Graz wählt die Nachhaltigkeit. Jetzt nicht ganz ohne Zufall, war das Thema ja in der letzten Zeit nicht von der Bildfläche wegzudenken. Für Wähler, die noch im Zweifel sind welcher Partei sie ihre Stimme geben wollen, haben wir 8 Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit an die 6 Spitzenkandidaten der jeweiligen Parteien gestellt. Pro Frage durften die Politiker nicht mehr als 35 Wörter gebrauchen. In der Kürze liegt also die Würze. Lesen Sie die nächsten Seiten und Ihre Wahl wird die richtige sein.
Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit?
Siegfried Nagl:
Nachhaltigkeit – und das sollte das Verständnis aller und nicht nur meines sein – heißt, immer nur die ohnehin großzügigen Zinsen unseres Systems Erde, nie aber das Kapital, also unsere Grundlagen, zu verbrauchen.
Elke Kahr:
Dass wir der nachfolgenden Generation den Planeten zumindest nicht im schlechteren Zustand übergeben als wir ihn von unseren Vorfahren übernommen haben. Das inkludiert natürlich auch die Lebensumstände von Menschen, die es sehr schwer haben.
Mario Eustacchio:
Nachhaltigkeit bedeutet für mich so zu leben, dass die kommenden Generationen gleich leben können, wie wir.
Judith Schwentner:
Dass wir mit der Welt nicht so umgehen können, als hätten wir eine zweite irgendwo in Reserve. Es bedeutet mit Verantwortung und Umsicht für eine gemeinsame Zukunft zu handeln und nicht ohne Rücksicht auf Verluste nur für den eigenen Profit.
Philipp Pointner:
Unsere Politik einer neuen Generation setzt frische Ideen um, damit wir der nächsten Generation eine lebenswerte Welt hinterlassen. Das gilt für die Umwelt gleichermaßen wie für die Bereiche Bildung, Pensionen oder Wirtschaft.
Michael Ehmann:
Unter Nachhaltigkeit verstehe ich ein sehr bewusstes, die Ressourcen und die Umwelt schonendes Verhalten. Auch als Familienvater sehe ich mich in meinem persönlichen Tun und Handeln mitverantwortlich dafür, dass meine Kinder und deren Kinder eine lebenswerte, intakte Welt vorfinden.
Sind die Klimaziele 2030 realistisch? Wenn „ja“: Wie sollen wir sie umsetzen. Wenn „nein“, warum nicht?
Siegfried Nagl:
Wir haben uns für das Jahr 2030 die klimaneutrale Stadt Graz vorgenommen. Das größte Problem ist ja nicht einmal der Weg dorthin, sondern, wie es uns gelingen wird, die Bevölkerung darauf einzustimmen, hier mitzumachen.
Elke Kahr:
Die Klimaziele sind im Verkehr zu hoch gesteckt. Nur durch Technologie und neue Märkte allein lässt sich die Entwicklung nicht umdrehen, vor allem schafft das neue Privilegien und Ungleichheiten. Ohne Verhaltensänderung wird es nicht gehen. Vor allem brauchen wir Gesetze, die dem Flächenfraß von Ackerland und Grünflächen Einhalt gebieten, eine Revision des Flächenwidmungsplanes.
Mario Eustacchio:
Nein, die Klimaziele 2030 sind unrealistisch. Es handelt sich dabei um eine reine Wunschvorstellung von EU-Politikern, die an der Lebensrealität vorbeigehen.
Judith Schwentner:
Selbstverständlich sind sie erreichbar. Die Städte haben da sogar eine Schlüsselfunktion. Intensive Stadtbegrünung, die Entsiegelung von Flächen, umweltfreundliche Wärme und viel mehr Platz für Fußgänger*innen, Radler*innen und die Straßenbahn sind der einzige Weg dorthin.
Philipp Pointner:
Nur mit ambitionierten Klimazielen können wir den nächsten Generationen einen zukünftsfitten Planeten hinterlassen. Große Emittenten, wie der Straßenverkehr, müssen dazu in den Emissionshandel einbezogen, smarte CO2-Ausgleichsmechanismen geschaffen und das volle Potenzial technologischer Innovation ausgeschöpft werden.
Michael Ehmann:
Die Frage, ob realistisch oder nicht, erübrigt sich angesichts der Klimakrise. Wir müssen alles nur Erdenkliche tun, diese Klimaziele umzusetzen. Allerdings dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht auf die soziale Ausgewogenheit vergessen.
Wo ist die Nachhaltigkeit in ihrem Parteiprogramm spürbar?
Siegfried Nagl:
Die Ökosoziale Marktwirtschaft von Josef Riegler ist ein zentraler Teil unseres Parteiprogramms.
