Fleisch macht uns krank, ist zugleich unser Leben, es erhält unsere Kulturlandschaft, zerstört aber auch unsere Umwelt. Das Leben ist schwierig, aber immer mit Möglichkeiten zur Veränderung. Die Zauberformel: Weniger ist mehr.
Weltweit sollen schätzungsweise ganze 15 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase aus der Nutztierhaltung stammen, schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). „In der gesamten westlichen Welt stagniert, beziehungsweise sinkt der Fleischverbrauch leicht, ausgehend von einem hohen Niveau“, so Adolf Marksteiner, Tierhaltungsexperte der Landwirtschaftskammer Österreich. Trotzdem ist unser Fleischkonsum überdurchschnittlich hoch. 2020 lag nach Angaben der FAO der durchschnittliche Fleischkonsum pro Kopf weltweit bei 43,1 kg, in Österreich 2019 bei 62,6 kg.
An einem 25 % Aktionssamstag in einem Supermarkt drängen sich die Menschen nur so vor der Fleischtheke. Es ist laut und die Menschen blicken sehnsüchtig zu den Verkäufern. „Ich hätt‘ gern ein Steak“, „Ein halbes Kilo Faschiertes bitte“, „Ich nehme drei Schnitzerl“. Für die Mitarbeiter ist viel zu tun. Von Bio ist selten die Rede. In einer Woche verzehrt ein Österreicher durchschnittlich 1,2 kg Fleisch und Wurst. Nach den Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung sollen Menschen zwischen 19 und 65 Jahren maximal drei Portionen fettarmes Fleisch oder fettarme Fleischprodukte pro Woche zu sich nehmen. Eine Portion entspricht rund 100 bis 150 g, was 300 bis 450 g Fleisch pro Woche bedeuten würde. Um diesen Wert zu erreichen, müssten wir auf rund zwei Drittel verzichten. Das könnte schwierig werden. Wenn man einen Blick auf die Speisepläne in Österreichs Kantinen wirft, findet man vorwiegend Fleischgerichte. Aber die Hoffnung lebt, denn egal ob im Amt oder in Großkonzernen, es stehen jeden Tag zwischen Cordon Bleu und Hühnerschnitzel auch Gemüseeintopf oder Falafelbällchen zur Auswahl. Vegetarisch geht, vegan ist jedoch nirgendwo zu finden, Fleischgerichte behalten die Vorherrschaft.
„Die Pflanzenfresser sind im Vormarsch, aber auch für die Fleischfresser gibt es Hoffnung!“
Die Zahl der sich fleischlos oder sogar vollkommen pflanzlich ernährenden Menschen in Österreich steigt stetig an. Vor allem jüngere Bevölkerungsgruppen greifen seltener zu Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln, so Marksteiner. Das zeigt auch die Agrarmarktanalyse der AMA-Marketing. Und jetzt bitte alle 40plus achtgeben: Demnach wurden über 70 Prozent des Fleisches zwischen Jänner und September 2020 von Haushalten mit einem Haushaltsführer über 40 Jahren gekauft. Da können wir doch etwas ändern, oder? „Ja, wir können das!“, so Martin Geser, Gerichtssachverständiger, Landwirt und Experte auf den Gebieten Natur- und Umweltschutz sowie Tierhaltung und Tierschutz. Wir müssen nicht vollständig auf Fleisch verzichten. Nur nicht zu Billigfleisch greifen! Denn das sei das Schlimmste, das man tun kann. „Da rate ich auch als Fleischerzeuger dazu, wenig und dafür gutes und möglicherweise auch teures Fleisch zu essen.“ Als Konsument wird man im Supermarkt aber ganz im Gegenteil dazu verführt, zum günstigsten Stück Fleisch zu greifen. Im Superdiskonter leuchtet die Fleischtheke nur so in rot: Schilder, auf denen „Dauerhaft preisgesenkt!“ oder „Aktion“ zu lesen ist, leuchten den Kunden aus dem Kühlschrank entgegen. Im Einkaufswagen findet sich Schweinefilet und XXL Putenschnitzel. 500 g Faschiertes gibt es in Aktion um € 3,19 und Hendl-Innenfilets um € 2,49. Bei einem Nettoeinkommen von rund € 1400 im Monat, als Angestellter im Einzelhandel, ist es nicht jedem möglich, die Familie vom feinsten Bio-Hendl zu ernähren. Wenn dann im Supermarkt das Bio-Hendlfilet um € 27,99 / kg fast dreimal so viel kostet, als die konventionelle Alternative um € 9,98 / kg, fällt die Entscheidung nicht schwer.
