„Es ist alles sehr kompliziert.“ Wenn Gedanken mit diesem Sinowatz-Zitat beginnen, sind sie es wert, über sie nachzudenken. Früher war Wein Wein. Das war manchmal ausgezeichnet, muss aber nicht immer gut gewesen sein. Dann kam 1985 der Weinskandal, dem die Rosskur für den österreichischen Wein folgte. Heraus kam die Generation an Winzern, die im In- und Ausland ausgebildet, an den „neuen österreichischen Wein“ glaubte. Sie behielt recht, kaum eine internationale Challenge kommt an den Weinen aus Österreich vorbei. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen? Denn heute schreit alles BIO. Genau betrachtet sind die Unterschiede jedoch groß.
Nachhaltig Austria
Das vom Österreichischen Weinbauverband initiierte Gütesiegel „Nachhaltig Austria“ gibt Traubenproduzent*innen und Weinbaubetrieben die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftsweise beurteilen und zertifizieren zu lassen. In Summe handelt es sich hierbei um rund 360 Maßnahmen, die eingegeben und beurteilt werden. Mittlerweile ist 25 % der Gesamtanbaufläche des österreichischen Weins „Nachhaltig Austria“ zertifiziert. Das klingt einerseits nicht schlecht, wenn man an die 25 % denkt, andererseits ein Hammer, wenn man an die restlichen 75 % denkt, wo wenig bis gar nichts dagegen getan wird, dass beispielsweise Herbizide eingesetzt werden dürfen. Dazu kommt auch, dass laut Zahlenangabe sogar 18 % aller „Nachhaltig Austria“-Winzer noch Herbizide einsetzen. Natürlich gibt es ganz schwierige hügelige Lagen, wo man ohne traditionelle Pflanzenschutzmittel kein Auskommen hat, trotzdem ist die Zahl der „bioresistenten“ Winzer überraschend hoch.
Bio und Bio Austria
Die EU-Bio-Verordnung regelt den Bio-Landbau in der Europäischen Union. Im Vordergrund des biologischen Weinbaus stehen Bodengesundheit und Fruchtbarkeit, durch schonende Bodenbearbeitung sowie die Anwendung von Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmitteln natürlichen Ursprungs. Im Handel werden dementsprechende Güter durch das grüne Blatt mit den EU Sternen erkennbar gemacht. Das Branding hat sich europaweit bei Kunden und Anbieter durchgesetzt.
Zusätzlich kann der österreichische Bio-Wein noch mit einem BIO-Austria-Logo versehen sein. BIO-Austria setzt sich im Pflanzenschutz hier über die Europa Normen: Unter anderem sind Milch- und Weinsäure, Eichenholzstücke, Argon oder Proteine zur Weinbehandlung nicht zugelassen. 22 % aller unserer österreichischen Winzer sind Biobauern. In den letzten Jahren hat sich hier die Fläche fast verdoppelt, im Prozentbereich liegen wir hier im weltweiten Spitzenfeld. Wir sind halt hier große Streber vor dem Herrn. Ein bisserl was vom Feinkostladen Europas ist also geblieben.
Bio-Weine waren vor 25 Jahren Außenseiter, auch geschmacklich. Das sind sie heute überhaupt nicht mehr. Man erwartet auch von einem Bio-Wein, dass er schmeckt und auch alle Vorteile, die ein konventioneller Wein hat, auch hat. Der Bio-Geschmack geht allgemein in Richtung Mitte.
Anton Kohlbacher
DEMETER und respekt-BIODYN
Aber BIO-Wein ist für manche Winzer noch nicht die Grenze ihres Denkens und Handelns. Biodynamischer Weinbau ist das Zauberwort. Grundsätzlich geht es um die Rückbesinnung auf traditionelle Herstellungsverfahren und um das Erzeugnis von so naturbelassenen Produkten wie möglich.
Neben den im biologischen Weinbau verwendeten Pflanzenstärkungsmitteln bekommt der Boden zusätzlich biodynamische Präparate wie Hornkiesel- und Hornmistpräparat und verschiedene Pflanzenauszüge hinzugefügt. Bei der Vergärung im Keller verlässt man sich auf Mutter Natur. Nein, nicht ganz, aber die Spontangärung ist ein fixes Element. Der Wein sollte möglichst naturbelassen sein. Zusatzstoffe sollen nicht zum Einsatz kommen. Um dies vielleicht in einer Relation zu sehen, 15 % aller Biowinzer sind biodynamisch, das betrifft 3 % der österreichischen Weinbaufläche. Aber: Die Zukunft beginnt bekanntlich immer im Mikrobereich.