Elke Kahr:
Die ungezügelte Verbauung und den Siegeszug von „Betongold“ zu stoppen ist unser Ziel. Hier folgt unser Kommunalprogramm der Arbeit im Gemeinderat. Beim Verkehr sind es Schwerpunkte wie Verkehrsberuhigung, Flächenumnutzung und Förderung der sanften Mobilität sowie der Ausbau von Bim, Bus und S-Bahn zu günstigen Tarifen.
Mario Eustacchio:
Umweltschutz ist für uns Heimatschutz! Unser Parteiprogramm hält dazu fest: „Der Schutz unserer natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage für unsere Heimat Österreich, eine nachhaltige und schonende Bewirtschaftung und die biologische Vielfalt haben für uns hohe Bedeutung.“
Judith Schwentner:
Nachhaltigkeit ist das Herzstück Grüner Politik und zieht sich durch all unser Handeln und Planen. Zudem ist ein nachhaltiges Leben auch eine ganz wesentliche Frage der sozialen Gerechtigkeit, die mir persönlich besonders wichtig ist.
Philipp Pointner:
Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der NEOS-DNA: Wir wollen Schulen und Kindergärten nachhaltig verbessern, wir wollen nachhaltig haushalten, um keinen Schuldenberg zu hinterlassen und ganz im Sinne der Nachhaltigkeit mit frischen Ideen Umwelt und Wirtschaft verbinden.
Michael Ehmann:
Nachhaltigkeit spiegelt sich in allen Punkten unseres Programms „graz2035.at“ wieder, egal ob in den Bereichen Verkehr, Verbauung, Grünraum oder gesellschaftliches Zusammenleben. Wir haben kein Wahlprogramm, wir haben ein Zukunftsprogramm
Warum gibt es in Österreich kein Dosenpfand?
Siegfried Nagl:
Würde alles so gut laufen, wie das Sammeln und Recyclen von Altmetall, wären wir in der ganzen Nachhaltigkeits- und Klimaproblematik ein gutes Stück weiter!
Elke Kahr:
Das hängt mit dem Einfluss der Wirtschaft, respektive der großen Handelsketten, zusammen und ihrem Einfluss auf die Politik. Wir haben im Gemeinderat einige Initiativen dazu gemacht.
Mario Eustacchio:
Es scheitert hier meiner Ansicht nach, in erster Linie an der notwendigen Infrastruktur für die Rückgabe.
Judith Schwentner:
…das ist bisher an der ÖVP gescheitert. Leonore Gewessler hat mit der Mehrwegquote schon wichtige erste Schritte gemacht. Das Pfand ist die nächste logische Konsequenz und bleibt Verhandlungsziel der Grünen.
Philipp Pointner:
Pfandsysteme spielen eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Recyclingziele. NEOS wollen in erster Linie die Kreislaufwirtschaft stärken. Ich finde insbesondere bei Dosen, Beton bzw. Bauschutt gibt es noch viel Kreislaufpotential zu heben.
Michael Ehmann:
Obwohl wir den Dosenpfand schon länger einführen wollen, scheitern wir bislang sowohl am Gegenwind der Lobbyisten, als auch an der strikten Ablehnung der ÖVP.
Bezüglich Nachhaltigkeit & Klimaschutz: Auf was können Sie sofort verzichten, was würde Ihnen besonders schwerfallen?
Siegfried Nagl:
Auf Auslandsreisen und aufs Fliegen kann ich gerne verzichten, schwer würde es mir fallen, nachhaltig auf mir liebe Menschen in meiner Umgebung verzichten zu müssen.
Elke Kahr:
Ich kann auf Flugreisen verzichten (bin nur zwei Mal in meinem Leben mit dem Flugzeug geflogen), ungern hingegen darauf, mit dem Auto neue Landstriche zu erkunden.
Mario Eustacchio:
Sehr leicht kann ich auf Einweg-Plastiksackerl verzichten. Auf das Reisen gänzlich zu verzichten würde mir sehr schwer fallen.
Judith Schwentner:
Sofort: Auf ein Auto, Fleischkonsum und Flugreisen. Schwer: Auf mein Mobiltelefon.
Philipp Pointner:
In Graz verzichte ich auf das Auto, denn ich bin leidenschaftlicher Radfahrer. Der Verzicht auf Fleisch fällt mir da, bei aller Problematik, schon schwerer. Daher versuche ich möglichst oft auf Fleisch zu verzichten.
Michael Ehmann:
Obwohl ich es gerne würde, kann ich aktuell noch nicht zur Gänze aufs Auto verzichten, da leider das Angebot in Graz noch nicht ausreicht, um zur Gänze auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Einen Rat an die Freitags-Demonstrant*innen?
Siegfried Nagl:
Am Thema dranbleiben und: Menschen überzeugt man nicht, indem man alles über den sprichwörtlichen Haufen werfen will.
