40plus Talk

Nachhaltigkeit geht uns alle etwas an. So sieht das auch die französische Atomkraft-Lobby. So gesehen ist es interessant, dass die Definitionen unterschiedlich sind und die Prioritäten subjektiv unterschiedlich wahrgenommen werden.

Talkgäste:
Sandra Krautwaschl, Abgeordnete zum Steirischen Landestag
Gregor Seberg, Schauspieler
Michi Lorenz, Demeter-Winzer
Markus Tomaschitz, AVL-Konzernsprecher
Rainer Stelzer, Vorstandsdirektor RLB Steiermark
Julia Zotter, Chocolatière

Moderation: Martin G. Wanko

Sandra Krautwaschl, Abgeordnete zum Steirischen Landtag
Gregor Seberg, Schauspieler
Michi Lorenz, Demeter-Winzter
Markus Tomachitz, AVL-Konzernsprecher
Rainer Stelzer, Vorstandsdirektor RLB Steiermark
Julia Zotter, Chocolatière

Definieren Sie »Ihre« Nachhaltigkeit in maximal 50 Worten.

Sandra Krautwaschl:
Privat lebe ich Nachhaltigkeit, indem ich möglichst »verschwendungsfrei« lebe: Ich vermeide Müll, wo immer es geht, repariere Dinge, bevor ich sie neu kaufe, fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln, kaufe überwiegend Second-Hand-Ware und regional. Politisch nachhaltig sind für mich wiederum Maßnahmen, die über die Legislaturperiode hinaus ökonomisch, sozial und ökologisch sinnvoll sind.

Gregor Seberg:
Nachhaltigkeit ist zunächst einmal eine Frage des Bewusstseins dafür, was es braucht. Und dann kann ich Tag für Tag die Liste abarbeiten, mal mehr, mal weniger. Autofahrten reduzieren, Ressourcen sparen, Fleischkonsum eindämmen. Ziel ist es, nicht den Verzicht als etwas Besonderes zu sehen, sondern die Verschwendung.

Michi Lorenz:
Landwirtschaft. Ernährung. Als Demeter Winzer produziere ich zwar kein Grundnahrungsmittel, versuche aber, meine Arbeit und meine Eingriffe immer fertig zu denken und als Ganzes zu sehen.

Julia Zotter:
Man darf nicht mehr nehmen, als nachwächst. Der Begriff ist nicht neu und kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft, man darf nicht mehr Holz entnehmen, als der Wald wieder nachproduzieren kann. Eigentlich ganz einfach auch auf andere Bereiche übertragbar.

Markus Tomaschitz:
Nachhaltigkeit bedeutet für mich, möglichst viel in Folgenabschätzung zu investieren und die bestehenden Technologien zu nutzen sowie auf das aktuelle Wissen zurückzugreifen. Es bedeutet eben nicht nur kurz- sondern mittel- und langfristig an die Folgen von Aktionen und Entscheidungen zu denken. Ich definiere Nachhaltigkeit als Sicherstellung von Zukunft.

Rainer Stelzer:
Nachhaltigkeit ist nicht nur die Angelegenheit Einzelner, sondern es ist das gemeinsame Wirken vieler Akteure. Sie fußt auf dem Zusammenspiel von Umwelt, Mensch und Wirtschaft. Das Verständnis für Nachhaltigkeit spiegelt sich bei Raiffeisen etwa in den eigenen Bankprodukten, der Wertschätzung langfristiger Kundenbeziehungen und im Engagement für Vereine und Organisationen wider.

An welchen Bereich (betreffend Nachhaltigkeit) denken Sie als Erstes?

Sandra Krautwaschl:
An erster Stelle steht für mich die Kreislaufwirtschaft, für die ich mich auch politisch einsetze. Eine starke Kreislaufwirtschaft würde wesentlich dazu beitragen, dass wir deutlich weniger Ressourcen verbrauchen, weniger Treibhausgase produzieren und trotzdem unsere Lebensqualität erhalten.

