Die Welt dreht sich und lechzt nach Neuigkeiten und so wie der Bart der Hipster langsam ab ist, ist auch die Lust auf einen neuen Sommerdrink neben Gin Tonic spürbar. Momentan klopft hier der Wermut an.
Zugegeben, in den letzten Jahren brauchte man Wermut vor allem in der gehobenen Küche, und der wohl berühmteste Cocktail, der sogar den Wermut indirekt im Namen führt, der »Martini, gerührt und nicht geschüttelt«, hat mit seinem Werbeträger 007 auch schon deutlich jünger ausgesehen. Und tatsächlich hat der Wermut, oder Vermouth, jetzt keine so spannende Historie mit Genießern aus allen Winkeln der Erde auszumachen, wie eben mit Whisky oder Cognac, auch fehlt ihm die verwegene Nuance, die Rum oder Tequila innehaben. Dass für einen original Negroni jedoch der kultige Cinzano 1757 die wesentliche Zutat ist, erzählte mir Barchef Gernot, aus der Cohibar. Nun denn, nach dem Gin als regionales Erfolgsmodell, mausert sich der Wermut, fest in den Händen der jungen Winzergeneration, zu einer attraktiven Bereicherung.
Das Gin-Kräuter Experiment setzt sich fort
Der große Vorteil: Der Wermut sorgt für eine kleine Geschmacksexplosion und bietet von herb über sauer bis zu bittersüß eine echte Geschmacksbandbreite. Dazu hat er zwischen 14,5 % und 22 % Alkohol und ist dadurch leichter verträglich als beispielsweise Gin, bei dem der Spaß ab 40 % beginnt. Der Wermut besteht zum Großteil aus gespritetem Wein, weiß oder rot und kann gesüßt sein. Zur Geschmacksexplosion kommt es durch mächtig viele Kräuter, die beigesetzt werden. Margret Reinprecht, Teil der Schneeberger-Winzer-Dynastie im Sausal, kreierte mit der »Bittersüßen Margret« einen Wermut mit 13 Kräutern: »Ganz wichtig ist das Wermutkraut aus unserem eigenen Garten, dazu kommen Zitrone, Zimt und Nelken, aber ein paar Kräuter müssen auch mein Geheimnis bleiben.« Ähnlich reagiert auch die zweite Dame im Bunde, Katrin Strohmaier, aus der gleichnamigen Winzerfamilie aus Pölfing-Brunn in der Weststeiermark. Auch ihr Wermut, Miss Rósy, beinhaltet 12 verschiedene Botanicals. Auch sie bleibt, ähnlich wie die Gin-Blender, zurückhaltend: »Unsere Kräuter im Wermut? Das ist natürlich ein gut gehütetes Familiengeheimnis!«, meint sie in einem Gespräch mit 40plus.
Wie viele Kräuter der oststeirische Winzersohn Maximilian Glatz in seinen »Herba Sanctum« zaubert, hält auch er im Verborgenen, es sind sicher viele, und sein Wermut hat System: »Für unseren Herba Sanctum nehmen wir nur ausgesuchte Weißweine aus der Burgunder-Familie, aus einem Jahrgang, sodass unser Wermut immer ein ›Vintage‹ ist. Ich arbeite viel mit wildwachsenden Kräutern, die wir selber sammeln, so haben wir auch eine feine, limitierte Stückanzahl.« Stefan Krispel, der Winzer aus dem Vulkanland in der Südoststeiermark, ist hier gesprächiger: »Natürlich kommt das Wermutkraut aus unserem Garten, beim Wermut Rosé verstärken wir dieses Aroma noch mit Enzian. In beiden Produkten sorgen Orangen für einen Frischeakzent. Wachholder bringt mir die Pikanz.«
Qualität steht über Quantität
Aber bekanntlich, »Gut Drink braucht Weile«, könnte man abgeleitet sagen, denn der Wermut mit dem richtigen Geschmack entsteht auch nicht von heute auf morgen. »Das braucht schon seine Zeit, er muss ja nicht nur gut schmecken, er muss ja auch meine Seele widerspiegeln, vom ersten Versuch bis zum fertigen Produkt in der bildschönen Flasche«, bringt es Margret Reinprecht auf den Punkt. Maximilian Glatz kommt bei seinem Herba Sanctum gleich ins Schwärmen: »Auf die Idee gekommen bin ich in der Karibik, zur Feldstudie gings dann nach Turin. Zu Hause haben wir 9 Monate lang akribisch an der genauen Kombination aus Kräutern, Wurzeln und Gewürzen getüftelt.«
Dazu ist es eben eine eigene Geschichte, wie man zum Wermut kommt, oder wie der Wermut zu einem kommt, weiß zum Beispiel Stefan Krispel zu berichten: »In Bars und Restaurants habe ich einiges an Wermut probiert und mich dem Thema angenähert. Und dann ist es einfach passiert: Es hat sich eine Geschmacksidee in meinem Kopf festgesetzt, die ich dann in mehreren Versuchen umsetzen konnte.« Und die Rechnung scheint aufzugehen, denn ab diesem Sommer bietet der Winzer auch einen Wermut Róse an. Als Jungwinzerin muss man sich quasi selber erfinden und da das Weingut Strohmaier hochwertigen Schilcher produziert, war die Basis geschaffen: »Miss Rósy, weltweit der erste Schilcherwermut. Dementsprechend ist er auch sehr fruchtig und spritzig. Es ist auf unserem Weingut nicht mehr wegzudenken und ist über die steirischen Grenzen hinaus bekannt. Dazu haben wir jetzt auch eine White Edition: Rund, vollmundig und süß am Gaumen.«
Der Sommer kann also beginnen. Elegant verspielt, luftig und doch hintergründig, wie es einem gefällt. Ein Sommernachtstraum, made in Styria und hier noch einige Sommerdrinks, von den Produzenten persönlich empfohlen.
Jetzt bei unserem Gewinnspiel teilnehmen
Margret Reinprecht:
Als Negroni, mit’m Hansi Gin vom Bruder Hans und einem Schuss Campari. Im Sommer: mit Soda. Mischverhältnis 1 : 1
Stefan Krispel:
Wermut pur mit Eis, oder Wermut-Tonic.
Katrin Strohmaier:
Rósyberry: 4 cl Miss Rósy Schilcherwermut, 2 cl Vodka, 0,1 lt. Rosenlimo, 1 Schuss Soda, tiefgefrorener Beerenmix
Maximilian Glatz:
Am besten schmeckt unser Wermut Herba Sanctum mit 3 Eiswürfel und einer Zitronenzeste, aber auch gerne mit Ginger Ale und Gurke oder Prosecco secco/dry aufgießen. Für Puristen mit Soda und Ingwerscheibe.
Katrin Strohmaier:
Rósylicious: 6 cl Miss Rósy, White Edition, 2 cl Old Tom Gin, 2 cl Traubensaft, Eiswürfel
Text: Martin G. Wanko
Bilder: Weingut Schneeberger, Weingut Krispel, Miss Rósy Genuss KG, Weingut Glatz