40plus Talk: Gemma vorsorgen?

Vorsorgen

„Gesamtheit von Maßnahmen, mit denen einer möglichen späteren Entwicklung oder Lage vorgebeugt, durch die eine spätere materielle Notlage oder eine Krankheit nach Möglichkeit vermieden werden soll.“ So und nicht anders erklärt das Oxford Dictionary die Vorsorge. Man kann sie auch die einzige sinnvolle Nachhaltigkeit an der eigenen Person bezeichnen. Und die Vorsorge ist vielseitiger, als man glaubt, kann durchaus Spaß machen und ist ein absolutes Must.

Ariane Pfleger
Dr. Mag. Ariane Pfleger, Vorstandsdirektorin Raiffeisen-Landesbank Steiermark. Foto: © RLB Steiermark
Doris Stiksl
Mag. Doris Stiksl, Geschäftsführerin proPellets Austria. Foto: M. Kanizay
Bettina Schifko
Mag. Bettina Schifko, Geschäftsführerin Odilien-Institut Graz. Foto: © Odilien-Institut
Christian Purrer
DI Christian Purrer, Vorstandsdirektor Energie Steiermark. Foto © Energie Steiermark

Was verstehen Sie unter Vorsorge?

Ariane Pfleger: Vorsorge hat für mich mehrere Dimensionen: als Vorstandsdirektorin der RLB z. B. Maßnahmen und Produkte für die Zukunftssicherung unserer Kund:innen – von der Versicherung bis zur Veranlagung. Und als Frau zusätzlich alle Aspekte, die sich beispielsweise aus der Erwerbsbiographie von Frauen (Stichwort Teilzeit) ergeben und deren Auswirkungen man durch gezielte, frühzeitige Beratung begegnen kann.

Doris Stiksl: Ein alter Werbespot lautete: „Rechtzeitig drauf schauen, damit du‘s hast, wenn du‘s brauchst…“ Es ist ein verantwortungsvolles Nach-Vorne-Denken – und eine Reduktion von erwarteten und möglichen Risiken.

Bettina Schifko: Es steckt alles schon in diesem kurzen Wort: Vorher dafür zu sorgen, damit man sich später keine Sorgen machen muss. Das gilt für viele Lebenslagen, aber ganz besonders in Sachen Gesundheit und dabei unbedingt auch für die Augengesundheit! Denn die wird im Alter mit Sicherheit wichtig!

Christian Purrer: Vorsorge ist wie eine Lebensversicherung für die Gesundheit. Es geht darum, Krankheiten oder Schwierigkeiten zu vermeiden, bevor sie auftreten, anstatt nur darauf zu reagieren, wenn sie schon da sind. Man muss das Ruder selbst in die Hand nehmen und das Beste für die eigene Gesundheit tun. Ein gesunder, aktiver Lebensstil ist die beste Vorsorge!

Wie können wir Vorsorge, in welchen Bereichen auch immer, für junge Menschen aufregend und positiv gestalten?

Doris Stiksl: Das gelingt, indem wir sie positiv vorleben. Wenn junge Menschen erleben, dass wir durch eigenverantwortliche und vorsorgende Gestaltung unsere Lebensziele erreichen und damit zum Gestalter unseres Lebens werden, ist das erstrebenswert.

Bettina Schifko: Ich denke da den „Movember“: Immer mehr Männer finden es cool, sich im November einen Schnauzer wachsen zu lassen und damit auf Vorsorgeuntersuchungen hinzuweisen, die bis 2030 vorzeitige Todesfälle bei Männern um 25 Prozent reduzieren sollen. Werbung schafft es, Milchschnitten als gesund zu verkaufen, der Dry January macht sogar Alkoholabstinenz sexy – warum soll das bei Vorsorgeuntersuchungen nicht klappen?

Christian Purrer: In unserem Unternehmen versuchen wir durch zahlreiche Betriebssportaktivitäten einen gesunden Lebensstil in allen Alterskategorien zu fördern. Gratis Äpfel, eine Gesundheitsstraße mit individueller Betreuung, Impfaktionen und ein Arbeitsplatzmediziner gehören zu unserem Gesundheitsprogramm ebenso wie kostenlose Trainingseinheiten in unserem eigenen Workout-Raum im Firmengebäude. Durch das positive Gestalten des Arbeitsumfelds unterstützen wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter:innen.