Gregor Seberg:
Verkehr und Industrie.

Julia Zotter:
Nachhaltige Wirtschaft, denn damit beschäftige ich mich ja täglich. Wobei bei uns als Produktionsbetrieb die Nachhaltigkeit nicht bei der Rohstoffbeschaffung endet – klar, alle Zutaten für unsere Produkte sind Bio und fair, aber wir gehen noch einen Schritt weiter. Wir produzieren bereits 60 % des Energiebedarfs selbst, sind unabhängig von fossilen Brennstoffen und sind als Social Enterprise auch sehr bedacht auf das Wohl unserer Mitarbeiter. Dazu gehört jeden Tag ein gratis Bio-Mittagessen, gratis Getränke, gratis Kinderbetreuung in den Ferien und zusätzliche Sozialleistungen wie Sonderboni oder Arbeitskleidung.

Markus Tomaschitz:
Lebensmittelerzeugung und an Mobilität. In beiden Bereichen gab und gibt es enorme Fortschritte in der nachhaltigen Ausgestaltung.

Rainer Stelzer:
Nachhaltigkeit ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern mit Blick auf künftige Generationen sehr wichtig. Als Bank müssen wir uns mit dem Thema nicht erst anfreunden, es ist in unseren Genen tief verwurzelt. Daher kommen mir etwa ESG-Themen als erstes in den Sinn. Diese sind für die Gesellschaft und unsere Kundinnen essentiell. Hier nehmen wir eine Vorreiterrolle ein und begleiten unsere Firmenkundinnen mit Workshops bei der Transformation.

Ist Bio gleichzusetzen mit nachhaltig?

Sandra Krautwaschl:
Ein ganz klares Nein, das ich immer gerne mit einem Beispiel untermauere: Ehrlich gesagt, wäre es zum Beispiel nachhaltiger, auf Kaffee zu verzichten, als Biokaffee zu trinken. Aber mein Kompromiss im Alltag ist: Weniger Kaffee als früher – dafür Bio und Fairtrade.

Gregor Seberg:
Gleichzusetzen ist es nicht. Aber es hängt in der Natur alles zusammen, somit ist »Bio« ein Teil davon.

Michi Lorenz:
Bio ist nicht gleich nachhaltig. Aber es ist eine gute Richtung. Jedes Bioprodukt ist jedem konventionell hergestelltem Produkt vorzuziehen.

Julia Zotter:
Nein, ganz klar nicht – denn echte Nachhaltigkeit geht noch einen Schritt weiter, über die Produkte hinaus – in alle Bereiche des Unternehmens und des Lebensbereichs. Bio zertifiziert ein Produkt, die Qualität der Rohstoffe, aber nicht die Herstellungsweise.

Markus Tomaschitz:
Nicht zu 100%, aber grundsätzlich sollte die Bezeichnung BIO eine Richtung und eine Einschätzung sein, die für Konsumenten hilfreich sein sollte.

Rainer Stelzer:
Nachhaltig zu denken, heißt auch immer an morgen und eine lebenswerte Zukunft zu denken. Wenn Bio-Standards dazu beitragen, dann sind sie nachhaltig. Zumal Bio-Produkte oft ressourcenschonender produziert werden und daher die Umwelt schonen. Dennoch gilt es vor diesem Hintergrund auch immer die Transportwege im Auge zu behalten.

So nebenbei: Ist die Bio-Flug-Mango noch nachhaltig?

Sandra Krautwaschl:
Für mich gibt es kein nachhaltiges Produkt »per se«. Es kommt immer auf die Alternative an. Wissenschaftlich unumstößlich ist jedenfalls: Pflanzliche Ernährung ist um ein Vielfaches nachhaltiger als tierische Ernährung – in Bezug auf Flächenverbrauch, Wassernutzung oder CO2-Emissionen.

