Gedanken über Gerechtigkeit, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit.
Manchmal ist das Leben wie eine Wanderung. Gerade dann, wenn es nicht einfach ist, ist es lebenswert. Zum Gipfel muss man sich vortasten. Auf den oft einsamen Wegen gibt es genügend Zeit zum Nachdenken – ein Gespräch mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer über das Älterwerden mit Stil.
Jede Wanderung beginnt im trauten Heim. Das richtige Gewand, vor allem ein sicheres Schuhwerk muss man haben. Am besten im Morgengrauen, wenn es gerade Licht wird und sich die ersten Vögel zu Wort melden. Da hat man Zeit zum Nachdenken, zum Beispiel über die Frage, ob man ein Steirer sein kann, ohne hier geboren zu sein. „Meine Eltern sind Ursteirer, der Vater hat zwischenzeitig in Niederösterreich Arbeit bekommen, daher bin ich in Niederösterreich geboren, aber dann sind wir schon bald zurück ins schöne Steirerland“, erzählt mir Hermann Schützenhöfer. „Bei meinem Antrittsbesuch als Landeshauptmann der Steiermark habe ich dem damaligen Landeshauptmann Niederösterreichs, dem Erwin Pröll, gesagt, ich schätze Niederösterreich sehr, aber jede Person hat das Menschenrecht sich zu verbessern, und so sind wir zurück in die Steiermark.“
Mit 40 kann man vieles, da ist noch alles möglich
Manchmal sind es jedoch die mittleren Stationen, an denen man den interessantesten Ausblick hat. Also bitten wir den Landeshauptmann auf seinen 40er zurückzublicken, genauer gesagt, was er denn über dieses Alter so denkt. „40 ist ein jugendliches Alter, da steht man mitten im Leben, es ist sicher eine Zeit des Auf- und des Umbruchs. Es sind die Weggabelungen, die auftauchen, die hier das Salz in der Suppe sind. Manche wollen hier etwas Neues machen, sich selbst überraschen“, so der Herr Landeshauptmann. Er persönlich hält an seinen Grundsätzen fest: Gerechtigkeit, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit, auch privat, immerhin ist er fast 40 Jahre verheiratet.
Unterschiedliche Menschen machen das Leben gehaltvoll
Der Landeshauptmann ist einer von uns. Er marschiert sehr gerne und wenn die Zeit reicht, rauf auf unseren Hausberg, den Schöckl: „Dort traf ich regelmäßig Julius Kraft-Kinz, den damaligen Leiter der Chirurgie im LKH Graz, und den Dramatiker Wolfgang Bauer, dem bei Erscheinen der Wirt im Alpengasthof ungeschaut ein Seidl Bier und ein Stamperl Schnaps hingestellt hat. Ich habe sie beide sehr geschätzt, den Arzt und den Künstler. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die vier Währungen und alle Regime erlebt haben und die die Hoffnung auf ein besseres Leben nie aufgegeben haben.“ Am liebsten redet Hermann Schützenhöfer mit Menschen, deren Augen Geschichten erzählen können. Solche Menschen haben meistens etwas zu erzählen: „Es ist immer wieder beeindruckend mit Menschen zu reden, die aufgewachsen sind in einer Welt, in der die Rahmenbedingungen nicht gestimmt haben, in die Armut hineingeboren wurden, aber dennoch nie den Glauben verloren haben.“
Auch der Fußballplatz ist ein Reich der Erkenntnis und der Freude
An geradlinige Menschen, mit einem Ziel vor Augen, kann man sich gut orientieren – so wie der ehemalige SK Sturm Graz Kicker Alfred Murlasits, der gefürchtete Torschütze in den 1960er-Jahren. „Wenn der Murlasits einen Kracher unter die Latte losgelassen hat, das war schon etwas Besonderes! Wir haben damals ja kein Geld für Tickets gehabt, aber wenn ein Ordner mit uns Mitleid hatte, durften wir in der zweiten Halbzeit hinein und haben manchmal auch ein Wurstbrot bekommen. Dazu war ein Tor von Sturm Graz oder ein Sieg die Krönung!“, so der Landeshauptmann.
Hoch oben in Einklang und Einsicht
Aber Hermann Schützenhöfer machte auch vor den beiden steirischen Klassikern keinen Halt: „Der Grimming und der Dachstein sind die höchsten Berge, die ich bestiegen habe. Die schwerere Herausforderung war der Grimming, der Dachstein war jedoch als steirischer Tourismusreferent fast schon eine Pflicht, da ich mindestens dreimal in der Woche den Berg durch unsere Landeshymne „Hoch vom Dachstein an“ besungen habe.“ Und oben auf der Spitze, beim Gipfelkreuz, da tut sich dann etwas: „Da wird man dann bescheiden, sieht wie klein man ist und wie groß die Welt ist. Das ist auch für die eigene Befindlichkeit wichtig, dass man die Größe auf das zurückschraubt, was sie eigentlich ist.“
„Erst wenn man seine Mutter verliert, hört man auf ein Kind zu sein. Diesen Satz würde ich tausend Mal unterstreichen.“ In der Höh’ kann man dann auch über die letzten Dinge nachdenken, zum Beispiel über den Tod der Eltern. „Mein Vater ist vor 31 Jahren gestorben, der Vater war für mich das strenge Vorbild, die Mutter war die Gütige. Als gläubiger Mensch weiß ich, dass die Eltern mitbekommen haben, dass ich es als Sohn eines Arbeiters zum Landeshauptmann geschafft habe.“ Jedoch ist am Gipfel auch die Sonne vorhanden. „Es gibt nichts Schöneres als Leben weiterzugeben. Seit 5 Monaten sind wir Großeltern. Die Johanna ist unser Liebling. Zu sehen wie ein Kind heranwächst überstrahlt jede berufliche Funktion, die man hat.“