Die Gegenwart ist eine Herausforderung für jung und alt. Einer der sich darüber viele Gedanken macht ist der Schriftsteller Gerhard Roth. LH Hermann Schützenhöfer bittet ihn zum Gespräch.
Gerhard Roth wurde 1942 in Graz geboren und zählt zu den wichtigsten Schriftstellern im deutschsprachigen Raum. Mit seinen Romanzyklen „Die Archive des Schweigens“ und „Orkus“ wurde er im deutschen Sprachraum eine unverzichtbare Größe. 2021 vollendete er seine Venedig-Trilogie mit dem Roman „Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe“. Zusammen mit seiner Frau Senta lebt Gerhard Roth seit 1986 in der Südweststeiermark und konnte als sensibler Beobachter den Klimawandel hautnah miterleben.
Was halten Sie vom Thema Nachhaltigkeit?
Ich hasse das Wort Nachhaltigkeit, das Wort ist mittlerweile völlig entwertet. Ich dachte einmal, das sei etwas Besonderes. Da plötzlich alles nachhaltig ist, ist das Wort für mich nur noch Schwindel.
Anders gefragt: Die Umweltverschmutzung wird nicht weniger, ist sie auch in der idyllischen Südsteiermark spürbar?
Selbst in der Südsteiermark sind die Probleme unseres Planeten sichtbar: In den letzten Jahren ist beispielsweise die Anzahl der Insekten deutlich geringer geworden. Wir haben keine Wes-penplage mehr im August. Die Wildbienenpopulation und die Anzahl der Schmetterlinge ist zurückgegangen. Jetzt pflanzen wir in unserem Garten Blumen an, die Bienen und Insekten anziehen. Durch die fehlenden Insekten als Futterquelle hat sich die Anzahl der Vögel reduziert. Wir hängen Vogelfutter auf, mittlerweile kommen sogar Spechte aus dem Wald zu uns.
Und dazu haben wir mit Wetterkapriolen zu kämpfen.
Das Wetter ist spürbar anders geworden. Wir erlebten einen Sturm, der große Schäden in den umliegenden Wäldern anrichtete. Die Winter sind schneearm, der Frühling ist verregnet. Es muss hinkünftig, was den Verkehr betrifft, größere Einschränkungen geben, zum Beispiel beim Fliegen. Ich kann leicht reden, ich bin viel geflogen, aber besonders diesen Punkt wird man sich überlegen müssen… Und natürlich betrifft das auch die Kreuzfahrtschiffe. Die Erde ist ein Paradies und wir machen daraus einen Müllhaufen. Wir haben von einem Mädchen, Greta Thunberg, lernen müssen, dass uns das Wasser bis zum Hals steht. Ich glaube, dass die übernächste Generation ein offeneres Ohr für die Probleme haben wird, als wir. Das Problem ist der Mensch, oder? Ja natürlich, der Mensch will über alles Herr sein. Er verschlingt, was er auf der Erde vorfindet, es geht ihm in erster Linie um das eigene Wohlergehen. Durch Gier und Gedankenlosigkeit ist unglaublicher Schaden entstanden.
Das Wesentliche scheint der Verzicht zu sein.
Wenn die Menschen auf E-Autos umsteigen, bräuchten wir Atomkraftwerke, um den Aufwand bewerkstelligen zu können. Die wollen wir berechtigterweise nicht. Das heißt also, eine Generation, die sich an alles gewöhnt hat, muss lernen, sich umzustellen, sie muss reduzieren. Fahre ich am Morgen nach Graz, merke ich, dass allein durch Berufspendler der Verkehr unglaublich dicht ist. Das Problem kann man nicht über Nacht lösen, es erfordert einen langwierigen Prozess. Die Politik ist von Wahljahr zu Wahljahr befristet und die Parteien wollen wiedergewählt werden, also bewegt sich zu wenig. Um die Zustände wirklich zu ändern, müssten Gesetze gemacht werden, die bei einem Großteil der Bevölkerung nicht ankommen und deshalb geschieht nichts.
Im Menschen steckt ja auch immer eine gewisse (leidenschaftliche) Unvernunft?
Die Vernunft des Menschen bedingt auch seine Unvernunft – alle Eigenschaften des Menschen sind immer auch mit ihrem Gegenteil verbunden. Wir haben alles in uns: Gutes und Böses, Freude und Leid, Wahrheit und Lüge, Hoffnung und Depression, das macht unser Leben so kompliziert und zugleich auch interessant.
Das führt uns direkt zur Corona Situation.
Mein Vater war Arzt. Für mich ist der Widerstand gegen die Impfung fremd, das hat auch mit meiner Kindheit zu tun, in der ich mehrmals gegen ansteckende Krankheiten geimpft wurde. Heute kommt noch ein Argument dazu: Ich lasse mich ja nicht nur für mich, sondern auch für die Gesellschaft impfen.
Sie waren mehr als ein Dutzend mal in Venedig. Ist die Rettung realistisch?
Venedig ist einzigartig und muss unbedingt erhalten bleiben. Die Stadt im Meer ist ein Lehrbuch für die Menschheit, auch jetzt die Mauer, die Venedig vor den Fluten schützen soll, aber nicht und nicht fertig wird. Zum Glück verzichten die Venezianer von nun an auf die Kreuzfahrtschiffe, „die Wolkenkratzer“, aber die kleineren Passagierschiffe sind immer noch geblieben. Der Handel brachte zum Beispiel den Bewohnern einerseits Reichtum, aber andererseits auch die Pest.
Einen Sprung noch gedanklich nach Graz. Wie wird die heurige Saison für Sturm Graz laufen?
Wir schaffen es, glaube ich, wieder unter die ersten sechs in die Meistergruppe. Von da an ist fast alles offen. Ob wir den sehr kräfteraubenden internationalen Spielen gewachsen sind, werden wir sehen. Dem GAK wünsche ich den Weg zurück in die Bundesliga. Mein Bruder war GAK-Anhänger und ich Sturm-Fan. Einmal kam ich dann zum Schluss, wir haben beide die gleiche Krankheit, nur die Ausschläge haben verschiedene Farben.
Bild: Senta Roth