Im Vergleich der 276 EU-Regionen nimmt die Steiermark mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von rund 5 Prozent die Pole-Position in Europa ein. Dazu braucht es verlässliche Partner mit ehrgeizigen Zielen. Ein wesentlicher ist die TU Graz, denn bezüglich Nachhaltigkeit und innovativer Forschung führt in Österreich kein Weg an der TU Graz und an Rektor Harald Kainz vorbei: Einer der fünf Forschungsschwerpunkte ist voll und ganz „Nachhaltigen Systemen“ gewidmet. Dazu will die TU Graz als solches bis 2030 beispielhaft klimaneutral sein. Grund genug für Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer TU Graz-Rektor Harald Kainz in Runde 2 des Distanz-Talks auf die Bühne zu bitten.
LH Hermann Schützenhöfer:
Mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von rund 5 % liegt die Steiermark im europäischen Spitzenfeld. Auch österreichweit gesehen ist die Steiermark klar die Nummer Eins.
Als Rektor der TU Graz, wie sehen Sie das Image der Steiermark – mit Graz als Zentrum des studentischen Lebens – im internationalen Vergleich?
Rektor Harald Kainz:
Der Universitäts- und Forschungsstandort Steiermark profitiert vom engen Miteinander von Wirtschaft und Wissenschaft. Das wird auch international stark wahrgenommen.
An der TU Graz hat sich der Anteil internationaler Studierender und Lehrender in den letzten Jahren deutlich erhöht. Der Standort ist attraktiv. Von dieser innovativen Kooperationsfreudigkeit profitieren auch unsere Studierenden: sie werden am letzten Stand der Forschung ausgebildet, sind aktiv in Projekte mit Firmen eingebunden und schulen ihr unternehmerisches Mindset.
LH Hermann Schützenhöfer:
Die Steiermark ist das Forschungsland Nummer eins. In welchen Energiequellen liegt für Sie – aus wissenschaftlicher Sicht – das größte Potential für eine grüne Zukunft?
Rektor Harald Kainz: An der TU Graz forschen wir an den unterschiedlichsten grünen Energiequellen, denn es wird hier nicht den einen Sieger geben können. Es braucht einen Mix unterschiedlicher grüner Technologien für die Erreichung der Klimaziele. Wasserstoffforschung etwa hat an der TU Graz eine lange Tradition und wir sehen enormes Potenzial grüner Wasserstofftechnologien speziell für den Produktions- und Verkehrsbereich. Auch Biofuels, neue Technologien der Energiespeicherung und smart Grids stehen bei uns hoch im Kurs.
Rektor Harald Kainz: Die Politik spricht derzeit viel über die effiziente Nutzung von Energie. Der Bedarf an grünem Strom wird sich in den kommenden Jahrzehnten durch E-Mobilität, betriebliche Maßnahmen, Wärmepumpen für die Heizung und anderes mehr als verdoppeln. Wie stellt die Politik sicher, dass wir die ausreichende Produktion, Speicherung und Verteilung von grüner Energie in zwei Jahrzehnten erreichen?
LH Hermann Schützenhöfer:
Klimaschutz und grüne Energie sind zwei der bedeutendsten Zukunftsthemen – dessen sind wir uns in der Steiermark bewusst. Der Schlüssel dazu ist Innovation. Als Forschungsland Nummer eins haben wir dafür die besten Karten. Mit dem Klimakabinett arbeiten wir über alle Ressorts hinweg, um bestmöglich mit dem Klimawandel und seinen Folgen umzugehen. Wir haben etwa einen steirischen Klimafonds eingerichtet und Projekte im Wert von 8,5 Millionen Euro für eine klimafreundliche Landesverwaltung auf den Weg gebracht. Der steirische Weg ist das Klima zu schützen, denn wir sind das grüne Herz und das grüne Hirn – diesen Weg wollen wir auch weiterhin konsequent gehen.
Rektor Harald Kainz: Den größten Ausstoß an CO2 verursachen wir durch die Errichtung und den Betrieb von Gebäuden. Die graue Energie unserer Gebäude können wir verstärkt durch Holz als Baustoff reduzieren. Wie kann die Politik einen raschen Umstieg zu Holz als Baustoff unterstützen?
