Zukunftstalk

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Horts Bischiof

Horst Bischof
Studierte Informatik an der TU Wien, wo er 1993 promovierte und sich 1995 habilitierte. 2004 wurde er zum Universitätsprofessor für Computer Vision an der TU Graz berufen. Seit 2011 Vizerektor für Forschung an der TU Graz. Veröffentlichte mehr als 630 wissenschaftliche Arbeiten und erhielt 20 nationale und internationale Preise für seine Publikationen.
Bild:© Helmut Lunghammer

Martin Graf

Martin Graf
2011 bis 2016 Vorstand der Energie-Control Austria. Seit 2016 Vorstandsdirektor der Energie Steiermark AG. Zudem liegt die Zuständigkeit für die Energienetze Steiermark GmbH bei ihm. Er blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Energiebranche zurück. Er verfügt über ein tiefes Verständnis über die heutigen und zukünftigen Herausforderungen der Branche und über Managementerfahrung in technischen & kaufmännischen Funktionen.
Bild:© Lex Karelly

Karl Stocker

Karl Stocker
Bis 2021 Leiter der Studiengänge „Informationsdesign“ und „Ausstellungsdesign“ an der FH JOANNEUM – University of Applied Sciences in Graz. Derzeit als Berater, Vortragender und Netzwerker im Kultur- & Designbereich sowie international im universitären Bereich als Vortragender, Supervisor & Berater tätig. Botschafter von Graz – UNESCO City of Design.
Bild:© Lex Karelly

Gerhard Sommer

Gerhard Sommer
Gelernter Koch und ist seit 33 Jahren Kunsthändler & Galerist in Graz. Mit seinen 2 Galeriestandorten in der Innenstadt bzw. in Graz-Liebenau konzentriert er sich auf den Wiener Aktionismus und die Zeitgenössische Kunst nach 1945.
Bild:© Florian LIerzer

Tammo Trantow

Tammo Trantow
25 Jahren Praxis in unterschiedlichen Kampfkünste & Körperarbeit. Lehrer, Gründer und Leiter an der Sanshinkai Akademie in Graz. Beschäftigt sich seit 2014 mit esoterisch-philosophischen Themen. Allen voran mit Hatha Yoga & Schamanismus. Kampfkünste empfindet er als ein ideales Übungsfeld, um beides zu studieren.
Bild:© Dj Ocho

Wo hat die Zukunft begonnen, beginnt sie jetzt, oder immer erst morgen?

Horst Bischof: Aus Sicht der Relativitätstheorie sind Raum und Zeit miteinander verknüpft und nicht absolut, sondern vom jeweiligen Bezugssystem abhängig. So gesehen schafft sich jeder seine Zukunft selbst.

Karl Stocker: Ich darf hier Douglas Rushkoff zitieren, der meinte, dass wir uns nicht über die Zukunft beunruhigen müssen, weil wir in einer Gegenwart leben, die für immer andauern wird.

Gerhard Sommer: Zukunft beginnt immer jetzt, denn eine Sekunde danach ist es schon wieder Vergangenheit.

Tammo Trantow: Immer erst morgen.

Martin Graf: Um für die Zukunft gerüstet zu sein, braucht es auch ein Gestern. Es ist wichtig, strategisch nachhaltige Ziele zu planen, um sie überhaupt umsetzen zu können. Denken Sie zum Beispiel an unsere aktuellen Projekte, wie die Wasserstoff-Anlage in Gabersdorf, mit einer Investitionssumme von rund 10 Millionen Euro – die erste Wasserstoff-Produktionsanlage in Österreich für den Industrie-Markt. Hier konnten wir bereits das Unternehmen Wolfram (Sandvik-Konzern) als Abnehmer gewinnen. Oder an die PV-Freiflächenanlage in Bärnbach mit 12 Millionen Euro. Zukünftig können damit rund 10.000 Steirer*innen mit grünem Sonnen-Strom versorgt werden. Da sind einige Aufgaben von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vorfeld zu erledigen, um solche Großprojekte realisieren zu können. Das benötigt Zeit, Geduld und eine akribische Vorbereitung – von der Finanzierung, der Planung, Einhaltung der Verordnungen bis hin zum Bau der Anlagen.

Was haben wir in den letzten 2 Jahren gelernt?

Horst Bischof: Wie wichtig es ist, flexibel zu sein und wie rasch wir kreative Lösungen finden.