Gregor Seberg:
Natürlich nicht. Mangos aus Übersee sind ein vertrotteltes Verbrechen.

Michi Lorenz:
Was den Boden in dem jeweiligen Erzeugerland betrifft schon. Ob wir sie hier bei uns brauchen, ist eine andere Frage. Man sollte sich sowieso fragen, ob man alles immer braucht. Früher hatten die Leute nur das am Tisch, was gerade im Garten gewachsen ist. Viele Top-Gastronomiebetriebe arbeiten wieder nach diesen Prinzipien und das ist gut so.

Julia Zotter:
Ganz klar nein, ist sie nicht. Da muss man auch nichts beschönigen. Wir testen gerade eine Transportalternative per Segelfracht für Kakaobohnen aus Belize, das ist CO2-neutral, dauert allerdings mehrere Monate bis das Schiff wieder in Hamburg einläuft, das ist keine Option für Frischware wie Früchte.

Markus Tomaschitz:
Nein, und das wird es auf lange Sicht auch nicht sein.

Rainer Stelzer:
Die Aufgabe den Klimawandel zu stoppen, ist für viele Menschen oft mit dem Gefühl von Einschränkung und Verzicht verbunden. Vielmehr sollten sich Entscheidungsträger die Frage stellen, wie man Lebensstandards halten kann, ohne dabei den Planeten zu belasten. Viele Menschen arbeiten bereits aus einer eignen Motivation heraus daran. Es werden etwa schon viele Tropenfrüchte wie Melone oder Kiwi von findigen Landwirt*innen in Österreich auf nachhaltige und innovative Weise angebaut – vielleicht folgt bald die nachhaltige Bio-Mango aus Österreich.

Es gibt teilweise Internet-Seiten, die weisen auf über 30 verschiedene Siegeln hin, nicht alle sind einwandfrei. 75 % der Bevölkerung ist das zu viel. Soll es ein national/international anerkanntes Nachhaltigkeitssiegel geben?

Sandra Krautwaschl:
Wenn man dafür klare und nachvollziehbare Kriterien definieren könnte, wäre das auf jeden Fall sinnvoll.

Gregor Seberg:
Das ist dann genau so unzuverlässig wie die vielen anderen. Nein, der Mensch sollte nachdenken und letztlich ohne Siegel auskommen.

Michi Lorenz:
Greenwashing ist ein großes Problem. Beim Einkauf ist es auch ganz schwierig zu erkennen, wie und wo gewisse Dinge produziert bzw. verarbeitet wurden. Ich achte bei vielen Dingen auf das EU-Bio-Siegel und bevorzuge natürlich Demeter-Produkte. Diese gibt es auf der ganzen Welt. Nicht überall leicht zu finden, aber zur Not kann man auch am Computer recherchieren.

Julia Zotter:
Nein, denn das wäre der kleinste gemeinsame Nenner, damit möglichst viele das Siegel bekommen. Das macht aber keinen Sinn. Ein Siegel macht nur dort Sinn, wo nachweislich nach messbaren Kriterien zertifiziert wird. Wie bei Bio. Da kann man sich darauf verlassen, dass keine Pestizide oder andere Verunreinigungen im Produkt sind. Der beste Weg ist Transparenz, wenn Unternehmen deklarieren, wo Rohstoffe herkommen, Lieferanten nennen und Fragen von kritischen Konsumenten ehrlich beantworten. Wir gehen mit diesen Informationen sehr offen um und stehen gerne für Rückfragen unserer Kunden zur Verfügung.

Markus Tomaschitz:
Ja, man muss die Komplexität hier reduzieren und es den Konsumenten leichter machen. Die Gütesiegelindustrie verdient zwar prächtig mit immer neuen Bezeichnungen, wertschöpfend und wertschätzend ist das aber alles nicht. Weniger wäre hier mehr.