Elke Kahr:
Egal welche Rückschläge kommen, niemals aufgeben. Gemeinsam wird immer der Tag kommen, wo man auch die Früchte des Einsatzes sehen wird.
Mario Eustacchio:
Veränderung beginnt immer zuerst bei einem selbst. Fordere nicht von anderen, auf etwas zu verzichten, was du selbst nicht bereit bist aufzugeben.
Judith Schwentner:
Weitermachen!
Philipp Pointner:
Wir alle verbrauchen die Ressourcen unseres Planeten in sehr kurzer Zeit und zerstören damit unsere Lebensgrundlage. Bleibt euren Idealen treu und tritt weiter für eine Politik einer neuen Generation ein, die Umwelt gemeinsam mit der Wirtschaft denkt.
Michael Ehmann:
Dranbleiben, weitermachen, lasst euch nicht entmutigen, ihr seid auf dem richtigen Weg! Ihr habt bereits vielen Menschen die Augen geöffnet. Die Bewusstseinsarbeit, die ihr leistet ist oftmals nachhaltiger als eine Umweltkonferenz.
Welches Auto fahren Sie privat?
Siegfried Nagl:
Noch einen familientauglichen BMW, aber auch nur über Land. Wir sind schon auf der Suche nach einem E-Auto.
Elke Kahr:
Seit 2013 einen roten Citroen Berlingo, zuvor 10 Jahre einen roten Lada Kombi, bis das Getriebe kaputt wurde.
Mario Eustacchio:
Ich brauche sehr selten ein Auto und habe deswegen selbst kein eigenes. Wenn ich aber einmal eines brauche, fahre ich den alten Polo meiner Tochter oder mit dem Auto meiner Frau.
Judith Schwentner:
Mein Mann und ich haben schon viele Jahre kein Auto mehr. Es war eine der besten Entscheidungen.
Philipp Pointner:
Meine Frau besitzt einen Hybriden, den wir uns bewusst zugelegt haben. Wir nehmen ihn für Familien-Großeinkäufe und um meine Schwiegereltern in Deutschland zu besuchen. Viel wichtiger ist mir mein Fahrrad – Tag für Tag.
Michael Ehmann:
Einen Peugeot 308, Euroklasse 6. Diesen verwende ich vor allem um meinen Sohn in den Kindergarten zu bringen, da die Möglichkeiten mit den öffentlichen Verkehrsmittel noch nicht ausreichend ist.
Welche Partei hat Ihrer Ansicht nach mit der Nachhaltigkeit die größte Freude, welche die größten Schwierigkeiten?
Siegfried Nagl:
Ich bin kein Punkterichter über andere Parteien. Ich denke, dass alle hier den Ernst der Lage erkannt haben. Manche haben halt mehr Freude mit Verboten und Bevormundungen, wir setzen lieber auf Innovation und Überzeugung!
Elke Kahr:
Es gibt Stärken und Schwächen in jeder Partei. Insgesamt überwiegt jedoch oft Ankündigungsrhetorik und Etikettenschwindel. Wir sind nicht perfekt. Aber bei einem bin ich mir nun in den ganzen 35 Jahren bei der KPÖ Graz und Steiermark sicher: Wir sind eine glaubwürdige und verlässliche Partei, auch in Fragen der Nachhaltigkeit.
Mario Eustacchio:
Ich glaube, dass jede Partei die Bedeutung von Nachhaltigkeit erkannt hat. Inhaltlich sehe ich aber die größten Schwierigkeiten bei den Grünen: Permanent Verbote zu fordern, hat für mich mit echter Nachhaltigkeit sehr wenig zu tun.
Judith Schwentner:
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind notwendig, in Graz derzeit aber leider eine einzige Marketingblase. So ist auch zu erklären, dass weder die zuständigen Kommunisten noch die ÖVP beim Radverkehr oder dem Straßenbahn-Ausbau etwas weitergebracht haben.
Philipp Pointner:
Was haben ÖVP, die Grünen oder die Kommunisten in den letzten Jahrzehnten im Sinne der Nachhaltigkeit in Graz getan? Mit unserer Stadtallee und den Öffiausbau über die Stadtgrenzen hinaus, wird dank NEOS Graz innovativer und nachhaltiger.
Michael Ehmann:
Meiner Meinung nach geht es bei diesem Thema nicht um „Freude“. Es geht um die Zukunft unserer Kinder! Für uns als SPÖ ist die Nachhaltigkeit als gesellschaftliches Gesamtkonzept zu betrachten und umspannt nahezu alle Lebensbereiche.
Idee und Konzept: Martin G. Wanko
Bilder: ÖVP, Christian Jungwirth (Elke Kahr), FPÖ, Podesser (Judith Schwentner), NEOS, Michael Schnabl (Michael Ehmann)