Fleischkonsum nachhaltig gestalten
Am Kaiser-Josef-Platz tummeln sich die Einkäufer am Samstagvormittag. Menschen aus der Umgebung spazieren mit wiederverwendbaren Sackerln über den Markt und besorgen frisches Obst, Gemüse oder Fleisch. „Dankeschön und schönes Wochenende!“ hört man von der einen Seite, „Hätten’s zwei Euro klein vielleicht?“ von der anderen. Die Stimmung an diesem sonnigen Samstag wirkt gut. Vor der Fleischerei Feiertag stehen die Menschen Schlange. Der Betrieb läuft auf Hochtouren. Tafelspitz, Beiried, Koteletts, alles was „das Raubtier“ begehrt. Der Feiertag hat Bio! Aber sind die Österreicher wirklich überzeugt von Bio? Immerhin 57 Prozent der Teilnehmer einer Motivanalyse zum Einkaufs- und Konsumverhalten im Jahr 2018 gaben an, dass ihrer Meinung nach die Qualitätsunterschiede zwischen Produkten aus traditioneller und biologischer Landwirtschaft sehr oder eher groß sind. „Uns war immer wichtig, dass wir eine tolle Qualität haben“, so Roman Feiertag, Geschäftsführer der Fleischerei, die unter anderem in Graz sowohl am Kaiser-Josef-Platz als auch am Lendplatz eine Filiale betreibt. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sei auch für die Kunden von Vorteil. Doch auch die Wichtigkeit der Regionalität dürfe nicht in den Hintergrund gestellt werden. Denn anstatt zu einem Bio-Produkt aus Deutschland oder Holland, würde Feiertag doch lieber zu einem regionalen Produkt greifen.
Weniger Fleisch ist die Lösung
Als weitere Alternative zu Billigfleisch kann es nur weniger Fleisch geben. „Eine gute Qualität ist leistbar, wenn auf eine ausgewogene Ernährung geachtet und der Fleischkonsum etwas eingeschränkt wird!“, so Feiertag. Zum Beispiel nur zwei oder drei Mal in der Woche, aber dafür mit Qualität. Auch die Beilagen und der Salat seien wichtig. In Österreich befindet man sich in einer privilegierten Position und könnte mit genügend Willen das eigene Kaufverhalten verändern. „Wir müssen Prioritäten setzen. Wir haben nur einen Körper und deshalb müssen wir darauf schauen, wie wir uns ernähren!“, so Feiertag. Anstatt beim Essen zu sparen, könne auch auf den einen oder anderen Urlaub beziehungsweise einen zusätzlichen PKW im Haushalt verzichtet werden. Alles Reizthemen, aber es liegt bei uns. Wir sind am richtigen Weg: Der Fleischkonsum sinkt allmählich, die Zahl der Vegetarier und Veganer steigt. Vor allem die jüngeren Generationen sind auf dem besten Weg grüne Pfade zu betreten. Aber auch für 40plus gibt es Hoffnung. Wir können dem Fleischgenuss auch weiterhin frönen, solange wir bewusstere Entscheidungen treffen, uns gegen Billigfleisch stellen und bewusst vegetarische Tage einlegen. Alternativen wie Linsen, Soja und Co stehen im Trend, man muss nur mitmachen.
Text: Selina Trummer
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