Rainer Stelzer:
Ich denke, wir sollten uns weniger auf Siegel stützen und vielmehr allgemein gültige Richtlinien für die verschiedenen Bereiche festlegen. Im Finanzbereich schafft etwa die EU-Taxonomie ein einheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis. Sie legt Definitionen fest, bei denen wirtschaftliche Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig geregelt werden.

Kann ein Automobil nachhaltig sein?

Sandra Krautwaschl:
Es kommt darauf an, wie und wofür man es einsetzt und welche Alternativen es gibt. Um das wieder mit einem persönlichen Beispiel zu erklären: Für mich ist das »nachhaltigste« Auto derzeit ein E-Carsharing-Auto. Ich nutze e-Carsharing, wenn ich keine Möglichkeit habe, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zu fahren.

Gregor Seberg:
Ich bin kein Experte, aber ich glaube nein. Vielleicht in Zukunft?

Michi Lorenz:
Ich denke, da gibt es viele Fehler im System. Ob Verbrenner, Elektro, Wasserstoff ist nicht das größte Problem. Muss man jeden einzelnen Teil von A nach B transportieren, um eine Beschichtung zu machen oder bei einem Scheinwerfer einen kleinen Teil einzubauen, um es dann wieder tausende Kilometer zur nächsten Station zu bringen?

Julia Zotter:
Nein, jeder nicht gefahrene Kilometer im Individualverkehr ist besser. Verkehr ist immer kritisch zu betrachten, denn es werden immer Ressourcen verbraucht. Dennoch sollte Mobilität möglich sein. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist ein wichtiger Schritt, das Bahnnetz muss viel stärker ausgebaut werden. Alternativen schaffen, anders geht es nicht.

Markus Tomaschitz:
Das hängt von der Entstehung und der Nutzung ab. Es gibt heute eine weitgehend emotionalisierte Debatte über ein Verbrennermotor-Verbot, die nicht hilfreich ist. In der Stadt werde ich andere Verkehrsmittel nutzen als am Land. Nachhaltigkeit bedeutet auch Eigenverantwortung in der Nutzung – muss ich jeden Meter mit dem Auto fahren und wann nutze ich Fahrrad, Öffis oder gehe zu Fuß? Die größte Nachhaltigkeit beim Automobil erreiche ich über eine Technologieoffenheit und nicht über Verbote, denn der Wunsch der Menschheit nach individueller Mobilität bleibt ja.

Rainer Stelzer:
Ja, ein Auto kann nachhaltig sein, Raiffeisen beschäftigt sich seit geraumer Zeit daher mit Green Mobility. Wir sind etwa Partner vom Mobilitätscluster ACstyria, der sich mit zukunftsweisenden Mobilitätskonzepten beschäftigt. In diesem Feld hat sich auch Raiffeisen-Leasing stark positioniert. Und wir unterstützen ferner Start-ups bei der Umsetzung Ihrer Geschäftsidee sofern es uns möglich ist und sind somit ein wichtiger Multiplikator und Pionier für die E-Mobilität und E-Mobilitätskonzepte in Österreich.

Kann Ihrer Ansicht »PET Recycled« jemals nachhaltig sein? Immerhin sind Mineralöle ihre Ausgangsbasis. (Wird auf ISPO als nachhaltig gehandelt)

Sandra Krautwaschl:
Wenn ich – aus welchen Gründen auch immer – PET verwenden möchte, dann ist die recycelte Variante sicher besser. Wirklich nachhaltig wäre es aber erst, wenn wir ein dauerhaftes Kreislaufsystem hätten, in dem keine neuen Mineralöle mehr zugeführt werden müssen.

Gregor Seberg:
Wohl nicht. Aber besser recyclen als wegwerfen.

Michi Lorenz:
Ich kenne mich zu wenig mit PET-Recycling aus bzw. habe da keinen Einblick. Im Weinbau wird oft über die Flasche diskutiert. Die sind schwer und verbrauchen in der Produktion viel Energie. Auch der Transport hinterlässt einen Fußabdruck. Deswegen haben wir uns entschlossen nur mehr Leichtflaschen zu verwenden, um zumindest einen Teil zu reduzieren. Bag in Box und Dosen sind da sicher besser in der Ökobilanz. Da gibt es schon erste Versuche.