Ariane Pfleger: Durch eine altersgerechte Form der Kommunikation, Spaß in der Gruppe, Konzerte, Gewinnspiele, Apps, usw. ermöglichen wir über unsere Sumsi und den Jugend Club einen positiven, offenen Zugang zum Thema Finanzen. Außerdem setzen wir sehr stark auf Finanzbildung, indem Kinder und junge Menschen z. B. unsere Bankstellen besuchen und wesentliche Abläufe kennenlernen.

Kann Vorsorge sexy sein?

Doris Stiksl: Sagen wir so – es ist wie Zähneputzen: Das ist auch nicht sexy. Aber gesunde Zähne und ein strahlendes Lächeln sind es. So ist es auch mit der Vorsorge: Es ermöglicht Souveränität, Gelassenheit und Überlegenheit. Diese Eigenschaften sind erstrebenswert.

Bettina Schifko:
Definitiv Ja! Gesund zu sein ist sexy, Körperbewusstsein ist in. Der Weg dorthin führt nicht nur über Gyms und Diäten aller Art, sondern eben auch über Vorsorge.

Christian Purrer: Auf jeden Fall. Ein gesunder Lebensstil ist bestimmt attraktiv. Es ist wohl eher das Wort „Vorsorge“ das für viele so medizinisch klingt und deshalb einen unangenehmen Beigeschmack hat.

Ariane Pfleger: Finanzielle Vorsorge mag vielleicht nicht im herkömmlichen Sinne „sexy“ erscheinen, aber sie kann definitiv attraktiv sein. Mit kluger Finanzplanung schafft man Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit. Das Bewusstsein für diese langfristigen Vorteile kann durchaus als attraktiv wahrgenommen werden und daran arbeiten wir als Bank für unsere Kund:innen.

Wie bringen wir den Menschen – gerade in Österreich – dazu, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen?

Doris Stiksl: Das ist ein langfristiger Prozess – das bedarf wieder einer kulturellen Annäherung zu mehr Eigenverantwortung. Unser Sozial- und Gesundheitssystem fängt viel auf – das ist großartig, dass wir in so einem Land leben dürfen, aber es verleitet auch Verantwortung abzugeben und sich darauf zu verlassen, dass für einen gesorgt wird. Ein kritischer Blick in die Kassen und in den Bestand zeigt, dass diese Einstellung für die Zukunft nicht tragbar ist. Anreize wie steuerliche Absetzbarkeit von Vorsorgemaßnahmen, die es ja schon einmal gab (!), verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen um Versicherungs- oder andere soziale Leistungen beziehen zu können, erhöhen die Bereitschaft und verschärfen die Wahrnehmung für die Wichtigkeit präventiver gesundheitserhaltender Maßnahmen.

Bettina Schifko: Das beginnt im Elternhaus, geht weiter im Kindergarten und Schule. Und wir müssen die Menschen mit entsprechenden Informationen versorgen – aber nicht mit dem Zeigefinger, sondern positiv besetzt.

Christian Purrer: Die Energie Steiermark fördert, wertschätzt und belohnt eine Kultur der Eigenverantwortung. Letztendlich geht es darum, Menschen zu ermutigen, ihre Stärken zu erkennen und ihre Ziele zu verfolgen.

Ariane Pfleger: Hilfreich sind unserer Erfahrung nach gezielte Finanzbildungsprogramme, also die frühzeitige Förderung finanzieller Allgemeinbildung. Wer langfristige Zusammenhänge und Auswirkungen kennt, übernimmt durch dieses Bewusstsein eher Eigenverantwortung.

Kein Mensch lässt sich gerne untersuchen. Dabei wären groß angelegte Vorsorge-Untersuchungen in regelmäßigen Abständen eine unheimliche Hilfe für die Vorsorge. Sollten diese Untersuchungen eine Bürgerpflicht sein?

Doris Stiksl: Ja, absolut! Wer das Recht in Anspruch nimmt, unser Gesundheitssystem zu beanspruchen, sollte auch der Pflicht der Vorsorge nachkommen. Das System des Mutter-Kind-Passes funktioniert und leistet großartiges. Warum sollte es so ein System nicht ein ganzes Leben lang geben? Damit verbunden könnte auch der Bezug von Versicherungsleistungen sein. Das würde nicht nur viel Leid, unnötige Erkrankungen durch Früherkennung ersparen und gleichzeitig auch das Gesundheitssystem entlasten.