Karl Stocker: Gelernt habe ich, dass ich offenbar vorher zu viel auf Eröffnungen und Events gegangen bin: Kommunikationssimulation, Data Overflow! Das geht mir nicht ab! Gelernt haben wir, dass offenbar das österreichische Bildungssystem unsere Bevölkerung nur sehr eingeschränkt zu kritischen Staatsbürger*innen „erzogen“ hat. Die Ablehnung wissenschaftlicher Forschung durch einen nicht geringen Teil der Bevölkerung ist dafür ein eindrucksvoller Beleg.

Gerhard Sommer: Dass es immer anders kommen kann, als man denkt und dass wir nur eine Welt haben, auf die wir aufpassen müssen.

Tammo Trantow: Branding und Marketing sind mächtige Werkzeuge – Menschen sterben – Die meisten Menschen haben Angst davor – Diese Ängste drücken sich individuell aus – Wie Ängste uns dazu bringen Freiheiten zu opfern…

Martin Graf: Nun, dass man auf Unvorbereitetes bis zu einem gewissen Grad vorbereitet sein muss. Es hat sich gezeigt, dass in unserem Unternehmen der Krisenstab gute Arbeit leistet. Die Energie Steiermark ist eine kritische Infrastruktur und die Versorgungssicherheit für unsere Kundinnen und Kunden hat auch in Krisenzeiten oberste Priorität. In den letzten 2 Jahren Pandemie hat unser Arbeitseinsatz auch unter erschwerten Rahmenbedingungen bestens funktioniert. So absolvieren wir jedes Jahr mit unserem Krisenstab Übungen, um eventuelle Krisen durchzuspielen und aufzuzeigen, wo eventueller Handlungsbedarf besteht, damit wir im Anlassfall gerüstet sind und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau wissen, was zu tun ist.

Wie definieren Sie Zukunft?

Horst Bischof: Zukunft ist der Ort, an dem ich zu leben gedenke.

Karl Stocker: Zukunft ist für mich ein Verhalten, die Welt so anzusehen und anzugehen, dass wir nicht in den festgefahrenen und tradierten Strukturen stecken bleiben, sondern für Neues offen sind.

Gerhard Sommer: Wir brauchen die Zukunft, um unsere Fantasie anzuregen.

Tammo Trantow: Die Zukunft ist, wie wir uns das noch nicht Ereignete vorstellen. Als Kollektiv oder als Individuum.

Martin Graf: Zukunft bedeutet Chancen zu haben. Veränderungen einzuleiten, mögliche Fehler zu korrigieren und mit Traditionen zu brechen und neuen Perspektiven, Zukunftsvisionen eine Chance zu geben. Aber es bedeutet auch, Mut zu zeigen, Kooperationen einzugehen, um Neues schaffen zu können.

Inwieweit ist „die Zukunft“ in Ihrem Beruf ein Thema?

Horst Bischof: Forschung = Zukunft.

Karl Stocker: Design ist seit 150 Jahren an den Entwicklungen der industriellen Gesellschaften mit positiven und negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt beteiligt. Schon allein daraus ergibt sich für die Designer*innen eine hohe Verantwortung, an der Bewältigung der uns heute und zukünftig betreffenden Probleme mit gestalterischen Mitteln mit zu arbeiten.

Gerhard Sommer: Welcher junge Künstler hat das Potenzial in Zukunft ein Großer zu werden.

Tammo Trantow: Insofern, dass um im „Jetzt“ zu leben, wir erkennen müssen, dass „Jetzt“ der flüchtige Augenblick zwischen Erinnerung und Vorstellung ist. Somit ist die Zukunft eigentlich immer etwas zwischen einer Vision und einem zufälligen Ereignis.

Martin Graf: In der Energie Steiermark gestalten wir gemeinsam mit unserem hochmotivierten Team von 1.850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zukunft – unser Ziel ist die Klimaneutralität 2040 zu erreichen und wenn man sich das heute als Ziel setzt, muss man täglich darüber nachdenken und daran arbeiten, wie man dieses Ziel auch tatsächlich erreicht.

Wo müssen wir es anpacken?

Horst Bischof: Bei der Forschung! Besonders bei der Grundlagenforschung, denn diese ist die Basis jeder technologischen Entwicklung.

Karl Stocker: Im Bereich des Designs brauchen die Designer*innen auf jeden Fall ein neues Mindset sowie entsprechende Strategien und erweiterte Methoden. Wichtig wäre auch die Bedürfnisse nichtmenschlicher Stakeholder – also Tiere und Umwelt – in den Designprozess zu integrieren. Dafür braucht es Wissen und Gestaltungstechniken aus dem Human-Centered Design und Usability ebenso wie aus Ökologie, Umweltwissenschaften, Soziologie und Philosophie.

Gerhard Sommer: Jeder muss versuchen einen Teil dazu beizutragen (Umwelt, Klima, Soziales).

