Es waren 40 erkenntnisreiche Minuten! 40plus lud via Videokonferenz zum Nachhaltigkeitstalk. Vier herausragende Unternehmer unterschiedlicher Bereiche – Anita Frauwallner, Helwig Brunner, Roland Fink und Stefan Krispel – die doch sehr mit der Nachhaltigkeit verbunden sind. Eine hochinteressante Zusammenführung von Personen, die sehr nahe am Menschen und ihren Bedürfnissen sind. Den Talk moderierte Martin G. Wanko, der auch die O-Töne niederschrieb und versucht, die sensationelle Dynamik in Blei zu gießen.
Vielen Dank für Euer Kommen! 40 Minuten, eine knappe Zeit für ein weites Themenfeld, also gehen wir es gleich an! Es geht um den Stand der Dinge, wie schauen wir mit der Nachhaltigkeit aus. Helwig Brunner, fang bitte an:
Helwig Brunner: Ich beschäftige mich in meiner Firma ÖKOTEAM seit 25 Jahren mit regenerativer Energiegewinnung, als Gutachter bin ich für die Einreichverfahren zuständig, oder auch im Auftrag der Behörden tätig. Mein momentanes Fazit: Kunden von uns, die die Nachhaltigkeit forcieren wollen, sind damit konfrontiert, dass es Widerstände gibt, und kein Weg simpel und geradlinig ist, man kann jetzt nicht meinen: Hurra, jetzt machen wir Nachhaltigkeit und Hakerl drunter – so glatt läuft das nicht.
Anita Frauwallner: Ich beziehe mich hier auf das Thema Gesundheit. Bei der Herstellung von Arzneimitteln wird häufig auf eine chemische Sofortwirkung bezüglich des Symptoms gegangen, aber nicht auf die Nachhaltigkeit in Bezug auf echte Gesunderhaltung. Für mich bedeutet Nachhaltigkeit für die eigene Gesundheit Verantwortung zu übernehmen. Wir bei AllergoSan wenden Substanzen an, die einen nachhaltigen Effekt haben, entweder auf das Gesundmachen oder auf das Gesunderhalten.
Stefan Krispel: Wir auf unserem Weingut sind jetzt im zweiten Jahr der Umstellungsphase auf biologische Bewirtschaftung. Nachhaltigkeit im Anbau ist einfach zu erklären: Wenn man ein vollsystemisches Spritzmittel von vornherein unterbindet, geht der Rebstock tiefer in die Erde hinein, bildet Feinwurzeln und nimmt so die guten Nährstoffe auf. Der Wein, der daraus entsteht, hat einen Mehrwert, da man die Region rausschmeckt. Das sind bei uns im Vulkanland die Basaltverwitterungsböden. Das ist unser Zukunftsweg.
Roland Fink: Wir sehen durchaus Fortschritte, wie sich Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzen, aber es geht trotzdem viel zu langsam. Wir von Niceshops versuchen ein Unternehmen zu bauen, das schnell wächst, um viel zu bewegen: Wir nehmen viele Aktivitäten rund um den Klimaschutz in unsere Arbeit auf, die Kompensation von CO2-Emissionen, zum Beispiel, oder dass die Lieferkette CO2-neutral bleibt oder mit welchen Lieferanten wir zusammenarbeiten. Das geht hin bis zur Gender Equality, ein bunter Blumenstrauß an Aktivitäten, die man als Unternehmer setzen kann. Wenn man hier vorangeht, ist man auch ein gewisses Vorbild: Wenn andere Akzente setzen, auf Basis dessen was wir machen, ist das wunderbar.
Hat die Pandemie geschadet, oder geholfen, Umdenkprozesse einzuleiten, Herr Fink, bitte gleich weiter.
Roland Fink: Es hat etwas beschleunigt, was so und so schon greifbar war. Es war in meiner Branche keine Überraschung, dass der Handel zulegt, überraschend war, wie schnell das geht. Bezüglich der Nachhaltigkeit geht das dann auf der Waage langsam in die richtige Richtung. Nachhaltig wird zum Beispiel eine Minimierung von Geschäftsreisen, im allgemeinen Flugreisen, auf ein Wesentliches sein.
Stefan Krispel: Der Onlinehandel ist in Größenordnungen gewachsen, in denen man zur Bewältigung Mitarbeiter anstellen kann. Nachhaltig ist, dass wir dadurch den Kunden persönlich ansprechen können. Dazu muss man sagen, dass wir schon seit 2014 im Online-Marketing tätig sind, kurzfristig kann man so etwas so und so nicht hochfahren, da muss man eine solide Basis haben.
Anita Frauwallner: Gerade in der Corana-Situation ist das Bewusstsein für die eigene Gesundheit gestiegen. Viele Menschen streben nach einem gesunden Lebensstil. Speziell in unserem Alter sind sich die Menschen bewusst, dass die Gesundheit im Darm beginnt: Das hat mit der Aufnahme von ballaststoffreicher Nahrung zu tun, mit einer Achtsamkeit auf die Psyche und dass Ressourcen bewusster eingesetzt werden. Es ist ein Weggang von der Chemie zurück zur Natur. Dass das in unserem Fall probiotische Bakterien sind, Pflanzenextrakte, oder Mineralstoffe, die wir aus natürlichen Quellen gewinnen, verschafft uns eine Qualität, die uns in die höchste Liga bringt.