Bettina Schifko: Zwang ist ein schlechter Ratgeber, siehe das Beispiel Impfplicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass man sich so was wie Pluspunkte holen kann – bei Leistungen aus der Sozialversicherung oder später für die Pension. Die SVS ist mit ihrem „Gesundheitshunderter“ ein gutes Beispiel.

Christian Purrer: Ich verstehe absolut, warum Sie das vorschlagen. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können sehr hilfreich sein, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Allerdings glaube ich, dass es wichtig ist, die individuelle Freiheit zu respektieren. Anstatt Untersuchungen zur Pflicht zu machen, könnten wir stattdessen versuchen, sie attraktiver und zugänglicher zu gestalten. Die Energie Steiermark bietet für die Mitarbeiter:innen ein vielfältiges Gesundheitsprogramm. Unter anderem führten wir 2023 ein Projekt zur individualisierten Gesundheitsdiagnostik durch. Diese Initiative wird heuer wiederholt.

Werden die Menschen zu alt oder arbeiten sie zu kurz – wir können uns das Pensionssystem schon lange nicht mehr leisten. Keine Regierung traut sich das wirklich in die Hand zu nehmen, oder?

Doris Stiksl: Unpopuläre Themen sind nicht dafür geeignet, Wählerstimmen zu gewinnen und bekommen auch keine breite Mehrheit. Verantwortungsvolle Politik muss die Themen jedoch – am besten gestern noch – in Angriff nehmen. Die demografische Entwicklung erfordert, dass das Pensionsantrittsalter und auch das Rentensystem überarbeitet werden.

Bettina Schifko: Gott sei Dank werden wir immer älter! Aber ja, es sieht so aus, als würde es eng werden. Ich könnte mir als Sofortmaßnahme massive Vorteile für Menschen vorstellen, die nicht zu ihrem regulären Termin in Pension gehen – und damit auch dem Arbeitsmarkt nicht verloren gehen. Wir als Odilien-Institut versuchen zumindest in Graz auch der älteren Bevölkerung die Tools und das Wissen mitzugeben was sie brauchen, um mit Sehbehinderungen auf Grund des Alters, voll im Erwerbsleben mitmachen zu können.

Christian Purrer: Das Pensionssystem ist eine komplexe und sensible Angelegenheit. Mit steigender Lebenserwartung und veränderten Arbeitsbedingungen stehen viele Länder vor derselben Herausforderung. Ich glaube, es ist möglich, Lösungen zu finden, die sowohl fair als auch nachhaltig sind. Das kann bedeuten, flexiblere Rentenoptionen zu schaffen – wie wir es mit unserem Altersteilzeitmodell machen – oder Anreize für längeres Arbeiten zu setzen. Wir investieren in die Gesundheit unserer Mitarbeiter:innen auch, um ihnen zu ermöglichen, länger und produktiver zu arbeiten.

Kommen wir zu etwas Positivem: Gehe ich ins Fitnessstudio, scheint mir, dass der Trend zur Bewegung und körperlichen Ertüchtigungen in den letzten Jahren stark zugenommen hat, oder?

Bettina Schifko:
Ja, wie schon angesprochen: Körperbewusstsein ist in, aber treibt auch seine Blüten mit Erwartungen, die von einer gewaltigen Industrie vorgegaukelt werden. Ich rede da von Bildern, die vor allem jungen Frauen das Gefühl geben, nicht schön genug zu sein.

Christian Purrer: Es ist großartig zu sehen, dass immer mehr Menschen die Vorteile von Bewegung in Fitnessstudios erkennen. Auch bei Outdoor-Sportarten, wie Wandern oder Radfahren, kann ich einen Boom beobachten. Insgesamt sehe ich allerdings die Entwicklung von Bewegung in Österreich nicht so positiv.