Auch streiten sich hier die Spezialisten: Für Kritiker ist es Schabernack und Bio-Voodoo, für Befürworter ist es der Weisheit letzter Schluss und das Einzige was zählt. Ich sage einmal: Biodynamischer Wein schmeckt anders als Biowein, also fällt es einem schwer, dem biodynamischen Wein die Wirkung abzusprechen. Hier sollte man sich auf den Weinflaschen die Logos zweier Vereine merken. 1927 gründeten Landwirte, die nach Rudolf Steiners anthroposophischen Ideen arbeiten, die Verwertungsgesellschaft „Demeter“. Demeter ist eine weltumfassende Organisation, die auf allen Kontinenten agiert. respekt-BIODYN ist die zweite in Österreich beheimatete Organisation, die biodynamischen Weinbau betreibt, seit 2006. Mitglieder sind Weingüter aus Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien und Ungarn. Beiden Organisationen geht es um ein ganzheitliches Konzept, bei dem Mensch, Tier und Natur in einer landwirtschaftlichen Symbiose interagieren. Ziel sind ein gesunder fertiler Boden, kräftige widerstandsfähige Pflanzen, Tierwohl und die Förderung der Biodiversität sowie ein faires und ethisches Miteinander am Gut und mit den Akteur*innen der Lieferketten. Während Demeter das gesamte landwirtschaftliche Spektrum – also Ackerbau, Weinbau und Viehwirtschaft mit all ihren Produkten – abdeckt, gilt die respekt-BIODYN-Zertifizierung nur für den Weinbau. Die größten Unterschiede bestehen in den Aufnahmekriterien der beiden Vereine. „Die Richtlinien für Weingarten und Keller unterschieden sich nur marginal“, so Sylvia Petz, Sprecherin von respekt-BIODYN.
Zum Anschauen gibt’s übrigens auch etwas: „Die lange Nacht der Demeter Höfe im Juni. 16 Höfe öffnen am 15. Juni ihre Pforten. Was ist das, wie schmeckt das, wie machen wir das?“, so Birgit Heinrich von Demeter. Vorbeischauen ist sicher eine kluge Entscheidung.
Der Weingarten ist viel vitaler. Die Fahrgasse, wo ich durchfahre, ist mit Wiese zugewachsen, die Trauben sind reifer, knackiger, als Ganzes viel homogener. Der Geschmack ist viel konzentrierter, auch das Terroir kommt mehr zur Geltung. So ist der Geschmack sehr pur, an den muss man sich gewöhnen.
Michi Lorenz
Regenerativ bio zertifiziert
Kommt aus den USA und fasst langsam in Österreich Fuß. Bestehend aus den drei Säulen Bodengesundheit, Soziale Fairness und Tierschutz. Soziale Fairness ist nun in den USA, Asien und Südamerika ein großes Thema. Der Tierschutz versteht sich von selbst. Für den Weinbau ist jedoch die Bodengesundheit am relevantesten. „Die PIWIs werden spannende Weine. Die sind für uns als Winzer eine Zukunft, weil diese Sorten einfacher zu produzieren sind.“ Christof Winkler-Hermaden, regenerativer Winzer. Zusätzlich dazu erfreut sich Christof Winkler-Hermaden an den PIWI-Weinen vom Weingut: „Sie sind für uns immer wichtiger, wir machen immer mehr davon, mittlerweile beträgt die Anbaufläche 16 %. Wir haben die Sorten Muscaris und Souvignier Gris.“ Das bedeutet reduzierter Pflanzenschutz und dazu ein anderer Geschmack.
Das Wichtigste ist das Übermaß an Leben im Boden. Darum müssen wir Mangelernährungen im Boden durch Hinzufügen von Spurenelemente ausgleichen. In vielen Böden fehlt zum Beispiel Kobalt für die Stickstoff-Fixierung. Zusätzliche biodynamische Präparate, wie bei den biodynamischen Winzern, werden dem Boden nicht weitergegeben. Auch ein wirtschaftliches Fazit gibt es: Reben tragen mehr, das steigert auch den Umsatz.
Christof Winkler-Hermaden, Weingut Winkler-Hermaden in der Südoststeiermark
Text: Martin G. Wanko