Helwig Brunner: In der Pandemie-Zeit hat die Natur als Umwelt-Ressource gewonnen. Es gehen zum Beispiel viel Leute mehr spazieren. Dadurch steigt die Bedeutung des städtischen Grünraums. So ist man gleich in systemischen und ökologischen Überlegungen drinnen, wie zum Beispiel mit Grün- und Siedlungsraum umgegangen wird.
Aber schmecken muss einem die Nachhaltigkeit schon, Herr Krispel, oder?
Stefan Krispel: Der Schritt in diese Richtung muss homogen sein, damit der Kunde mitwachsen kann. Der Weg zum Bio-Wein muss herauszuschmecken sein, gerade im Einstiegsbereich, wo man dann auch zwei bis drei Euro teurer als die Konkurrenz ist. Dazu muss man eine gute Kommunikation führen. Wir haben zum Beispiel geführte Touren durch die Weingärten gemacht, wo die Besucher gesehen haben, dass wir anders arbeiten, wodurch sich dann im Glas ein Mehrwert ergibt.
Wem tut es am meisten weh, wenn weniger mehr wird, und wem bringt es am meisten?
Roland: Manchmal müssen wir ein bisserl geschubst werden, auch über Gesetze, damit sich etwas verändert. Wir müssen uns alle fragen, wohin haben sich unsere Wertigkeiten verschoben. Da ist vieles hausgemacht. Da müssen wir alle etwas tun, wir als Gesellschaft!
Was muss der nächste halbe Schritt nach vor sein?
Anita Frauwallner: Wir müssen für Einzelne, wie auch für Unternehmen, die Nachhaltigkeit attraktiv machen. Wir müssen hier positiv vermitteln, damit es für die Menschen einen starken Anreiz gibt, ihr Verhalten zu ändern. Die Ausbeutung von Ressourcen muss verhindert werden – es ist 2 vor 12, das sehe ich als die größte Problematik.
Helwig Brunner:
Wir stehen vor einem 1000 Teile Puzzle, wo jeder in seinem Bereich ein paar Teile richtig hinlegen und schauen kann, wie dieses Bild sich entwickelt. Es ist der Weg der kleinen Schritte.
In China würde das heißen, nur noch zwei mal Fleisch und fünf mal die Woche Gemüse, aber auf Befehl.
Roland Fink: Es ist natürlich ein interessanter Gedanke: Leute schaltet eure Klimaanlage aus und ein jeder hält sich dran. Aber ich bin glühender Europäer und liebe unsere Kultur der Unentschlossenheit, die viele Fehler und Freiheiten hat. Das Bewusstmachen eines Themas ist der nachhaltigere Weg, als Verbote zu zelebrieren.
Helwig Brunner: Die Nachhaltigkeit ist so komplex wie letztlich unsere eigenen Befindlichkeiten komplex sind. Alles was weiten Horizont und geistige Offenheit schafft, ist ein guter Nährboden für Nachhaltigkeit. Die positive Dynamik muss am Laufen gehalten werden. Wir müssen sie genießen und auch darüber sprechen.
Anita Frauwallner: Wir müssen täglich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Inneren von Menschen emotional verankern. Nicht durch Zwang, sondern durch Überzeugung. Jeder einzelne ist gefordert. Ich sehe die Zukunft in einem glücklichen Leben mit allem, was uns die Natur gibt. Daran glaube ich und dafür lebe ich.
Stefan Krispel: Wir leben eine Vorbildwirkung in der eigenen Branche. Es muss in der Landwirtschaft aber ein großes Umdenken geben. Ich will denen Mut machen, die noch immer die alten Wege bestreiten: Man kann sein System immer umstellen. Sie sehen es bei uns, wie gut das funktioniert.
Roland Fink:
Die 1000 Schritte sind richtig. Es kann für uns kein Problem sein, die ersten zu gehen. Ich kann mich nur wiederholen, Nachhaltigkeit kostet uns Unternehmer nichts, es bringt nur viel. Auch Wachstum.
Zu den Personen:
Roland Fink:
Gründer und Geschäftsführer der niceshops GmbH, 40 Onlineshop-Portale mit mehr als 1 Million Kunden.
„Nachhaltigkeit kostet faktisch nichts, es bringt nur allen etwas.“
Mag. Anita Frauwallner:
Darmexpertin sowie Gründerin und CEO des Institut AllergoSan.
„Ich trete für eine Nachhaltigkeit in Bezug auf echte Gesunderhaltung ein, weg von der Chemie hin zur Natur.“
Dr. Helwig Brunner:
Autor und Geschäftsführer des ökologischen Planungsbüros ÖKOTEAM in Graz.
„Alles was weiten Horizont und geistige Offenheit schafft, ist ein guter Nährboden für Nachhaltigkeit.“
Stefan Krispel:
Geschäftsführer und Inhaber des Wein- und Genussguts Krispel im Vulkanland.
„Ich will denen Mut machen, die noch immer die alten Wege bestreiten: Man kann sein System immer umstellen.“
Fragen & Interview: Martin G. Wanko