Ariane Pfleger: Ich sehe bei uns im Unternehmen, dass die entsprechenden Angebote im Haus seit Jahren sehr gut angenommen werden. Körperliche Gesundheit reduziert Stress und steigert die Produktivität. Durch gemeinsame sportliche Aktivitäten verbessert sich das Teamgefühl und Mitarbeiter:innen können auch außerhalb des Arbeitsumfelds besser miteinander interagieren, was wiederum die Teamdynamik und das Betriebsklima positiv beeinflusst.

Wie kann man diesen Trend am Laufen halten bzw. ausbauen?

Bettina Schifko: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Da sind wir wieder bei den Eltern und der Schule, wo der Turnunterricht verstärkt werden sollte und auch attraktiver werden muss – Stichwort Trendsportarten.

Christian Purrer: Indem wir sportliche Aktivitäten für alle zugänglich machen und auch Bewegung in unseren Alltag integrieren. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter:innen beispielsweise dabei ihren täglichen Arbeitsweg mit dem Fahrrad zu bewältigen, indem wir nicht nur ausreichend Stellplätze zur Verfügung stellen, sondern auch die Fahrtauglichkeit der Räder bei einem jährlichen Fahrradcheck sicherstellen. In unserem Intranet bieten wir die Plattform Vibes@Work an. Auf dieser stellen wir Trainingsvideos für jeden Fitnesstypen – von Anfänger bis Fortgeschrittenen – zur Verfügung.

Wie wichtig ist hier der Betriebssport?

Doris Stiksl: Um das zu beurteilen, fehlt mir der Einblick. Aber die Freude an Bewegung und Sport, wird in der Kindheit gesät und geprägt. Kindergärten und Schulen haben daher einen großen Einfluss. Tägliche Bewegungsstunden und auch das Angebot regionaler Vereine bringen Kinder dazu, mit Gleichgesinnten Bewegung zu machen. Fördert ein Unternehmen den Betriebssport, ist das sicher der Gesundheit zuträglich. In der Praxis ist es für Unternehmen jedoch oft schwierig für die verschiedenen Interessen der Mitarbeiter Angebote zu entwickeln, die dann auch genutzt werden.

Bettina Schifko: Ganz wichtig! Entsprechend attraktive Angebote fördern die Gesundheit der Mitarbeiter:innen und sorgen gleichzeitig für Teambuilding und mehr Freude an der Arbeit.

Christian Purrer: Betriebssport spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung von Gesundheit am Arbeitsplatz. Er bietet nicht nur eine hervorragende Möglichkeit, sich zu bewegen und fit zu bleiben, sondern trägt auch zur Verbesserung des Arbeitsklimas und zur Stärkung des Teamgeistes bei. Unsere Betriebssportsektion ist sehr aktiv. Sie bietet unseren Mitarbeiter:innen viele Möglichkeiten, neben Sportarten, wie Beach-Volleyball, Schwimmen oder Skifahren, auch Randsportarten, wie Stand-up-Paddeling oder Eisschwimmen, auszuprobieren.

Ariane Pfleger: Für uns in der RLB hat das Thema Gesundheit der Mitarbeiter:innen große Bedeutung. Wir haben das betriebliche Gesundheitsmanagement fix etabliert und erst kürzlich einen neuen Bewegungsraum eröffnet, in dem regelmäßig Angebote für gemeinsame sportliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Gesundheit geht für uns aber über die rein körperliche Komponente hinaus – wir legen auch großen Wert auf die mentale Gesundheit und ein soziales Miteinander, z. B. durch ein angenehmes, wertschätzendes Betriebsklima.

Die Probleme sind oft hausgemacht: Die Österreicher:innen sind starke Fleischfresser, eines der Probleme, die daraus resultieren, sind Herz-Kreislauf-Belastungen. Fehlt der Anreiz, Gewohnheiten zu ändern?

Doris Stiksl: Eine Umstellung auf vegane oder vegetarische Kost ist ja nicht mit gesunder Ernährung gleichbedeutend. Ich denke, es gibt genug Anreize für eine gesunde Ernährung und auch Beratung und Unterstützung ist vorhanden. Zur Verhaltensveränderung sind wir oft erst bereit, wenn es einen Leidensdruck gibt. Ernährungsgewohnheiten sind wohl schwerer abzulegen als ein Dialekt. Am Leichtesten gelingt es in der Gruppe oder mit anderen. Der Arbeitsplatz oder Schulen sind daher wichtige Orte, wo Umlernen erfolgen kann.

