Heckes Abgesang: Österreich ist rauschfrei

Hecke

Das traf mich unvorbereitet. Gerade hatte ich mich in der Fastenzeit trockengelegt, schon kam die Anfrage für eine Kolumne zum Thema Rausch. Meine Selbstkasteiung war Konsequenz festen Glaubens. Ich glaube fest, dass Abstinenz der Gesundheit nicht schaden und der erste Rausch danach in aller Unschuld der Glückserfahrung eines 15-Jährigen gleichen könnte; ohne böses Erwachen auf der Kinderklinik.

Entgegen der unverschämtesten Werbelüge, die je ein Mobilfunkbetreiber durch den Äther gespült hat – „Pörtschach rauschfrei“ – ist die Alpenrepublik traditionell das genaue Gegenteil. In Österreich gibt es ein historisches Grundrauschen. Ob daran wirklich Kanzler Leopold Figl Mitverantwortung trägt? Er soll die Alliierten 1955 um Grund, Boden und in den Staatsvertrag gesoffen haben. Dann trat er mit dem Trinkspruch „Österreich ist frei“ auf Belvederes Balkon: Und die Republik gab sich dem Rausch hin.

Das belegt die Fieberkurve des Saufens, die 1955 einen regelrechten Senkrechtstart hingelegt hat. Waren es zunächst 15 Gramm reinsten Alkohols, die sich Österreicher*innen zwischen 15 und 99 Jahren im Jahr hinter die Binde gossen, erreichte die Trinkernation um 1973 einen Höhepunkt mit fast 35 Gramm. Diese Ära ist ja als „Ölkrise“ in die Geschichte eingegangen. Der Staat verordnete der Elterngeneration, das Auto tageweise stehen zu lassen, damit der Rausch das Steuer nicht vollends übernimmt. Besagte Fieberkurve findet sich im „Handbuch Alkohol Österreich“ und sie ist seit den 1970ern wieder auf Talfahrt. Wer aber glaubt, die Großeltern hätten 1955 größeren Durst gehabt als wir, irrt. Heute sind es immer noch 25 Gramm reinsten Alkohols pro Kopf und Jahr. Wir rot-weiß-roten Ranking-Fetischisten wissen uns stolz in Europas Spitzenfeld.
Sonst ist das Machwerk des Gesundheitsministers eine handfeste Enttäuschung, der Titel „Handbuch Alkohol“ eine Irreführung. Es findet sich darin nicht einmal die Rezeptur eines „Espresso Martini“. Damit Sie sich in der Bar ihres Vertrauens nicht blamieren, sei es Ihnen an dieser Stelle verraten: Da ist gar kein Martini drin!

Doch hierzulande greift man ohnehin lieber zum Krügerl. Österreichs Politik tut das immer verbreiteter, selbst am Aschermittwoch. Es braucht Vorbildwirkung. Alarmieren uns doch die Schlagzeilen, der Vollrausch komme bei den Jungen aus der Mode. Da muss auch einmal ein Kanzler kirtags Krügerl exen. Gibt‘s dafür Tadel mieselsüchtiger Medienmacher, die ja Alkohol meiden wie Satan Weihwasser, beichten seine Berater: „Das war ja nur Sodaradler“. Ein Risikotrinkverhalten, das an der Urne wichtige Promille kosten könnte. Wo doch die Alten Wahlen entscheiden. Es ist ein Teufelskreis.

Das ist alles gar nicht so witzig? Sie haben recht! 15 Prozent im Land haben ein Alkoholproblem, fünf Prozent sind Alkoholiker. Da verbietet sich ein Hohelied aufs Schmiermittel der Gesellschaft. Zum Glück gibt‘s Selbsttests für Risikotrinkverhalten. Greifst du ohne ein Vis-à-vis, ganz allein zu Hause zum Glas, sollten die Alarmglocken schrillen. Darauf habe ich gleich nach Ende der Fastenzeit reagiert: Ich bin jetzt Spiegeltrinker.

Text: Bernd Hecke

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