwünschten Müll einfach in andere Regionen der Erde zu verschieben und sich damit der Verantwortung zu entledigen ist schlicht scheinheilig
Roland Fink: Wieder in das Recyclingsystem bringen und die Ressourcen nutzen! Zum Glück gibt es viele NGOs und Startups, die sich diesem Problem annehmen und Abfälle wiederverwerten. Aber natürlich fehlt die globale Lösung für das Müllproblem und die Ressourcenübernutzung.
Hans Roth: Recyceln.
Also, jetzt einmal angenommen, das Sammeln funktioniert „einwandfrei“. Welche Flasche macht am meisten Sinn und warum: Mehrweg-PET, Einweg-PET, Mehrweg-Glas, Einweg-Glas, oder doch Tetra Pak? Bitte abstufen. 1 „sehr gut“ und 5 „nicht genügend“.
Christoph Holzer: Dazu gibt es klare wissenschaftliche Berechnungen. Ein generelles Ranking kann aber so nicht getroffen werden, weil es ganz entscheidend auf die Lieferwege ankommt. Eine Limonade in Mehrweg-Glas, abgefüllt nahe Rom (Anm. ist der Fall bei Coca Cola 1L-MW) ist schlechter als eine regional abgefüllte Einweg-PET-Flasche mit regionalen Recycling-Kreisläufen. In der Steiermark hat auch die Milch in der MW-Glasflasche, die in Niederösterreich befüllt wird, eine schlechtere Bilanz als eine regionale Milch im Tetrapack.
Jörg Rosegger: 1. Mehrweg-Glas & Einweg-Glas – vom Gewicht der Verpackung abgesehen ökologisch und ökonomisch unschlagbar. Dann kommt lange nichts – Mehrweg-PET, wenn es absolut nicht anders geht.
Markus Kainer: Wenn es ausreichend Sammelstellen gibt, die KonsumentInnen mit den Systemen vertraut sind und die entsprechenden Verwertungsketten am Ende des Produktlebenszyklus stehen, dann ist wohl keine der Varianten per se als schlecht zu bewerten. In dieser Aufzählung fehlen aber innovative Verpackungslösungen auf Basis erneuerbarer, biogener Rohstoffe, die es wesentlich zu forcieren gilt
Roland Fink: 1. Mehrweg-PET und Mehrweg-Glas, 2. Einweg-PET,
3.-4. Tetra Pak und Einweg-Glas.
Hans Roth: Für das Recycling sind alle wichtig.
„Müllvermeidung“ ist ja eines der Schlagwörter zurzeit. Andererseits sollte man die Wirtschaft am Laufenden halten – das Leben ist oft schwierig, oder?
Christoph Holzer: Müllvermeidung ja, Verpackungsvermeidung nein. Verpackung an sich hat wichtige Funktionen für Transport, Haltbarkeit und Qualität, auf die wir in der modernen Zeit nicht verzichten können und wollen. Entscheidend ist, dass Verpackungen wiederverwertet werden können.
Jörg Rosegger: Wer behauptet, dass Wirtschaft nur auf Grund des Mülls am Laufen gehalten werden kann?
Markus Kainer: Müllvermeidung und „Wirtschaft am Laufen halten“ schließen sich keineswegs aus. Die Verpackungsindustrie und die Entsorgungswirtschaft haben im Gegenteil auch wesentliche wirtschaftliche Implikationen. Gerade nachhaltige Verpackungsalternativen und entsprechende Entsorgungssysteme setzen wissenschaftliche und wirtschaftliche Impulse, schaffen Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung.
Roland Fink: Für die nötige Trendumkehr von der Linearwirtschaft hin zu einer Circular Economy braucht es neue Lösungsansätze. Auch das treibt die Wirtschaft an.
Hans Roth: Wieso? Passt doch!
Auf welchen Rohstoff/Stoff sollten wir schleunigst verzichten/reduzieren?
Christoph Holzer: Auf nicht recyclingfähigen – unabhängig vom Material.
Jörg Rosegger: Für mich steht vielmehr im Vordergrund: Ressourcen schützen und respektvoll nutzen.
Markus Kainer: Als Pionier von ökologischen Verpackungslösungen stehen wir ganz klar für den Verzicht von petrochemischen Kunststoffen. Überall dort, wo keine wesentlichen Vorteile, wie z.B. Produktsicherheit oder Verbesserung von Haltbarkeiten gegeben sind, ist Plastik zu vermeiden.