Bettina Schifko: Man muss am Beginn ansetzen, junge Eltern müssen nicht nur über die Impfungen für ihr Kind Bescheid wissen, sondern auch über gesunde Ernährung. Und es wächst ja eine Generation heran, die überzeugte Vegetarier oder gar Veganer sind. Zumindest tageweise ausschließlich schmackhafte vegetarische Gerichte in öffentlichen Einrichtungen, wie Schulen, Kantinen, etc. anzubieten wäre schon ein großer Schritt.

Christian Purrer: Gewohnheiten zu ändern ist immer schwierig. Wir, bei der Energie Steiermark, bieten in unserer Kantine ein vielfältiges und gesundes Angebot mit großem Salatbuffet an. Zusätzlich wird das vegetarische Gericht mit einem etwas größerem Zuschuss des Unternehmens gegenüber dem Fleischgericht gefördert. Das ist ein kleiner Anstoß, hin und wieder die vegetarische Variante zu wählen.

Ariane Pfleger: Wie bereits erwähnt, basiert Gesundheit für uns in der RLB auf mehreren Säulen. Als Arbeitgeber nehmen wir unsere Verantwortung wahr und versuchen in allen Bereichen, positive Anreize zu schaffen. Was die Ernährung betrifft, bieten wir unter anderem entsprechende Kurse im Rahmen des Gesundheitsmanagements und setzen auf ein gesundes Ernährungsangebot im Restaurant sowie auf Bewusstseinsbildung.

Wie bringen wir die gesunde Ernährung in die Familien – jedes dritte Kind ist übergewichtig.

Doris Stiksl: Kindergärten und Schulen haben hier eine wichtige Aufgabe. Zum einen in der Vermittlung/Aufklärung über gesunde Ernährung, andererseits auch über das Angebot. Hier wird neben dem Elternhaus gesundes Essen geprägt. Wird hier gespart, kommt uns das später teuer zu stehen.

Bettina Schifko: Die Erstverantwortung liegt ja bei den Eltern, dort muss und kann man mit gezielter Information ansetzen. Aber ich erinnere an das Thema Mülltrennung, wo die Kinder damals ihre Eltern darauf hingewiesen haben, kein Papierl einfach auf den Boden zu schmeißen und den Müll zu trennen. Irgendwann geht das in Fleisch und Blut über. Oh Gott, schon wieder Fleisch!

Christian Purrer: Wir setzen hier bei unseren jüngsten Mitarbeiter:innen an: bei unseren Lehrlingen. Neben regelmäßigen Sporteinheiten ist ein fixer Bestandteil des Tagesablaufs das gemeinsame gesunde Mittagessen. Die Jugendlichen planen selbstständig, was gekocht wird, kaufen mit einem vorgegebenen Budget ein und bereiten das Essen dann auch zu. So schärfen wir das Bewusstsein für gesunde Ernährung.

Ernährung, Bildung und Einkommen hängen auch im Negativen zusammen. Wie sprengt man diesen Teufelskreislauf?

Bettina Schifko: Großbritannien hat zum Beispiel zuckerhaltige Getränke mit einer höheren Steuer versehen und damit enorme Lenkungseffekte erzielt. Gleichzeitig könnte man gesunde Produkte billiger machen, Gratis-Angebote bei Sportarten anbieten und eine große Bildungsreform in Sachen Chancengleichheit starten. Dazu könnte auch gehören, das vegetarische Mittagessen in Schulen kostenlos anzubieten. Und informieren, informieren…

Christian Purrer: Als eines der größten Unternehmen des Landes nehmen wir unsere soziale Verantwortung sehr ernst. Wir unterstützen unterschiedliche karitative Organisationen, wie SOS-Kinderdorf, Caritas, Volkshilfe Steiermark und Steirer helfen Steirern. Mit der Unterstützung dieser Organisationen versuchen wir die soziale Benachteiligung zu verringern und somit auch den Problemen, die aus dieser Benachteiligung entstehen, entgegenzuwirken.

Ich würde gerne die Erziehungsberechtigten in die Pflicht nehmen. Das Lehrpersonal ist überfordert, wenn zu Hause nicht mitgespielt wird. Was tun?