LH Hermann Schützenhöfer:
Mit dem enormen Waldreichtum in unserem Bundesland – 62 % der Steiermark sind bewaldet –
leisten wir mit dem klimafreundlichen Baustoff Holz einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Alle vier Minuten wächst in der Steiermark das Holz für ein Einfamilienhaus nach. Neben der großen Verfügbarkeit der Ressource Holz besitzt die Steiermark mit ihren innovativen Unternehmen auch ein breit gefächertes Know-how im Bereich der Holzverarbeitung und des Holzbaus.
Weil die Wissenschaft den Fortschritt bringt
Die Universitäten leben von ihren leitenden Persönlichkeiten und die Persönlichkeiten leben vom Input der Forschenden und Lehrenden aber auch von den Studentinnen und Studenten. Dieser Humus an Möglichkeiten braucht eine Führungskraft, die zu vernetzen weiß und schlussendlich den enormen Reichtum an Wissen und Erkenntnis in die richtige Bahnen lenkt TU Graz-Rektor Harald Kainz über unsere Zeit und die Möglichkeiten, die sie der TU Graz bietet.
Unsere Gesellschaft ist gerade dabei, die größte globale Gesundheitskrise der letzten 100 Jahre zu überwinden. Doch ist das einmal geschafft, werden wir keine Zeit haben uns auszuruhen. Wir sind bereits mitten drin in einer Krise, die nicht nur uns Menschen, sondern unser Gesamtsystem „Planet Erde“ bedroht – die Klimakrise. Die Weltbevölkerung wächst, der Energieverbrauch steigt, die Umweltverschmutzung nimmt zu. Wertvolle Rohstoffe schwinden ebenso wie die Artenvielfalt und die Auswirkungen des Klimawandels mahnen uns, den Ausstoß von Treibhausgasen einzudämmen.
Vor allem junge Generationen fragen immer lauter: Wann unterbrechen wir endlich die Reihe fallender Dominosteine und beginnen damit, gefallene Spielsteine wiederaufzurichten?
Sie wissen genau: Es ist absehbar, dass dem Spiel namens „Lebensraum Planet Erde“ die Spielsteine ausgehen. Ich persönlich bin diesen jungen, lauten Menschen sehr dankbar für ihr Engagement und will ihnen ausrichten: Die Wissenschaft ist auf eurer Seite. An der TU Graz haben wir einen unserer fünf Forschungsschwerpunkte voll und ganz „Nachhaltigen Systemen“ gewidmet. Die besten Köpfe befassen sich mit zukunftsorientierter Stadtplanung, nachhaltigem Bauen, erneuerbaren Energieträgern, intelligenten Energienetzen und grüner Mobilität und tragen dieses Wissen über die Lehre direkt zu den Studierenden.
Wichtig ist, ins Tun zu kommen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Und zwar nicht nur auf persönlicher, sondern auf institutioneller Ebene. Universitäten als Orte des Fortschritts und der Erkenntnis müssen hier vorangehen. Die TU Graz will bis 2030 klimaneutral sein. Auf Basis einer Treibhausgasbilanz all unserer Aktivitäten und Gebäude haben wir eine Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität festgelegt. Unsere Campus-Standorte werden durch Begrünungsmaßnahmen klimafit, die Mensen verzichten vermehrt auf treibhausgas-intensive Lebensmittel und die Nutzungsdauer von IT-Geräten wird verlängert. Wir setzen auf die klimaoptimierte Errichtung nachhaltiger Universitätsgebäude, auf PV-Anlagen auf Dachflächen und werden bis 2030 unseren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren zertifizierten Quellen decken. Dienstreisen per Flugzeug werden reduziert, dafür die Videokonferenz-Infrastruktur ausgebaut, weitere 400 E-Ladestationen werden errichtet und unseren rund 3.600 Mitarbeitenden die Nutzung von Fahrrad und ÖPNV versüßt. Eines muss uns allen klar sein: Der Wandel für unser Klima muss endlich allerorts in großem Stil beginnen.
Moderation & Text: Martin G. Wanko
Fotocredits: Erwin Scheriau ; Helmut Lunghammer