Triest – eine Liebe mit starken Wurzeln in der Geschichte.
Wenn mein Freund, der Cafetier Alexandros Delithanassis, Kaffee kauft, dann begibt er sich in den Triester Hafen. Dort trifft der Betreiber des Caffè San Marco einen sogenannten crudista. Dabei handelt es sich um einen Kaffeegroßhändler, mit dem er gemeinsam die Bohnen für die Kaffee-mischung seines Kaffeehauses zusammenstellt. »Der crudista hat eine kleine Versuchs-Röstmaschine«, erzählt Delithanassis, »mit der rösten wir die verschiedenen Bohnen und kosten uns so lange durch, bis die Mischung unseren Erwartungen entspricht.«
Die Liebesgeschichte zwischen Triest und dem Kaffee ist von jeher stark mit dem Hafen verbunden. Und zwar spätestens, seit die damals zum Habsburgerreich gehörende Stadt von Kaiser Karl VI, im Jahr 1719, den Status als Freihafen erhielt. Mit der steigenden Nachfrage nach dem Trendgetränk in Mitteleuropas Städten wie Wien und Budapest, wuchs auch der Hafen und mit ihm Triest. Sodass gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein bedeutender Teil der Bevölkerung von Handel und Verarbeitung des Kaffees lebte. Historiker sagen, dass es zu der Zeit in der Stadt bereits 66 Import- und Handelsfirmen für Kaffee gab. Dazu vier Verarbeitungsbetriebe, zehn Röstereien sowie 60 Geschäfte, die auf den Einzelhandel spezialisiert waren. Und dass im Jahr 1904 sogar eine eigene Kaffee-Börse geschaffen wurde.
Inzwischen identifiziert sich die Stadt mit dem Getränk – und bezeichnet sich selbst gerne als La Città del Caffè, ein Beiname, der sogar unter den Ortsschildern prangt. Wesentlich dazu beigetragen hat freilich die hier ansässige und weltberühmte Rösterei Illy. Sie wurde 1933 vom aus Ungarn stammenden Francesco Illy gegründet und ist weltweit bekannt für ihr hohes Qualitätsbewusstsein, für innovative Technologie, originelles Design und (vor allem) effizientes Marketing. Von 1993 bis 2001 war Francescos Enkel Riccardo Bürgermeister der Stadt. Sein Wahlspruch damals lautete »Il sindaco espresso dei cittadini«, was so viel bedeutet wie: »Der ausdrückliche Bürgermeister der Bürger«, in erster Linie aber freilich mit dem Begriff »espresso« spielt.
Historische Berg- und Talfahrt Triester Kaffeehäuser
Neben den großen Röstereien wie Illy und mittelgroßen wie Hausbrandt, gibt es eine ganze Fülle kleinerer Betriebe, die sich alle den Ruf der Stadt zu Nutzen machen und ihre Produkte unter Namen wie etwa Trieste Caffè, Caffè Trieste, Caffè di Trieste und Ähnlichem vertreiben. Großer Stolz Triests sind die fortbestehenden historischen Kaffeehäuser nach Wiener Vorbild, wie etwa Delithanassis‘ wundervolles Caffè San Marco, gleich hinter der Synagoge; das üppig dekorierte Tommaseo an der Uferstraße; das elegante Caffè degli Specchi an der zentralen Piazza Unità.
Leicht hatten es die Triester Kaffeehäuser nach Wiener Vorbild allerdings nicht immer. Das Caffè degli Specchi etwa musste im Jahr 2012 Konkurs anmelden und blieb daraufhin sechs Monate geschlossen, bis es von der friaulischen Firma Peratoner übernommen wurde und heute wieder auf Hochtouren läuft. Selbige Firma erwarb vor zwei Jahren auch das krisengeschüttelte Tommaseo sowie die historische Konditorei Bomboniera nahe dem Canale Grande. Und auch das denkmalgeschützte Caffè San Marco strauchelte heftig, bis es schließlich 2013 von der Stadt erworben und an Delithanassis verpachtet wurde.
Heute trinken die Triester, so heißt es, doppelt so viel Kaffee wie der italienische Durchschnitt. Auch bestellt man hier, anders als in Rest-Italien, keinen »caffè«, sondern einen »nero«, wenn man einen kleinen Schwarzen möchte. Die für die Stadt wohl typischste Bestellung ist jedoch der »capo in bì«. Der Name steht für cappuccino in bicchiere, also im Glas, bezeichnet verwirrenderweise aber keinen Cappuccino (der heißt hier caffè latte), sondern das, was anderenorts als Macchiato gilt. Warum das so ist, weiß heute allerdings niemand mehr. Und auch auf die Frage, warum er so gerne im Glas und nicht in der Tasse geordert wird, habe ich bisher keine befriedigende Antwort erhalten. Aber in Triest hebt man sich eben gerne vom restlichen Italien ab. Sogar, was die Liebe zum Kaffee betrifft.
Text: Georges Desrues
Bild Triest: © Martin G. Wanko
Bild Buch: © Styria Verlag