Doris Stiksl: Natürlich können Eltern nicht aus der Pflicht genommen werden. Es ist nur schwer, diese zu erreichen. Das gelingt meines Erachtens nur durch ständige Aufklärung und das ist ein langsamer Prozess.

Bettina Schifko: Durch Lenkungsmaßnahmen, wie z. B. das vegetarische Gratis-Mittagessen, werden auch die Eltern mitspielen. Und dann kommen wir hoffentlich bald wieder zu dem Punkt, dass die Kinder die Eltern überzeugen.

Christian Purrer: Das ist ein wirklich schwieriges Szenario. Es gibt natürlich Erziehungsberechtigte, für die gesunde Ernährung und Bewegung nicht so bedeutend ist. Umso wichtiger ist es, dass diese Themen in der Schule aufgearbeitet werden. Um allen Kindern die besten Voraussetzungen für ein gesundes Leben mitzugeben.

Eine Autoren-Kollegin aus Wien meint, sie sterbe lieber dick und zufrieden, als dass sie sich „das alles“ antut, um in das Idealbild der Gesellschaft zu passen.

Doris Stiksl: Niemand soll einem Schönheitsideal entsprechen müssen. Es geht darum, eine hohe Lebensqualität und Gesundheit bis ins hohe Alter zu erhalten.

Bettina Schifko: Dick zu sein heißt für mich nicht, zufrieden zu sein. Denn es geht ja nicht nur um das Aussehen – es geht um körperliches Wohlbefinden. Ich fühle mich jedenfalls nicht besser, wenn ich 20 kg mehr herumschleppen muss und noch dazu gesundheitliche Nachteile in Kauf nehmen muss. Und wir wissen ja, dass adipöse Menschen enormen gesundheitlichen Risken ausgesetzt sind. Wer also kann dann als dicker Mensch zufrieden sein?

Wie weit kann man bestimmend eingreifen, ohne dass man in einer modernen Diktatur landet?

Doris Stiksl: Verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen, die, wie das System des Mutter-Kind-Passes, Orientierung geben, haben sich bewährt. Wenn damit der Bezug von Versicherungsleistungen verbunden ist oder es steuerliche Erleichterungen gibt, ist das zusätzlich förderlich. Das hat nichts mit Diktatur zu tun, sondern ist ein lenkender Prozess, der dem Einzelnen und der Volkswirtschaft hilft.

Bettina Schifko: Wie gesagt, finanzielle Anreize schaffen, attraktive Angebote machen und gezielt informieren. Aber: Der Staat verlangt 35 Euro, wenn man sich im Auto nicht anschnallt. Auch das sollte eigentlich nicht notwendig sein, weil die Autofahrer ja gerne ihre Gesundheit schützen wollen. Möglicherweise kann man über ein Art Bonus-Malus-System auch beim Thema Gesundheit diskutieren, indem man beispielsweise die Sozialversicherung für Gesundheitsbewusste verbilligt und damit die Einkommen erhöht, wie beim erwähnten System der SVS.

Alt werden wollen viele, alt sein aber nicht.

Doris Stiksl: Keiner möchte alt werden, aber es nicht zu werden, ist auch eine Alternative, die wir nicht mögen. Im Idealfall möchten wir unsterblich mit wachem Geist und gesundem Körper unseren 100. Geburtstag feiern. Damit das so ist, müssen wir eben früh genug damit anfangen, gesund zu bleiben.

Bettina Schifko: Na ja, die Alternative wäre ja jung sterben. Wer will das schon? Aber gesund alt zu werden und zu sein, ist jedenfalls wünschenswert.

Ariane Pfleger: Diese Ambivalenz zwischen dem Streben nach einem erfüllten, gesunden Leben und der Angst vor möglichen Einschränkungen spüren wir sehr oft in Beratungsgesprächen. Peter F. Drucker hat einmal gesagt: „Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, besteht darin, sie zu gestalten.“ Daher raten wir, frühzeitig aktiv zu werden und empfehlen eine langfristige finanzielle Vorsorge für das Alter. Sie spielt eine zentrale Rolle, um beispielsweise den Lebensstandard halten zu können und für etwaige Herausforderungen abgesichert zu sein.

Moderation: Martin G. Wanko
Headerbild: © Pexels/Pixabay

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