Der Marlboro-Mann wird zum Marathon-Mann. Folge 8.
Beim Spazieren erkennt man dann die Welt. Voller Neugierde. Ich nähere mich einigen Fischern. Verstohlen schaue ich in die Kescher und Kübel. Ist ja schon einiges vorhanden. Die Fischer kümmern sich darum ziemlich wenig. Die schauen aufs Wasser. Sie haben alle Zeit der Welt. Zumindest scheint es so. Ein Fischer müsste man sein. Warum auch nicht? Und dann kommt mir auch schon einer entgegen, mit einem satten Hecht als Fang. Den kenne ich auch. Es ist mein alter Bekannter, der Direktor der Sportmittelschule in Graz, Michael Habjanic.
Fische sind immer hungrig. Wir verabreden uns auf unbestimmte Zeit, aber plötzlich, so im Frühsommer bei einer Laufeinheit, überkommt mich das Gefühl: Du musst Fischen gehen. Jetzt nicht zwingend selber, darf man ja ohne Fischerkarte nicht, aber zumindest neben einem Fischer sitzen und den Fischen gut zureden, dass sie jetzt der Verlockung erliegen und an den Haken gehen sollen. Das, was mir wichtig erscheint, in echt fischen zu gehen. Also nicht an den Fischteich fahren und einen auf „Pfandlfischer“ machen, wo die Fische nur noch auf die Happen am Haken warten, sondern so in echt, wie man das schon immer gemacht hat.
Und dann tatsächlich fischen. Wir treffen uns an einem schönen Nachmittag. Dass Fische nur bei schlechtem Wetter beißen ist Anglerlatein. Fische sind immer hungrig. Sie fressen sich auch gegenseitig. Den Ort, den Habjanic gewählt hat, finde ich großartig: Genau neben der A2-Überquerung der Mur. Also nix rauschender Bergfluss, sondern die rauschende Autobahn neben uns, dazu flackert Sonne auf der dunklen Oberfläche der Mur verführerisch.
Wir sind keine Pfandlfischer „Die Mur ist ein perfektes Gewässer, nicht nur qualitativ, sondern auch am Fischbestand gemessen“, weiß Michael Habjanic von der großen Artenvielfalt in diesem steirischen Gewässer zu berichten: „Alle geläufigen Weißfischarten und die Edelfischarten wie Forelle, Hecht, Saibling, Huchen, Äsche und Karpfen kommen in der Mur vor.“ Und, fängt man wirklich was? Der Tag führt oft die Regie, ob die Fische beißen oder nicht. Bücher wurden mit dieser Frage schon gefüllt. Die Antworten verflüchtigen sich dann, wenn man vor dem Gewässer steht und die Angel auswirft. „Die Wehr eignet sich ausgezeichnet zum Fischen – knapp vor und knapp nach einem Kraftwerk tummeln sich jede Menge Fische. Dort hat man in der Tiefe das schnelle Wasser und oben den Stau. Das eignet sich ausgezeichnet zum Fischen“, so Habjanic.
Wenn wir da relativ gechillt an der Mur stehen, darf man eines nicht vergessen: Fischen ist ein Weidwerk, das sollte man als solches sehen. Heute ist Grundfischen dran, im Herbst beißen die Fische eher am Grund. „Entweder hat man es im Blut oder nicht. Den Fisch zu überlisten und zu fangen ist eine große Herausforderung, zum Beispiel beim Fliegenfischen. Der Wels ist äußerst intelligent und schwer zu überlisten … oder wenn man auf einen Hecht geht, oder eine Forelle anfischt, es ist immer eine große Herausforderung“, so Habjanic. Aber das halbe Geschäft ist warten, man muss sich in Geduld üben, das denken hoffentlich auch die Würmer, die wir den Fischen als Köder anbieten.
Gelassen schwimmt eine fette Forelle bei uns vorbei. Wenn der Fisch am Grill liegt, kann man ganz gelassen bleiben. Die Wasserqualität der Mur stimmt mittlerweile. Die Fische werden auch regelmäßig überprüft und würden Unregelmäßigkeiten seitens der Qualität aufzeigen. „Ich bevorzuge den Fisch aus der Mur gegenüber den Aquakulturen. Mein Fisch hat kein Tagger-Futter bekommen, sondern ernährt sich von den kleinen Krebsen am Boden der Mur, von anderen Fischen oder Insekten, der absolute Naturfisch. Die Qualität ist top!“, weiß Michael zu berichten. Der Inhaber der Fischereirechte ist die Energie Steiermark.
Dass Fischen beruhigt, braucht man mir nicht sagen, ich merke es ja. Man schaut auf die Wasseroberfläche, auf den Punkt, wo die Angelschnur ins Wasser mündet, das beruhigt. Das ist eigentlich das Wichtigste. Es regt zum Nachdenken an. Wenn man vor ihm steht, kommt einem der Fluss ziemlich mächtig vor. Der hat sehr viele Möglichkeiten, wo sich die ganzen Fische versteckt halten können. Am Hungertod scheinen sie jedoch nicht zu nagen, unsere Würmer lehnen sie jetzt einmal strikt ab. Apropos nachhaltig: Die Maden aus der Biomülltonne kann man auch verwenden, wenn man meint, der Grazer Wurm ist für den Grazer Fisch das Beste. Vielleicht hätten wir den gebraucht, denn gefangen haben wir nichts. Am Ende des Nachmittags schwimmt nahe am Haken eine große Forelle gelassen vorbei. Fast schon zynisch. Heute waren die Fische gescheiter. Das ist auch sehr schön, weil das wahre Leben eben nicht auf Bestellung funktioniert. Im Grunde ist das sogar genial, und das sollte auch so bleiben.
Text: Martin G. Wanko