Julia Zotter:
Nachhaltig muss auch heißen, dass Materialien wiederverwendet werden können und idealerweise in die Kreislaufwirtschaft Eingang finden. Plastik, wenn es gut wiederverwertbar ist, ist ein tolles, versatiles Material. Aber die Problematik des Recycling muss gelöst werden.

Markus Tomaschitz:
Solange man auf Plastik im Allgemeinen zurückgreifen muss, weil es ja auch Vorteile hat, ist es jedenfalls die bessere Alternative. Aber nachhaltig im engeren Sinne ist es wohl nicht.

Rainer Stelzer:
Hier kann das Nachhaltigkeitskonzept »Reduce, Reuse, Recycle« angewendet werden. Wiederverwendung und Aufbereitung sind grundsätzlich immer zu befürworten – es ist wichtig, Materialien im Kreislauf zu halten, das reduziert Müll und mindert Ressourcenverbrauch.

Ist eine Durch- und Durch-Nachhaltigkeit bei Handelsgütern (Erzeugung, Verpackung, Transport) realistisch?

Sandra Krautwaschl:
Meines Erachtens ist der Begriff »Nachhaltigkeit« zu unscharf, um diese Frage seriös beantworten zu können. Jedenfalls ist es nicht zielführend, die heutige Form des Wirtschaftens, die eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen und Energie mit sich bringt, beizubehalten. Damit berauben wir uns unserer Lebensgrundlagen und bereiten den Boden für Verteilungskämpfe auf.

Gregor Seberg:
Nein, aber wir müssen uns das als Ziel stecken, um dieser Vorstellung möglichst nahe zu kommen. Nachhaltigkeit ist lebensnotwendig, also muss sie sexy werden bei jenen, die die Hebel in der Hand haben. Schade, ist aber wohl so.

Michi Lorenz:
Wir exportieren mittlerweile über 80 %. Von Japan, über Mexiko, bis nach Brasilien. Klar wäre es mir lieber, wir produzieren in der Südsteiermark und unsere Produkte werden in der gesamten Steiermark konsumiert, doch leider müssen auch wir wirtschaftlich denken und so unsere Märkte finden. Wir achten darauf, dass wir hier einen guten fruchtbaren Boden für die nächsten Generationen hinterlassen und versuchen, wie bereits erwähnt, bei Flaschen den Fußabdruck zu reduzieren.

Julia Zotter:
Ja!!! – ganz sicher – und bitte auch den Aspekt Reparierbarkeit und Wiederverwertung/Recycling berücksichtigen.

Markus Tomaschitz:
Nein, aber das Prinzip des geringsten Mitteleinsatzes führt zumindest in die richtige Richtung. Regionale Einkaufsverbünde haben da viel Positives bewirkt. In Summe muss jedes Unternehmen heute die Lieferketten im Auge haben – Corona sowie die Schwierigkeiten im Suez- und jüngst im Panamakanal zeigen die Fragilität auf. Ich kenne aber kein Unternehmen, dass sich derzeit keine Gedanken über die Lieferketten macht und nicht versucht, die Vorgaben zu mehr Nachhaltigkeit aktiv zu leben.

Rainer Stelzer:
Die Kreislaufwirtschaft wird noch ein wichtiger Aspekt in diesem Bereich werden, die Produktion muss vornherein geplant und konstruiert werden. Generell sind lokalproduzierte Waren zu bevorzugen, da sie einerseits die heimische Wirtschaft unterstützen und gleichzeitig das Klima schonen.

Klimawandel, Nachhaltigkeit, Regionalität, das geht ja alles Hand in Hand. Wo soll zuerst angepackt werden?