Tammo Trantow: Parameter definieren, sowohl als Individuen als auch Gesellschaft. Diese können dann als Leitfaden für unser Handeln funktionieren. Dann sollten wir die jetzige Situation genau betrachten und möglichst viele der Implikationen unserer Handlungen erdenken. Und dann kluge Entscheidungen treffen. Als Individuen, als auch als Gesellschaft.

Martin Graf: Die Energie Steiermark plant in den kommenden zehn Jahren einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energie. In Summe haben wir Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 2 Milliarden Euro in der Pipeline. Über 1 Milliarde Euro geht in die Erzeugung – dabei geht es sowohl um den Ausbau der Windkraft, der Photovoltaik und der Wasserkraft. Zum Beispiel das neue Wasserkraftwerk in Gratkorn, welches wir gemeinsam mit dem Verbund errichten, hier ist der Baustart bereits erfolgt und wird nach geplanter Fertigstellung 2024 rund 15.000 Haushalte mit grüner Energie versorgen und zirka 30.000 Tonnen CO2 jährlich einsparen. Wir planen auch 100 Windräder, die bis zu 150.000 Haushalte versorgen können. In den nächsten Jahren investieren wir rund 320 Millionen Euro alleine dem Windkraftausbau – etwa auf der weststeirischen Stubalm oder auf der Freiländeralm, wo wir weitere 17 Windräder zu den 4 bestehenden planen. Ein weiteres Großprojekt – wie bereits erwähnt – ist die Photovoltaik-Freiflächenanlage auf einem Deponie-Gelände in Bärnbach. Hier werden wir mit einer Kollektoren-Fläche von rund 28 Fußballfeldern Sonnenstrom für über 10.000 Steirerinnen erzeugen. Auch in Neudau beginnen wir im April mit dem Bau einer Photovoltaik-Anlage mit grünem Strom für rund 7.000 Steirerinnen. Was oft vergessen wird: Auch Modernisierungen und Aufrüstungen unseres über 30.000 Kilometer langen Stromnetzes sind entscheidend, um grünen Strom aus dezentralen Anlagen überhaupt „abholen“ zu können. Allein dafür haben wir pro Jahr bis zu 150 Millionen Euro eingeplant.

Die Menschen sehnen sich nach einer „geordneten Zukunft“, wird es so etwas (jemals) geben?

Horst Bischof: Nein. Das Wesen der Zukunft ist es ja, dass wir sie nur sehr eingeschränkt vorhersagen können. Das lehrt uns die Chaostheorie.

Karl Stocker: Österreich hat unter Bruno Kreisky einen Sozialstaat eingeführt, der jene unterstützt hat, die vorher ökonomisch, sozial und symbolisch deklassiert waren. Das implizierte für einige Jahre auch eine „geordnete Zukunft“, quasi von der Wiege bis zur Bahre. Der Neoliberalismus implantierte anschließend die Risikogesellschaft (Ulrich Beck) und heute ist angeblich jeder wieder selbst der Schmied seines eigenes Glücks.

Gerhard Sommer: Wie man sieht, nein. Eine Pandemie ist nicht planbar, auch die Politik ist unberechenbar geworden.

Tammo Trantow: Je größer das Maß an erdachter Ordnung, desto umfassender die Notwendigkeit der Kontrolle. Diese Kontrolle ist aber niemals ein Garant für andauernde Ordnung. Come to peace with the fact, that we are mere mortals and we will die.

Als Spiegel der Zeit ist gerade in der Jugend eine gewisse Angst vor der Zukunft doch ein relevantes Thema. Was tun?

Horst Bischof: Wir müssen noch stärker auf junge Menschen hören, denn die Jugend sollte die Zukunft gestalten, in der sie leben will.

Karl Stocker: In meiner Jugendzeit dachten wir noch, dass alles machbar sei, dass wir die Welt beherrschen können und dass die Zukunft besser und schöner sein würde, ja wir glaubten tatsächlich an eine Utopie. Naja, im Kontext der nicht nur die Jugend umgebenden Probleme, ist es doch verständlich, dass sich die heutige Jugend um ihre Zukunft Sorgen macht. Nicht zu vergessen der soziale Faktor: Denn wenn die Eltern nicht zu dem einen Prozent gehören, dem 50 Prozent des österreichischen Eigentums gehört – ich denke, das kann schon Zukunftsängste bereiten.Gerhard Sommer: Mit der Jugend reden und versuchen ihr die Angst zu nehmen. Workshops anbieten, mit interessanten Vortragenden.

