Vor kurzem lud die renommierte Grazer Galerie Sommer zu Werner Schimpls Personale „Meilensteine“ zu Ehren seines 75ers, einige Wochen später wird Schimpl nun zum diesjährigen „40plus-Künstler“ auserkoren. Und das vollkommen zurecht: Kunstwerke, wie die Energiekörbe „Baskets of Energy“, „Look inside me“, „License to Compare“ oder „FREISPRUCH“, sind tatsächlich Meilensteine in der steirischen Kultur. Begonnen hat alles Ende der 1960er-Jahre, wo Schimpl aus dem noch sehr autoritären Graz der Nachkriegszeit beruflich für ein Jahr nach London durfte.
„1969 fand ich in London eine Welt vor, die „geiler“ war wie in meinen „geilsten Träumen“… Carnaby Street, The Stones in the Park, Isle of Wight mit Bob Dylan, The Who und viele mehr. Die Beatles waren unter den Zuhörern – das hatte Graz nicht zu bieten… hahaha!“, freut sich der Künstler, wenn er darüber erzählt und hat noch heute ein Leuchten in den Augen. „England war damals der Inbegriff von Freiheit und Offenheit auf der ganzen Linie. Natürlich war ich erst nach diesem Erlebnis fähig, Bilder in einer derartigen Intensität zu malen!“
Bob Dylan und die 68er
In vielen seiner Installationen spielt sich der Künstler mit dem Begriff „Freiheit“, der ein relevanter Bestandteil der 68er-Bewegung war und auch im Werk vom Musiker und Poeten Bob Dylan einen wesentlichen Platz einnimmt. „Bob Dylan war für mich immer schon eher ein Literat als ein Musiker, der Nobelpreis für Literatur kam für mich nicht überraschend. Mit Gitarre, Mundharmonika, seiner eigenwilligen, kratzigen Stimme und den eindringlichen Botschaften erreichte er einen Großteil der Nachkriegsgeneration mit voller Wucht! Bob Dylan war für mich lange Zeit wie ein Wegweiser, um kritisches Denken künstlerisch zum Ausdruck zu bringen!“, so Werner Schimpl.
Im Fluidum der 68er-Generation gab es auch als Künstler in Zeiten des Eisernen Vorhangs nur ein hehres Ziel: „Das Erreichen eines gemeinsamen Europas ohne Grenzen. Und natürlich auch die Kunstfreiheit, um als Künstler Fehlentwicklungen in der Gesellschaft aufzuzeigen. Zu meiner Überraschung will das heutzutage ein Teil der jüngeren Generation, global gesehen, leider nicht mehr wirklich. Dieser nicht geringe Teil will scheinbar einen starken „Führer“.
Für mich bedenklich, die Demokratie droht zu verblassen.
Die Introspektion als Kunst
Nach wie vor ist Schimpls Kunst in der Gegenwart verankert: „Die Neugier auf Unbekanntes ist meiner Meinung nach bei jeder künstlerischen Arbeit ein absolutes Muss, gleichzeitig in experimenteller Arbeitsweise einen Beitrag zu leisten, um neue Denkmodelle und Gesellschaftsformen zu entwickeln. Alles andere ist für mich nur ein Aufwärmen des schon Vorhandenen.“ Dazu kombiniert der Künstler den Blick unter die Oberfläche: „Ich neige als Künstler dazu Inhalte zu erklären – wie in meinem ursprünglichen Beruf im Zollgrenzbereich, die Oberfläche galt nur als Verpackung – Oberflächenbehandlungen im Kunstbereich haben mich deswegen jahrzehntelang nur am Rande interessiert.“
Das neue Unsichtbare und Lichtströme
Seit fast 40 Jahren transportiere ich über die Kunst meine Beobachtungen bezüglich des Einflusses der verschiedenen Kontrollsysteme auf unsere Lebensbereiche, großteils mittels der Röntgentechnik.
„Durch diese Technik konnte der Künstler die Schale zahlreicher Objekte dem nun durch Röntgenstrahlen sichtbar gemachten Kern gegenüberstellen, schlussendlich auch im Experiment mit dem eigenen Körper: „Der Blick ins Innere zeigt ja wiederum nur einen Teil der erhofften Wahrheit, dahinter verbergen sich wieder neue Schichten des Unsichtbaren.“
Notwendig sind in diesem Zusammenhang die Hinterleuchtungen, mit denen beispielsweise Röntgenbilder sichtbar gemacht werden: „In weiterer Konsequenz ergaben sich daraus „eigenständige Lichtobjekte“, auch schriftliche Botschaften über stromleitende Kabel“, so der umtriebige Künstler. Legendär ist hier Werner Schimpls Installation „Baskets of Energy“: „Ich habe aus Leiterseilen von Hochspannungsleitungen, durch die große Strommengen vorerst unsichtbar geflossen sind, zwei große Körbe geflochten. Mittels einer Tesla-Spule wurden diese Körbe in einer öffentlichen Performance unter Strom gesetzt und dadurch der Strom in spektakulärer Form sichtbar gemacht.“
Text: Martin G. Wanko
Headerbild: Baskets of Energy, 2012/2013, performative Installation; Foto: © Werner Schimpl