Sandra Krautwaschl:
Wir müssen dort ansetzen, wo wir soziale, ökonomische und ökologische Vorteile für die Menschen direkt sichtbar und attraktiv machen können. Hier sehe ich Potenziale im öffentlichen Verkehr oder in der Erhaltung von Naherholungsgebieten. Auch Zusammenschlüsse von regionalen Bio-Direktvermarktern, wie es sie vereinzelt schon gibt, sind ein gutes Beispiel. Was für mich auf Landesebene ganz entscheidend ist: Wir brauchen ein strengeres Bodenschutzgesetz, damit wir in Zukunft überhaupt noch regionale Produkte erzeugen können. Das ist gleichzeitig ein wesentlicher Hebel, um auf Landesebene dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Gregor Seberg:
Überall gleichzeitig.

Michi Lorenz:
Alles ist ein Teil des Ganzen. Überall mit kleinen Schritten zu großen Ergebnissen.

Julia Zotter:
Bei den Themen, die rasch umgesetzt werden können. Jeder Betrieb sollte z.B. verpflichtet werden, seinen Firmensitz/Lagerhallen/Produktionsräume mit Photovoltaikanlagen auszustatten. Viele Private rüsten ihre Häuser auf – nur die Gewerbebetriebe mit den großen Dachflächen lehnen sich ganz aus der Diskussion zurück. Das darf nicht sein, gerade dort sollte angesetzt werden und bestehende Flächen viel stärker genutzt werden. Wir haben einen neuen Stall gebaut mit PV-Dachflächen, damit wird Strom für 60 Familien produziert. Auch unser Fabrikgebäude wurde mit PV-Flächen ausgerüstet und wir streben auch als Produktionsbetrieb die 100%ige Energieautarkie an.

Markus Tomaschitz:
Bei der Klimaanpassung und weg vom der täglichen Apokalypse. Von der Dämonisierung bis zur Banalisierung und von dort zur Fiktionalisierung der Gegenwartsprobleme ist es oft nur ein kurzer Weg. Daher Schritt für Schritt und mit Impulskontrolle. Auch Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung ist mit Nachhaltigkeit vereinbar – mich wundert oft, dass dies manchmal falsch eingeordnet wird.

Rainer Stelzer:
Wir sehen eine nachhaltige Lebensweise als die essenzielle Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaft. Daher ist es wichtig, dass Regionen, Unternehmen und die Bevölkerung gleichermaßen nachhaltig handeln und im Zusammenspiel miteinander agieren. Daher können diese Bereiche nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Kinder wachsen oft noch in einer »Super RTL«-Glitzerwelt auf, die sie prägt. Wie macht man nachhaltige Produkte poppiger, ohne dass sie an Nachhaltigkeit verlieren?

Sandra Krautwaschl:
Für mich liegt die Lösung nicht in nachhaltigen Produkten, sondern in nachhaltigem Handeln. Dazu bräuchte es noch mehr »coole Vorbilder«! Stellen Sie sich vor, Lionel Messi würde öffentlich verkünden, dass er aus Klimaschutzgründen ab sofort nicht mehr fliegt und kein Fleisch mehr isst: Ich glaube, das hätte eine viel größere Wirkung auf – nicht nur junge – Menschen als ein neues nachhaltiges Produkt.

Gregor Seberg:
Mit genau den Methoden, mit denen man die Glitzerwelt in die Kinderköpfe gebracht hat: ihre Helden (und aber auch das Umfeld) müssen es nur vorleben.

Michi Lorenz:
Bei unserer Schule in Kitzeck, also am Land, wird sehr darauf geachtet, dass die Kinder lernen, mit Ressourcen sparsam umzugehen. Wenn ich mit meinem kleinen Neffen einkaufen gehe, bin ich immer wieder überrascht, wie genau er nachsieht, woher die Produkte kommen und wie sie produziert werden.