Roland Fink: Kohle, Öl und Gas sind die Haupttreiber für den Klimawandel. Ansonsten sind ja meist nicht die Rohstoffe das Problem, sondern die Art und Weise wie wir sie einsetzen und nutzen.
Hans Roth: Abfall, der nicht recycelt wird.
Welches Material ist aus unserer Welt am schwierigsten wegzudenken und warum?
Christoph Holzer: Kunststoff – weil er ganz entscheidende Ökobilanz-Vorteile beispielsweise zu Metall oder Glas hat. Ohne Kunststoff-Verpackungen wäre ein moderner Supermarkt nicht möglich, Lebensmittelverderbe würden exponentiell steigen und die Anteile der Ausgaben für Lebensmittel am Haushaltsbudget würden drastisch steigen (Vor Einführung von Kunststoffverpackungen wandten Haushalte rund 50 % des Budgets für LM auf, heute sind es knapp über 10 %).
Jörg Rosegger: Ich würde gerne Holz und Glas sagen, in Wahrheit wird es wohl der Kunststoff sein; kaum ein Produkt, das derzeit gänzlich ohne auskommt.
Markus Kainer: Vermeintlich sind dies, aus einer kurzfristigen und oberflächlichen Betrachtung, petrochemische Kunststoffe und Verbundstoffe. Diese sind billig, ubiquitär verfügbar und über mehr als 60 Jahre lang scheinbar alternativlos, ohne jeglichen Umweltgedanken und weitgehend ohne Verwertungsoptionen eingesetzt worden.
Roland Fink: Unter den Verpackungsmaterialien wäre das wahrscheinlich Plastik, weil es sich in alle Lebensbereiche eingeschlichen hat. Dabei müssen wir unseren Umgang damit von Grund auf ändern, damit bis 2050 nicht mehr Plastik als Fische in den Ozeanen schwimmt.
Hans Roth: Biogenes zum Essen. Kunststoff auch.
Ohne Verpackung wird es in Zukunft nicht gehen. Wo müssen die Hebel angesetzt werden?
Christoph Holzer: Für Konsumenten einfaches Sammelsystem, recyclingfähiges Design von Verpackungen und rechtliche Rahmenbedingungen, die Vorreiter-Unternehmen zumindest keinen wirtschaftlichen Nachteil bescheren.
Jörg Rosegger: Förderung des Hausverstands.
Markus Kainer: Verpackungen sind wichtig und wertvoll. Dieses Bewusstsein gilt es zu schärfen. Eine Ökologisierung mittels nachwachsender, biologisch abbaubarer oder kreislauffähiger Verpackungen und „Raus aus Plastik“ sind das Gebot der Stunde. Hier gibt es bereits eine Vielzahl von kurzfristig umsetzbaren, nachhaltigen Lösungen. Wir müssen es nur tun.
Roland Fink: Wir müssen Verpackungen neu denken – auch im Onlinehandel. Wir testen bereits wiederverwendbare Versandverpackungen aus recycelten Materialien. Die Verpackung der Verpackung – also diese ganzen Umverpackungen, hier muss jedenfalls schnell angesetzt werden.
Hans Roth: Vorgaben für Produktdesign und Rezyklateinsatz.
Über die Durchschlagskraft der 2025 Maßnahmen wird noch lange diskutiert werden. Welche Ratschläge haben Sie für den Endverbraucher für den Moment.
Jörg Rosegger:
Hausverstand einsetzen und Bequemlichkeit hintanstellen.
Markus Kainer: Wir KonsumentInnen können durch unsere täglichen Kaufentscheidungen bereits heute wesentlich Einfluss nehmen. Dem Konsumenten / der Konsumentin hier aber die Gesamtverantwortung zuzuschieben ist zu kurz gegriffen.
Konkrete Maßnahmen von Industrie und Handel und staatliche Regulative sind entscheidend wichtig.
Roland Fink: Recht einfach: Mehr Achtsamkeit für das Thema entwickeln, Strom sparen, Müll trennen, Fahrgemeinschaften, Öffentliche Verkehrsmittel benutzen, das eigene Verhalten bei den Onlinebestellungen hinterfragen und nicht wegen einem Produkt eine Bestellung auszulösen…
Vieles beginnt bei uns zuhause, wenn wir hier ganz einfach mehr Acht geben, ist schon ein wichtiger Schritt getan.
Hans Roth:
Bitte, trennen Sie Ihren Müll richtig.
Interview: Martin G. Wanko
Bilder: Holzer (www.derkrug.at/2019; Rosegger (Binder+C0 AG); Kainer (Kanizaj, 2016); Fink (Niceshops); Roth ( Königshofer)