Tammo Trantow: Was sich heute verändert hat ist, dass wir als Erwachsene so feige geworden sind, dass wir – anstatt unsere Jugend zu schützen – sie missbrauchen, um uns vor etwas zu schützen, wovon sie keine Gefahr haben. Und das mit unsicheren Mitteln. Das sollte uns wirklich zu denken geben und wir müssen das korrigieren.

Martin Graf: Es ist an uns zu zeigen, dass Veränderungen auch positiv sein können. In unserer Lehrlingsausbildung versuchen wir, den jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen und gleichzeitig Stabilität zu geben. Derzeit sind in der Energie Steiermark fast 100 Jugendliche in Ausbildung. Seit 2020 nehmen wir 30 Lehrlinge pro Jahr auf. Gleichzeitig haben wir die Ausbildungsschwerpunkte den zukünftigen Herausforderungen angepasst. Bei uns werden Lehrlinge zu Green Energy Profis ausgebildet – zu Expert*innen im Bereich Erneuerbare Energie mit einem besonderen Fokus auf zukunftsweisende Themen wie Digitalisierung, Smart Meter, E-Mobilität, etc. Ich denke, dass wir dadurch unseren Nachwuchskräften das nötige Rüstzeug für die Zukunft mitgeben und bieten allen erfolgreichen Lehrlingen nach Ende ihrer Lehrzeit eine Fixanstellung an.

Wie soll man sich im Chaos zurechtfinden?

Horst Bischof: Wissen und Wissenschaft waren immer schon Wege, um Ordnung in die Welt zu bringen.

Karl Stocker: Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik schreibt ja einen Trend zu wachsender Unordnung vor, aber dennoch gelingt es der Natur aus chaotischen Zuständen geordnete Strukturen zu entwickeln. Warum sollte das nicht auch unseren Gesellschaften gelingen.

Gerhard Sommer: In die Natur gehen, um nachzudenken und den Verstand einzusetzen.

Tammo Trantow: Das muss jede*r selber herausfinden. Aber sicherlich nicht mit noch mehr Regeln und Verordnungen

Was ist das Wichtigste, das wir sofort richten sollen?

Horst Bischof: Wir müssen der Wissenschaftsskepsis in Österreich viel stärker entgegenwirken. Wenn die Menschen der Wissenschaft nicht vertrauen, sind sie selbst ernannten Prophetinnen und Verschwörungstheoretikerinnen ausgeliefert.

Karl Stocker: Die 17 Sustainable Development Goals der UNO sagen uns im Detail, wo es langgehen sollte. Nur hält sich kein Staat daran. Ökologisch, sozial und ökonomisch müsste man schleunigst Änderungen durchführen und mit dem Beschwichtigungsgeschwurbel aufhören, es ist ja nicht nur beim Klima 5 nach 12! Der Staat hätte vor allem auch auf der sozialen Seite etwas tun können, hat aber in den letzten Jahren die soziale Ungleichheit steigen lassen, Armut und Arbeitslosigkeit nicht verhindert und ermöglicht die Anhäufung ungeheurer Reichtümer, was die Demokratie letztlich gefährdet.

Gerhard Sommer: Umwelt, Klima, die Schule neu ausrichten. In der Politik Richtlinien schaffen.

Tammo Trantow: Lasst die Kinder und Jugendlichen wieder ein normales Leben führen.

Brauchen wir einen Messias?

Horst Bischof: Definitiv nein, aber wir brauchen Grundlagenforschung, um die Werkzeuge schon zu haben, wenn wir sie brauchen (z.B. mRNA-Impfstoffe).

Karl Stocker: Definitiv nicht. Schauen Sie sich an, was uns diverse Messiasse gebracht haben. Der Schlüssel zu einer positiven Zukunft ist das Kommunizieren und Entwickeln eines verantwortungsbewussten und nachhaltigen Zugangs zur Welt. Alles hängt von Zusammenarbeit ab – zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Designerinnen, Aktivistinnen und Menschen überhaupt – mit dem Ziel Lösungen zu finden und Änderungen zu erreichen.

Gerhard Sommer: Wir bräuchten vernünftige Politiker und Menschen mit Hausverstand.

Tammo Trantow: Nein. Denn: Als Individuen müssen wir lernen unbedingte Verantwortung über unsere Handlungen zu übernehmen. Ein Messias ist quasi die Antithese hierzu, da er/sie jemand ist, dem Mann/Frau folgen möchte. Dadurch geben wir Verantwortung ab.

Martin Graf: Es braucht Menschen mit Engagement, Visionen, für eine saubere und gesunde Umwelt, die bereit sind gemeinsam unsere Zukunft zu gestalten.

Moderation: Martin G. Wanko


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