Julia Zotter:
Wir sehen das bei uns sehr oft, wenn engagierte Lehrer mit ihren Klassen auf Exkursion kommen und Bio und Fair erlebbar wird, intensiv diskutiert wird – und im Sommer oft Kinder wieder mit ihren Eltern kommen und ihnen zeigen, was sie bei uns erlebt haben. Auch hier wirkt Ehrlichkeit und Transparenz. Wenn die Botschaft eines Produkts glaubhaft ist, dann glitzern die Augen der Kinder und das Produkt dann auch ein bisserl.

Markus Tomaschitz:
Indem man die Designer ranlässt und klarstellt, dass cool und poppig mit Nachhaltigkeit vereinbar ist. Gerade die Generation Z und Alpha sind aber ohnehin sehr genau und achten auf Nachhaltigkeit. Thrift Stores, wo man bereits getragene Kleidung im Second Hand Gedanken kaufen kann, feiern tolle Erfolge. Es muss daher nicht immer nur poppig sein.

Rainer Stelzer:
Studien und Klimabewegungen zeigen, dass die junge Generation bereits ein starkes Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt hat. Für sie ist Nachhaltigkeit kein kurzfristiger Trend, sondern oftmals eine Lebenseinstellung.

97 % der Bevölkerung ist eine hohe Lebensdauer bei Elektrogeräten wichtig. Haben Sie den Reparaturbonus der Bundesregierung schon benutzt?

Sandra Krautwaschl:
Nein. Ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Mann alles selbst reparieren kann. Außerdem nimmt er regelmäßig teil an Repair Cafés, die zum Glück immer beliebter werden.

Gregor Seberg:
Selbstverständlich.

Michi Lorenz:
Haben wir natürlich schon genutzt. Leider ist eine Reparatur nur bei einem geringen Prozentsatz möglich. Denke, dass hier der wirtschaftliche Aspekt da im Weg steht.

Julia Zotter:
Ja, tatsächlich. Bei meinem Umzug ist mir die Waschmaschine vom Transportwagen gerutscht und war kaputt, zum Glück konnte sie repariert werden. Der Reparaturbonus wurde gleich von der Rechnung abgezogen, darüber habe ich mich sehr gefreut.

Markus Tomaschitz:
Ich versuche so oft es geht, defekte Geräte zu reparieren. Den Reparaturbonus habe ich aber nicht genutzt. Wenn aber ein altes Elektrogerät ein echter Stromfresser war, sind neue Produkte dann wahrscheinlich doch die besseren.

Viele Modelabels produzieren noch immer »an den Grenzen des Erlaubten«. Das sei dem Konkurrenzdruck geschuldet. Gibt es Auswege?

Sandra Krautwaschl:
Ja, indem sich die Gesellschaft weigert, solche Marken zu kaufen! Außerdem braucht es klare politische Rahmenbedingungen für eine ökologische und faire Produktion von Kleidung. Das hätte meiner Meinung nach einen doppelten Effekt: »Fast Fashion Labels« würden zunehmend verschwinden, dafür würde die Produktion von Qualitätskleidung einen Aufschwung erleben und auch die Reparatur- und Änderungsschneiderei würde davon profitieren.

Gregor Seberg:
Diese Fetzen einfach nicht mehr kaufen. Profitgier ist ja eine der Ursachen für die verheerende Situation, in der wir sind. Die rücksichtslose Industrialisierung ab Anfang des vergangenen Jahrhunderts hatte nur ein Ziel: Gewinn.

Michi Lorenz:
Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Dazu muss es Institutionen geben, die alles kontrollieren und öffentlich machen.

Julia Zotter:
Ja, weniger kaufen. Punkt. Mehr ist dazu gar nicht zu sagen. Es wird nicht nur grauslich produziert, sondern auch erschreckend entsorgt.

Markus Tomaschitz:
Die Auflagen werden deutlich strenger und auch die neuen Lieferkettengesetze verpflichten Unternehmen zur Nachhaltigkeit. Da hat sich viel verbessert. Aber ja, Auswege gibt es immer, in dem man besonders auf die Herstellung achtet.

Inwieweit soll der Staat in die Nachhaltigkeit lenkend eingreifen dürfen?

Sandra Krautwaschl:
Staatliche Eingriffe halte ich in allen Bereichen für sinnvoll, die unsere Lebensgrundlagen erhalten und unser Überleben sichern. Insbesondere beim Bodenschutz, bei der öffentlichen Mobilität, bei der Wasser- und Grundversorgung sowie bei gesetzlichen Vorgaben für Produktionsweisen.

Gregor Seberg:
Dort, wo einzelne Unternehmen sich auf dem Rücken der Bevölkerung nichts scheißen, sollte der Staat durchaus die Reißleine ziehen können. Extreme Auswüchse sollten nicht mit Strafzahlungen (das fällt denen leicht), sondern mit Freiheitsentzug geahndet werden.

Michi Lorenz:
Wie bereits erwähnt, der Staat kann Geld in Produktprüfung investieren und diese dem Konsumenten vorlegen. Natürlich ist mir bewusst, dass die Wirtschaft auch ihren Einfluss auf die Politik hat und somit wird es wohl bei einer Illusion bleiben.

Julia Zotter:
Anreize schaffen und ev. sogar entsprechende Steuermodelle schaffen. Wer PV-Anlagen errichtet (Dachflächen oder Fassadenflächen), sollte diese über mehrere Jahre steuerlich geltend machen können, sodass es für Unternehmen attraktiv ist. Wer keine Investitionen in diese Richtung tätigt, sollte sogar höhere Steuern bezahlen. Anders wird man keine Trendwende erzielen.

Markus Tomaschitz:
Durch Gesetze und Verordnungen – da tut sich gerade in der EU sehr viel. Aber ein Zuviel an Bürokratie schadet unserem Standort, daher braucht es Augenmaß. Ich würde mir daher ein globales, einheitliches Vorgehen wünschen. Österreich ist eines jener Länder, die im Vergleich schon heute nachhaltig produzieren – deutlich nachhaltiger als in vielen anderen Regionen. Ansonsten wünsche ich mir einen Staat, der sensibel bei lenkenden Eingriffen ist, um Übergriffigkeiten zu vermeiden.

Ist Nachhaltigkeit Erziehungssache?

Sandra Krautwaschl:
Erziehung zu nachhaltigem Verhalten ist sicherlich wichtig, kann aber klare politische Rahmenbedingungen nicht ersetzen.

Gregor Seberg:
Ich hoffe, dass es das ist. Und bemühe mich.

Michi Lorenz:
Definitiv. Eltern haben eine Vorbildfunktion. Wie sollen Kinder anders sein, wenn sie zu Hause nur Massenproduktion am Tisch stehen sehen? Andererseits liegt es an der Bildung. Man kann da aber schon eine Kehrtwende erkennen. Die Frage ist zu welchem Aufwand. Das Einfache, Bequeme ist und bleibt dann doch das Beliebteste.

Julia Zotter:
Nein, das ist mir zu autoritär, ich denke, es ist eher eine Veränderung unserer Gewohnheiten. Leichter und schneller geht es sicher mit Anreizen, nicht mit Strafen.

Markus Tomaschitz:
Alles ist Erziehungssache – also auch Nachhaltigkeit. Das gute Beispiel der Eltern und ein aktiver Erziehungsansatz hilft. Ein »Auslagern« dieser Erziehungsverantwortung an die Schulen halte ich für grundfalsch – da machen es sich viele Eltern zu einfach.

Rainer Stelzer:
Es ist wichtig, den eigenen Kindern die Wertigkeit unserer Natur und ihrer Lebewesen in der Erziehung zu vermitteln. Die Welt, in der wir leben, dürfen wir nicht als eine Selbstverständlichkeit ansehen, daher gehört sie tagtäglich mit Respekt behandelt.

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